Der Einsatz des Mikroskops in allen Bereichen der Zahnheilkunde

In seinem zahnärztlichen Leben waren ihm Prophylaxe und schmerzfreie Behandlung immer ein großes Anliegen. 1976 gründete er zusammen mit Prof. Dr. Slavicek das  ZAFI. Im Anschluss daran widmete er sich ganz der Institutionalisierung der Prophylaxe und Parodontologie in Österreich. Über die Arbeit mit dem Mikroskop (seit 1999) sagt Kotschy: „Bei 20-facher Vergrößerung sieht alles völlig anders aus. Man sieht ganz andere Strukturen und gelangt sozusagen in andere Sphären. Es ist wie Meditation.“ ZMT führte mit ihm das folgende Gespräch.

Was ist Ihr Hauptproblem?

Kotschy: Ich bin leider – oder zum Glück – ein sehr kreativer und innovativer Mensch. Das führte zwangsläufig dazu, dass ich den Wunsch hatte, über die nationalen Grenzen zu blicken. In manchen Ländern der Erde habe ich dann eine prophylaxeorientierte Zahnheilkunde entdeckt, die Inhalte dieser mir bislang verborgenen Zahnmedizin in mich aufgesogen und in meine tägliche Routine eingebaut. Damit bin ich in Österreich automatisch zum Pionier geworden, und dieses „Problem“ begleitet mich nun mein gesamtes zahnärztliches Leben lang und führt zwangsläufig dazu, dass ich in meiner Umgebung häufig auf Unverständnis stoße.
Selbstverständlich habe ich das Gelernte, nachdem ich es einige Zeit in meiner Ordination erfolgreich angewandt hatte, dann auch in den Kollegenkreis hinausgetragen. Ausdruck dieser Arbeit waren dann z.B. die Wiener Kindergartenaktion, der praktische Teil des gesamtösterreichischen Prophylaxeprogrammes gemeinsam mit Prof. Kulmer, die Initiative zur Gründung der Gesellschaft für Prophylaxe gemeinsam mit Prof. Städtler, die Leitung der Arbeitsgemeinschaft für Parodontologie der ÖGZMK,  deren Überführung in die Österreichische Gesellschaft für Parodontologie und schlussendlich die Gründung der Österreichischen Gesellschaft für Mikroskopzahnheilkunde.

Wie kamen Sie zur Mikroskopzahnheilkunde?

Kotschy: Durch den Wunsch nach stärkerer Vergrößerung, als es bei Lupensystemen möglich ist. Ich habe dann vor knapp 20 Jahren Kurse bei dem Schweizer Pionier Dr. Velvart über den Einsatz des  Mikroskops in der Endodontie besucht. Mittlerweile wissen wir, dass die Verwendung des Mikroskops zu einer beeindruckenden Zunahme der Präzision in allen Bereichen der Zahnheilkunde führt.

Was ist in der Mikroskopzahnheilkunde zu beachten?

Kotschy: Wichtig ist eine entsprechende Befestigung des Mikroskops, um verwackelte Bilder (dazu genügen kleine Bewegungen) zu vermeiden. Und die Bedienung des Mikroskops sollte mittels Fußschalter erfolgen. Weiters verwenden wir ein Videosystem, einerseits aus forensischen Gründen, andererseits sieht der Patient/die Patientin durch die Videobrille das Gleiche wie der Zahnarzt. Der zeitliche Aufwand für Information und Aufklärung ist dadurch gering.

Wie erfolgt die Kariesdiagnostik und -therapie?

Kotschy: Mithilfe der Göttinger Lichtsonde kann man den Zahn durchleuchten und sich ein dreidimensionales Bild von der Kariesausbreitung machen. Beginnende Veränderungen, auch im Approximalbereich, und Mineralisationsstörungen sind leicht zu  entdecken. Für die Behandlung initialer Defekte verwenden wir Curodent RepairTM bzw. Icon®. Auch Sprünge sind in der Mikroskopzahnheilkunde ein wichtiges Thema geworden. Es gibt sogar eigene Kongresse zum Thema „Zahnsprünge“.  Bitewing-Untersuchungen bzw. Röntgenkontrollen der wurzelbehandelten Zähne machen wir nur mehr alle fünf Jahre, die Lichtsonde kommt jedes Jahr zum Einsatz. Bei Verwendung  der üblichen Instrumente wird die Sicht durch die Köpfe der Hand- und Winkelstücke und den Wasserspray stark beeinträchtigt. Um den Vorteil des Mikroskops voll ausnützen zu können, kommt bei der Kariesentfernung und Reinigung der Wurzel-oberflächen die kinetische Präparationstechnik (nach Robert B. Black 1945) zum Einsatz, die auf dem Prinzip des Sandstrahlens beruht. Wir verwenden das PrepStart-Gerät der Fa. Danville Engineering mit selbstgefertigten Düsen, die einen Durchmesser von 0,33 Millimeter haben. Mit diesen Düsen kann auch „um die Ecke“ präpariert werden. Gefüllt wird das Gerät mit Aluminiumoxid-Partikeln mit einem Durchmesser von 27 Mikrometer, die mit Druck auf den Zahn geschossen werden. Das Verfahren kommt auch bei der Reparatur von Brücken, Kronen, Füllungen und Inlays sowie der Entfernung von Befestigungszement zum Einsatz.
Für den Staub benötigt man eine externe zusätzliche Absaugung. Die  Patienten tragen Augen- und Nasenschutz, das zahnärztliche Team trägt Brillen und Maske. Die Behandlung verläuft fast immer schmerzfrei, Bohrgeräusche fallen weg, ebenso Vibrationen, Hitze und Druck. 

