Entzündungen: Intestinale Resorptionsstörungen und orale Läsionen

Entzündungen der Mundschleimhaut, der Gingiva und der Zunge können unterschiedliche Ursachen haben. Häufig werden sie durch bakterielle, virale oder fungale Infektionen hervorgerufen. Daneben kann eine Reihe systemischer Grunderkrankungen zu schweren Läsionen der oralen Mukosa führen.

Aufbau und Reifung des Schleimhautepithels sind von zahlreichen Faktoren wie Spurenelementen und Vitaminen sowie einer funktionierenden Proteinsynthese abhängig. Viele dieser Komponenten werden im Zuge der Verdauung aus den aufgenommenen Nahrungsstoffen gewonnen und resorbiert. Erkrankungen des Gastrointestinaltraktes und eine damit einhergehende Malabsorption wirken sich daher auf Gewebe mit hoher Zellteilungsrate wie die Mundschleimhaut unmittelbar aus. Der Zahnarzt ist dann mit den resultierenden oralen Symptomen der Malabsorption wie Glossitis, Stomatitis, Zahnfleischentzündung, Neigung zu petechialen Blutungen, ödematösen Schleimhautschwellungen, Xerostomie und Geschmacksirritationen konfrontiert. Alle diese Läsionen kommen auch im Rahmen anderer oraler Erkrankungen vor. Eine sorgfältige Anamnese bezüglich Verdauungsstörungen ist in jedem Fall hilfreich, allerdings kann sich die differenzialdiagnostische Abklärung bei noch nicht diagnostizierter Grunderkrankung als schwierig erweisen. Entzündliche Läsionen im Mund sind Loci minores resistentiae und werden fast immer durch Bakterien und vor allem durch Candida superinfiziert. Bei antibiotischer und/oder antimykotischer Behandlung kommt es hier allerdings nur kurzfristig zu Verbesserungen. Deshalb sollte bei derartigen therapierefraktären Läsionen immer die Möglichkeit einer systemischen Grunderkrankung angedacht und hinterfragt werden.

Zöliakie und M. Crohn verursachen Malabsorption

Dies betrifft vor allem Erkrankungen des Dünndarms, welcher für die Resorption von Nährstoffkomponenten verantwortlich ist. Zöliakie, Morbus Crohn, aber auch nicht näher definierte Reizdarmsyndrome, bakterielle Überwucherung der normalen Darmflora und der Zustand nach Teilresektion von größeren Darmabschnitten können diese Funktion wesentlich einschränken. So leiden mindestens 8% der Patienten mit M. Crohn an schwerer aphthöser Stomatitis oder einer Cheilitis granulomatosa mit zusätzlicher Schwellung der Zunge, des Gaumens und der Wangenschleimhaut.
Ein in der westlichen Welt sehr häufiges Krankheitsbild ist die Zöliakie, eine Unverträglichkeit gegenüber Gluten (Klebereiweiß) der meisten gängigen Getreidesorten. Die Erkrankung betrifft vor allem Frauen mit einem Anteil von über 70% und führt über eine Immunreaktion zur Bildung von Antikörpern gegen Gliadin, Endomysium und Gewebstransglutaminase. Die Darmschleimhaut wird geschädigt; histologisch sieht man eine Verplumpung der Zotten bis zur völligen Atrophie der Dünndarmschleimhaut mit massiver Invasion von Lymphozyten in die enteralen Mucosaepithelien. Es kommt zu Blähungen, chronischer Diarrhoe und Defiziten in der Aufnahme von Eisen, Eiweiß, Fetten und Vitaminen. Neben einer deutlich erhöhten Entzündungsneigung der Mundschleimhaut führt die mangelnde Aufnahme von Kalzium und Phosphaten aufgrund der Hypomineralisation zu Zahnschmelzdefekten. Besonders bei Kindern sieht man generalisierte Schmelzhypoplasien, wie sie sonst nur bei Hungerperioden während des Wachstumsstadiums auftreten.

Mineralstoffmangel führt zu Schleimhautschäden

Eisenmangel verursacht klassische Manifestationen an der Mundschleimhaut. 10% des aufgenommenen Eisens wird in zweiwertiger Form vom Duodenum resorbiert. Dazu ist allerdings eine ausreichende Bildung von Salzsäure im Magen durch die Belegzellen Voraussetzung. Daher beeinflussen neben chronischen Dünndarmerkrankungen auch sämtliche Formen der Gastritis eine ausreichende Eisenversorgung des Organismus. Die Folgen sind neben mikrozytärer Anämie eine Verminderung der eisenabhängigen Peroxidasetätigkeit im Speichel. Daraus folgt eine verminderte Protektion des oralen Epithels gegen freie Radikale. Es kommt zu Mundwinkelrhagaden, Glossitis mit Papillenatrophie, persistierender Stomatitis, Schleimhautfissuren, verminderter Wundheilung und Dysphagie. Besonders im Konnex mit einem gleichzeitigen Kupfermangel, wie etwa durch verminderten Galleabfluss, werden die Auswirkungen verstärkt. Nicht selten werden die Läsionen von Candida und Bakterien überwachsen und infiziert.
Ein wichtiges Spurenelement für den Aufbau von Haut und Schleimhaut ist Zink. Bei entzündlichen Erkrankungen des Dünndarms werden die notwendigen gewebsspezifischen Transporter an den Enterozyten geschädigt – es kommt zur Ausbildung eines der Acrodermatitis enteropathica entsprechenden Krankheitsbildes mit typischen perioralen Plaques, Gingivitis, Glossitis und Stomatitis. Die Läsionen sind oft großflächig und werden bevorzugt durch Streptokokken besiedelt, was zu schweren intraoralen Infektionen führt.

Vitaminmangel beeinträchtigt den Zellstoffwechsel

Schwere Läsionen an der Zunge in Form einer Hunter-Glossitis entstehen bei Vitamin-B12-(Cobalamin)-Mangel bei perniziöser Anämie. Die Ursachen sind Resorptionsstörungen durch Darmerkrankungen im terminalen Ileum und mangelnde Bildung von intrinsic factor und Salzsäure im Magen (autoimmune Gastritis). Vitamin B12 wird im Magen durch die Salzsäure und Pepsin aufgeschlossen, im Darm an intrinsic factor gebunden und im terminalen Ileum über die Enterozyten auf Transcobalamin übertragen. Durch Vitamin-B12-Mangel werden Zellstoffwechsel und Zellteilung gestört. Dies führt zu Atrophie und Verlust der Zungenpapillen, Xerostomie, Schleimhautblutungen und Prothesenunverträglichkeit. Auch weitere Hypovitaminosen mit Auswirkungen auf die orale Gesundheit, wie etwa für Vitamin B2 (Riboflavin) und Vitamin B6 können im Zug von Resorptionsstörungen entstehen. Der Mangel an diesen Wirkstoffen verursacht Störungen des Aufbaus und der Reifung des oralen Epithels.
Neben den genannten Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts können auch exokrine Pankreasinsuffizienz, zystische Fibrose, chronische Erkrankungen der Leber und seltene Krankheitsbilder wie Morbus Whipple die Aufnahme von Vitaminen und Mineralstoffen beeinträchtigen. Für den Zahnarzt ist es wichtig, bei therapieresistenten oralen Entzündungen einen Zusammenhang mit gastrointestinalen Störungen in Betracht zu ziehen und abzuklären.

Unter Mitwirkung von Dr. Laszlo Schuder

DDr. Christa Eder
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at