Früherkennung - Mundbodenkarzinom in der Zahnarztpraxis:

Vorläuferläsionen und Frühstadien sind gut therapierbar.

Bösartige Neubildungen des Mundbodens gehen zu 90% vom Plattenepithel der oralen Mukosa aus, der Rest resultiert aus dem Gewebe der kleinen Speicheldrüsen.  Sie wachsen von dort infiltrierend in die benachbarten Gewebe wie Muskulatur und Knochen des Unterkiefers ein.
Der Mundboden ist bei der routinemäßigen zahnärztlichen Untersuchung eine oft vernachlässigte Region. In Ruhe ist er von der Zunge bedeckt und damit primär nicht sofort einsehbar. Besonders wenn der Patient keine subjektiven Beschwerden äußert, wird der Mundboden manchmal nicht ausreichend begutachtet. Er gliedert sich in drei Regionen: der frontale Abschnitt liegt zwischen den Eckzähnen und reicht bis zum Zungenbändchen; die beiden lateralen Bereiche bilden zwei Zonen, jeweils zwischen den lingualen mukogingivalen Umschlagfalten und dem Übergang zur Zunge.

Der Mundboden als Prädilektionsstelle maligner Neoplasien

Die Schleimhaut des Mundbodens ähnelt der übrigen oralen Mukosa, ist aber besonders dünn und daher für äußere Einflüsse vermehrt anfällig. Sie zeigt histologisch nur geringfügige, teilweise auch parakeratotische Verhornung und bildet kaum verzahnende Reteleisten zur Submukosa aus. Dies macht sie besonders anfällig für exogene Noxen wie jegliche Form des Tabakkonsums. Tabak enthält mehr als 50 kanzerogene Substanzen. Bei gleichzeitigem Mangel an protektiven Antioxidanzien wie Vitamin C und E kommt es zu empfindlichen Störungen des oxidativ-antioxidativen Gleichgewichts. Dieser entzündungsfördernde Dauerstress begünstigt die Entstehung dysplastischer Veränderungen des Epithels. Zusätzlich wirken die Nitrosamine im Tabak direkt kanzerogen. Bereits ab zehn Zigaretten pro Tag erhöht sich das Risiko für die Entstehung eines Malignoms signifikant. Durchschnittlich erkranken Raucher sechsmal häufiger als Nichtraucher an Mundbodenkarzinomen. Die Gefahr verstärkt sich erheblich bei gleichzeitigem Genuss hochprozentigen Alkohols, weil dieser die Permeabilität des in diesem Bereich schon an sich dünnen und empfindlichen Epithels für Schadstoffe erhöht.
Weitere Risikiofaktoren sind anhaltende mechanische und chemische Noxen aller Art, wie etwa Prothesendruckstellen, aber auch rezidivierende Infekte und Keimbelastung durch schlechte Mundhygiene. Sonderfälle sind Infektionen mit Human-Papillomaviren (HPV) aus der High-risk-Gruppe, aber auch die Beteiligung von Viren der Herpesgruppe und rezidivierende Candidainfektionen werden diskutiert. Da derartige Infektionen aber meist mit einem reduzierten Immunstatus einhergehen, kann auch dieser der eigentliche begünstigende Faktor in der Kanzerogenese sein.

