Sicherungspflicht: Der Sturz des Patienten - Haftung des Zahnarztes?
Stellen Sie sich vor, der Patient, der Ihre Ordination aufsucht, kommt zu Sturz, weil er über eine Teppichfalte gestolpert ist. Kann Sie als Zahnarzt dafür eine Haftung treffen?
Der Vertrag eines Patienten mit seinem Zahnarzt ist in der Regel in erster Linie auf die zahnärztliche Heilbehandlung gerichtet. Der Zahnarzt schuldet seinem Patienten eine sorgfältige Behandlung samt Aufklärung hierüber. Die Judikatur besagt aber, dass auch die Wahrung der körperlichen Sicherheit Bestandteil des Behandlungsvertrages ist und der Zahnarzt demnach verpflichtet ist, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, damit der Patient nicht durch andere Patienten, durch Besucher, durch technische Einrichtungen zur Behandlung oder durch sonstige betriebliche Anlagen in seiner körperlichen Unversehrtheit zu Schaden kommt. In diesem Sinne wurde bereits mehrfach ausgesprochen, dass den niedergelassenen Arzt die vertragliche Pflicht trifft, das Wartezimmer seiner Ordination in einem verkehrssicheren und gefahrlosen Zustand zu halten und im Falle der Eröffnung einer Gefahrenquelle alle notwendigen Vorkehrungen zu treffen hat, um eine Schädigung seines Patienten nach Tunlichkeit abzuwenden.
Gefahrloser Zugang
Der Zahnarzt hat seine Patienten daher nicht nur entsprechend der ärztlichen Kunstregeln zu behandeln, sondern auch dafür Sorge zu tragen, dass sich sowohl seine Ordinationsräumlichkeiten als auch der Zu- und Abgang der Ordination in einem solchen Zustand befinden, dass davon keine Gefahr ausgeht. „Poröse“ Stufen, wackelige Geländer oder auch Behandlungsstühle können daher Gründe dafür sein, dass der Patient, der dadurch zu Schaden kommt, erfolgreich Ersatz begehren kann.
Gefahrlose Durchquerung
In diesem Sinne wurde auch bereits ausjudiziert, dass der Arzt dafür Sorge zu tragen hat, dass der Patient das Haus, in dem sich die Ordination befindet, gefahrlos durchqueren kann. Dass der Arzt dann, wenn seine Ordination im Wohnungseigentum steht, gar keine Möglichkeit hat, beispielsweise das Stiegenhaus baulich zu gestalten und dabei auf besondere Baumaßnahmen Einfluss zu nehmen, schließt seine Haftung gegenüber dem Patienten nicht aus. Kommt daher der Patient aufgrund besonders glatter und „rutschiger“ Fliesen im Stiegenhaus, das eine Verkehrsfläche darstellt, die einen allgemeinen Liegenschaftsteil bildet, zu Sturz, trifft den Arzt dennoch hierfür eine Haftung, sollte die besondere „Gefährlichkeit“ der Fliesen für ihn erkennbar gewesen sein und er darauf nicht hingewiesen haben.
War die „Gefährlichkeit“ für den Arzt allerdings nicht erkennbar, trifft ihn kein Verschulden am Schaden des Patienten und damit auch keine Haftung. Der Umfang dieser Sicherungspflicht hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei sich dieser vor allem auch danach richtet, in welchem Maß der Patient selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann. Die Sicherungspflichten dürfen gegenüber dem Arzt aber nicht überspannt werden und finden ihre Grenzen in der für diesen möglichen und zumutbaren Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr.
Dr. MARTINA HAAG
Rechtsanwältin in St. Pölten
Expertin für Arzthaftungsprozesse
office.st.poelten@ulsr.at
02742/351 550-115