Heterogene Keimspektren - Apikale Parodontitis und periapikaler Abszess:

Entzündungen im Bereich der Wurzelspitze entstehen durch mikrobielle Invasion im Wurzelkanal.

Die Einwanderung von potenziell pathogenen Bakterien ins Dentin erfolgt häufig aufgrund kariöser Schmelzdefekte, durch Wurzelkaries oder als Folge von Kiefertraumata. Aber auch aus entzündeten tiefen Zahnfleischtaschen dringen Bakterien in das gingivale Weichgewebe ein und gelangen über laterale oder akzessorische Kanäle in die Pulpa. Bei zahnärztlichen Eingriffen wie Wurzelglättung oder Curettage von Zahnfleischtaschen werden nicht selten Dentinkanälchen eröffnet und bieten dann den entsprechenden Keimen die Möglichkeit zur Infektion. Durch Einschwemmen von Bakterien in das Blut, im Rahmen passagerer Bakteriämien, wie sie bei fortgeschrittener Parodontitis bei oft nur geringfügiger mechanischer Manipulation entstehen, können sich die Keime in der verletzten Pulpa ansiedeln. Im Rahmen einer aktiven Pulpitis führt dies zu Entzündung, Knochenabbau und lokalem Gewebsersatz durch Granulationsgewebe bis zur Nekrose des Wurzelkanals.

Akute apikale Parodontitis

Die apikale Parodontitis kann sich chronisch oder akut manifestieren. Die primär akute periapikale Parodontitis entsteht durch eine Infektion mit hoch virulenten Erregern, welche über das Foramen apicale hinaus in den Wurzelkanal gelangen. Sekundär akute Formen entstehen aus einer oft symptomarmen chronischen periapikalen Parodontitis durch Exacerbation der Entzündung aufgrund der mikrobiellen Infiltrate bei schlechter Abwehrlage. Die nekrotische Pulpa wird reinfiziert. Symptome sind Dauerschmerz und Perkussionsempfindlichkeit, auch Fistelbildungen sind möglich. Typischerweise sind bei der primären Form zunächst röntgenologisch keine Veränderungen darstellbar, da sich eine deutliche periapikale Aufhellung erst bei ca. 70%igem Abbau des umgebenden mineralisierten Knochens zeigt. Bei der sekundären periapikalen Parodontitis findet man hingegen oft ein scharf begrenztes Granulom.

Chronische apikale Parodontitis

Es handelt sich hier ebenfalls um eine Infektion durch Bakterien im Bereich unterhalb der Zahnwurzel. Im chronischen Intervall verursachen die Erreger oft über lange Zeiträume kaum Symptome, da sie durch die lokale Immunabwehr in Schach gehalten werden. Dieses Gleichgewicht wird allerdings bei Streuung der Keime gestört; es entwickelt sich eine sekundär akute Entzündung mit massiver Eiterbildung.
An diesem Prozess sind eine Reihe unterschiedlicher aerober, anaerober und fakultativ anaerober Keime beteiligt. Wichtige Vertreter aus dem grampositiven Spektrum gehören zu den Gattungen Peptostreptococcus, Rothia, Actinomyces, Eubacterium, Propionibacterium und Lactobacillus. Besonders unter der Gattung Streptococcus gibt es  Arten, welche bevorzugt in den infizierten Wurzelkanälen vorkommen. Die gramnegativen Anaerobier entsprechen weitgehend der gängigen parodontal-pathogenen Mikroflora. Man findet schwarzpigmentierte Formen wie Prevotella, Porphyromonas, weiters auch Fusobakterien, Capnocytophaga und Selenomonas. Ausgehend von kariösen Primärläsionen kann auch Streptococcus mutans in prominenten Anteilen in der bakteriellen Biozönose auftreten. Im Dentin dominieren häufig proteolytische Keime, da das Kollagen hier durch die Zersetzung im Rahmen der Karies zerstört und denaturiert wird.