Präkanzeröse Vorläuferläsionen rechtzeitig erkennen

Ein Teil der Mundbodenkarzinome (bis zu 60%) entsteht auf der Basis sogenannter Präkanzerosen. Dazu gehört am Mundboden vor allem die Leukoplakie, deren Entstehung eng mit Tabakkonsum korreliert. Man findet orale Leukoplakien diffus oder multipel sowohl am Mundboden als auch auf der zugewandten Zungenunterseite. Im Gegensatz zu Leukoplakien an anderen oralen Schleimhautlokalisationen ist aber die Gefahr des Überganges in ein infiltrierendes Plattenepithelkarzinom am Mundboden deutlich größer. Besonders die verrukös, nodulär oder ulzerierend imponierende inhomogene Leukoplakie und die durch samtartige rote Oberfläche auf weißlichem Grund gekennzeichnete Erythroleukoplakie haben ein hohes malignes Transformationsrisiko.
Beim Vorliegen verdächtiger Läsionen sollte der Zahnarzt daher unbedingt eine Probeexzision mit histologischer Abklärung veranlassen. Im Falle von Erythroleukoplakien sind fließende Übergange in ein In- situ-Karzinom und auch in das invasive Plattenepithelkarzinom möglich. In diesen frühen Phasen ist der Patient noch subjektiv beschwerdefrei und bei rascher Intervention bestehen gute Heilungschancen.
Histologisch findet man bei der Erythroleukoplakie einen Wechsel zwischen atrophem schmalem und angrenzendem hyperplastischem Epithel. Basal treten bereits Zellatypien auf; sub- und intraepithelial findet sich ein verdichtetes, gemischt entzündungszelliges Infiltrat. Hat der Übergang in ein Karzinom bereits stattgefunden, findet man dysplasti-sche Zellen in sämtlichen Epithellagen, welche bei invasiven Formen die Basallamina durchbrechen und tiefere Gewebelagen durchwachsen.

Mikrobielle Besiedelung kann maligne Läsionen maskieren

Beim invasiven Plattenepithelkarzinom des Mundbodens dominiert vor allem ein indurierend ulzerierendes  Wachstumsmuster, die verruköse Form ist an dieser Lokalisation äußerst selten. Die zunächst schmerzlosen Geschwüre zeigen einen aufgeworfenen Wall; im Randbereich dominiert oft noch die Erythroleukoplakie. Im Gegensatz zu traumatisch, bakteriell, fungal oder viral verur-sachten Ulzerationen heilen maligne Geschwüre nicht ab. Dennoch können sie im Frühstadium sehr leicht als hartnäckige entzündliche Läsionen fehlinterpretiert werde. Dies umso mehr, da sie als „Schwachstellen“ immer vermehrt mikrobiell besiedelt werden und sich bei Entnahme einer Keimprobe eine infektiöse Genese scheinbar bestätigt. Besonders die weiß imponierenden Leukoplakien und frühe Plattenepithelkarzinome sind an der Oberfläche häufig durch Candida besiedelt. Im Zweifelsfall ist daher immer eine bioptische Abklärung zu empfehlen.Fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome verursachen entsprechende Symptome, wie Sprech- und Schluckstörungen, Schmerzen, Fötor ex ore bei nekrotischem Tumorzerfall, pathologische Frakturen und Zahnwurzelresorption im Falle einer Infiltration des Kieferknochens und Fistelbildungen am Mundboden. Die Bestimmung des Tumorstadiums erfolgt nach dem TNM-System.
Eine Abklärung des Lymphknotenstatus ist von besonderer Wichtigkeit, da gerade Mundbodenkarzinome früh in die regionalen Lymphknoten metastasieren und bei entsprechendem Befund eine Neckdissection erforderlich ist. Hämatogene Metastasierung ist bei Mundbodenkarzinomen hingegen sehr selten.
Therapeutisch werden invasive Läsionen in erster Linie chirurgisch saniert, wobei der Resektionsrand zur Läsion mindestens 1cm im Gesunden liegen sollte. Ergänzende Maßnahmen sind Bestrahlung und Chemotherapie, beispielsweise mit Cisplatin. Verlaufskontrollen werden durch Bestimmung von Tumormarkern (SCC-Squamous cell antigen) unterstützt. Die Prognose ist bei Karzinomen in situ und gering invasiven Karzinomen ohne Lymphknotenmetastasen gut, weshalb einer frühzeitigen, richtigen Einschätzung von Vorläuferläsionen und Tumorfrühstadien durch den Zahnarzt lebenswichtige Bedeutung zukommt.

Christa Eder und Laszlo Schuder

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at

 

Plattenepithelkarzinom bei 40-jährigem Raucher