Wie funktioniert die Paro-Therapie mittels Glasperlen-Strahlverfahren?

Kotschy: Im Mikroskop sieht man, dass die Wurzeloberfläche nicht glatt ist, sondern Unebenheiten aufweist, die mit den üblichen Methoden nicht gereinigt werden können. Nach der Grobdepuration mit Ultraschall wird die Wurzeloberfläche durch das Strahlverfahren unter Verwendung 90 Mikrometer großer Glasperlen vollständig von Biofilm und kleinen Auflagerungen befreit. Dabei kommt es zu keinem Substanzverlust, der sonst bei häufiger parodontologischer Behandlung zu der typischen Sanduhrform der Wurzel führt.
Das Glasperlen-Strahlverfahren ermöglicht es auch, die mikroinvasive Taschenchirurgie (MTC) durchzuführen.  Das entzündete innere Epithel und das Granulationsgewebe werden ohne Skalpell entfernt. Wenn indiziert, wird Emdogain zur verbesserten Wundheilung in die Tasche gegeben und bei Furkationen Bio-Oss verwendet.
Der zeitliche Ablauf sieht so aus, dass zunächst die Prophylaxeassistentin den Parodontalstatus erhebt und die Initialbehandlung mithilfe des Ultraschalls durchführt. Gleich anschließend erfolgen durch den Zahnarzt die Reinigung der Wurzeloberfläche und die mikroinvasive Taschenchirurgie mittels Glasperlenstrahl. Als Nachsorge wird das Op-Gebiet mit 3-prozentigem Wasserstoffsuperoxid, 50:50 mit Wasser verdünnt, gebadet, anschließend wird der Mund mit 0,2% Chlorhexidin-Lösung gespült. Der Patient darf sich eine Woche nur flüssig ernähren und Mundhygiene im Op-Gebiet ist kontraindiziert.
Die Reevaluierung erfolgt nach sechs Monaten (wenn Emdogain verwendet wurde), sonst etwas früher. Selbst bei extrem tiefen Taschen ist die Behandlung fast immer schmerzfrei, da sie nur in der Tasche selbst stattfindet. Von 100 Patienten möchte nur einer eine Lokalanästhesie. Die Behandlung ist also mikroinvasiv, schmerzfrei, berührungslos und maximal schonend. Es kommt zu keiner Blutung, keine Nähte sind nötig, und es tritt keine postoperative  Schwellung auf. Bukkal braucht man im Ober- und Unterkiefer eine Kompression, um Luftinsufflationen zu vermeiden. Kontraindiziert ist das Verfahren bei den UK-Achtern, da es dort meist keine Gingiva propria gibt.
Das Glasperlen-Strahlverfahren wurde von mir ausführlich in Publikationen im „International Journal of Microdentistry“ (2010) und in „Clinical, Cosmetic and Investigational Dentistry“ (2011) dargestellt.

Braucht man eigene Handinstrumente?

Kotschy: Auf jeden Fall erleichtert es die Arbeit sehr. Empfehlenswert sind solche mit matter Oberfläche, damit es zu keiner Blendung durch das Mikroskoplicht kommt. Wenn ich mit Instrumenten nicht zufrieden bin, lasse ich welche bauen; es gibt daher von Hu-Friedy auch einen Instrumentensatz nach Prof. Dr. Peter Kotschy.

Wie ist das Verhältnis zu den Überweisern?

Kotschy: Es gibt nach wie vor ein gewisses Misstrauen, obwohl ich garantiere, dass die PatientInnen nach der Behandlung wieder zurückgeschickt werden und ich sie ohne neuerliche Extra-Überweisung nicht auf anderen Gebieten der Zahnheilkunde behandle.

Wie groß ist die Verbreitung in Österreich?

Kotschy: Die Ausbreitung schreitet bei uns langsam voran. Hingegen ist die Mikroskopzahnheilkunde in Holland, Polen oder der Schweiz auf großen Widerhall gestoßen. Wir haben auch einen Qualitätszirkel und eine eigene Gesellschaft für Mikroskopzahnheilkunde. Generell ist für mich eine moderne Zahnmedizin ohne Mikroskop unvorstellbar.

Herzlichen Dank
für das Gespräch!

Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und
Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com




Prof. Dr. Peter Kotschy