Der Dentalabszess

Nach Nekrose des Wurzelkanals breiten sich die Bakterien in das umgebende Gewebe aus und es kommt zu einem akuten Entzündungsschub. Lokal kann es in der Folge zu einer Abszessbildung kommen. Dieser Prozess kann in eine chronische Form übergehen. Typischerweise geht der für die akute Phase typische pochende, heftige Schmerz dann in der chronischen Phase in einen periodisch auftretenden dumpfen Schmerz über. Es entsteht dann häufig ein epithelial ausgekleideter Fistelgang zur Oberfläche, aus welchem immer wieder Eiter austritt. Nach Eiterentleerung über den Sinus lassen die Beschwerden üblicherweise nach. Aus chronischen Dentalabzessen können viele unterschiedliche Keimspezies isoliert werden. Neben den typischen fakultativen und obligaten Anaerobiern kommt es hier häufig zu Sekundärinfektionen mit primär nicht oralen Keimen wie koagulasepositiven Staphylokokken. Bei lang bestehenden Abszessen wird das zahnbildende Gewebe durch bakterielle Toxine stimuliert und die Entstehung von Zysten induziert, welche sich ihrerseits wieder infizieren können.
Therapeutisch empfiehlt sich eine chemo- bzw. biomechanische Aufbereitung des Wurzelkanals. Studien zur Anwendung von Kalziumhydroxid, Glucokortikoid-Kortison und Chlorphenolpräparaten zeigten die Vorteile von Kalziumhydroxid gegenüber den beiden anderen Methoden auf. In wässriger Lösung dissoziieren Kalzium- und Hydroxylionen und greifen über Denaturierung von Eiweiß Zellmembranen und Enzyme an. Allerdings gibt es Einschränkungen in der Wirksamkeit gegenüber einigen anaeroben Bakterienspezies. Glucokortikoide reduzieren die akute Entzündungsreaktion und mindern die Phagozytosetätigkeit der Granulozyten. Chlorphenolkampfer für die temporäre Wurzelkanalversorgung zerstört die Zellmembranen von Bakterien, hat aber eine deutlich geringere Wirksamkeit als Kalziumhydroxid. NSAR wirken antiphlogistisch, analgetisch und antipyretrisch. Zum Einsatz gelangen Ibuprofen, Diclofenac und Acetylsalicylsäure. COX2-Inhibitoren, welche selektiv die Cyclooxigenase-2 hemmen, haben zum Teil deutlich weniger Nebenwirkungen.
Die routinemäßige Verwendung systemischer Antibiotika wird heute uneinheitlich beurteilt. Dagegen spricht, dass durch die mangelnde Blutzirkulation im Bereich der Läsion die Wirkstoffe nicht oder in nur unzureichender Konzentration an den Ort der Bestimmung gelangen. Allerdings dämmen die Antibiotika die Gefahr der Ausbreitung und Streuung der Herde und sind so, besonders bei Risikopatienten im Sinne der Gesunderhaltung des Gesamtorganismus von Bedeutung.
Das Offenlassen des Zahnes bringt hingegen eigentlich keine Verringerung der postoperativen Beschwerden, erhöht aber die Gefahr von Sekundärinfektionen. Umstritten ist auch die sogenannte Schröder´sche Knochenlüftung, bei welcher der Knochen oberhalb der Wurzelspitze trepaniert wird.
Die Therapie eines dentoalveolären Abszesses umfasst in erster Linie eine Inzision und eine Abszessdrainage. Die nekrotische Pulpa wird in jedem Fall entfernt, unter Umständen muss  der Zahn extrahiert werden. Parallel dazu sollten immer Antibiotika verabreicht werden, um eine Streuung der Keime mit Absiedelung und Induktion sekundärer Abszesse oder im schlimmsten Fall die Entstehung einer Sepsis zu verhindern.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und
Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at