Antibiotika in der Zahnheilkunde/Teil 2: Ihre Rolle in Prävention und Therapie

Die adjuvante Gabe von systemischen und lokalen antibiotischen Wirkstoffen ist bei entsprechender Indikation eine wirksame Unterstützung und Ergänzung mechanischer oder chirurgischer Eingriffe im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung.

Neben der in Teil 1 diskutierten prophylaktischen antibiotischen Abdeckung bei Risikogruppen, kommt der gezielten Antibiose, speziell bei der Sanierung von gingivalen und parodontalen Läsionen immer mehr Bedeutung zu. Im Gegensatz zu den genau definierten Kurzzeitgaben bei der Prophylaxe, welche in erster Linie dem Schutz des Gesamtorganismus dienen, handelt es sich hier um eine therapeutische Antibiose, welche gezielt gegen die  Krankheit -verursachenden und  betreibenden Keimspektren gerichtet ist. Dies erfordert in den meisten Fällen eine exakte mikrobiologische Abklärung der betreffenden Bakterien und Pilze (meist Hefen der Candidaarten), um eine optimale individuelle Behandlung zu gewährleisten. Je schmäler und keimorientierter die Therapie angelegt wird, desto mehr wird die normale Platzhalteflora in der Mundhöhle geschont und kann nach Eradikation der Pathogene deren ökologische Nische einnehmen. Grundvoraussetzung für den Einsatz von Antibiotika ist in jedem Fall eine parallele klinisch- mechanische Intervention. Die alleinige medikamentöse Therapie kann im besten Fall sehr kurzfristig eine gewisse Wirkung zeigen, der gewünschte Sanierungserfolg wird aber ausbleiben.

Medikamentöse Begleittherapie bei Parodontitis
Es stellt sich die Frage, bei welchen mikrobiell verursachten oralen Erkrankungen eine Antibiotikatherapie sinnvoll und angebracht ist.
Dies sind neben schweren odontogenen Infektionen, wie infizierten Zysten, infizierten retinierten Zähnen, Parodontalabszessen, Kieferknochen - Osteomyelitis und chronischer granulomatöser apikaler Parodontis auch zahlreiche Fälle von marginaler Parodontitis. Speziell akut ulzerierende Formen, wie ANUG und ANUP erfordern oft ein rasches Eingreifen. Diese Patienten zeigen nicht selten generalisierte Krankheitssymptome, wie Fieber und Lymphknotenschwellungen, wodurch zumindest initial eine kalkulierte Antibiotikatherapie mit entsprechend breiter Wirksamkeit notwendig wird. Um massiven Gewebsverlust und Gefährdung des Gesamtorganismus zu vermeiden besteht sofortiger Handlungsbedarf. Dennoch sollte gleichzeitig eine Probe der Sulcusflora entnommen werden um im Bedarfsfall nach Eintreffen des Ergebnisses der Keimanalyse die Therapie entsprechend zu modifizieren.
Bei aggressive Verlaufsformen von Parodontitis, zu welcher auch die juvenilen lokalisierten und generalsierten Parodontopathien zählen, sollten entsprechend dem Keimbild und der Resistenzanalyse systemisch orale Antibiotika verabreicht werden. Bei chronischer Parodontitis muss der Zahnarzt je nach Verlaufsform, möglichen Grunderkrankungen und bisherigem Ansprechen auf mechanische und/oder parodontalchirurgische Therapie entscheiden, ob eine begleitende antimikrobielle Therapie notwendig erscheint.

Atypische Keime bei der Auswahl des Antibiotikums berücksichtigen
Bei Problempatienten, wie Diabetikern und bei Patienten mit lange vorbestehenden parodontalen Erkrankungen sollte sich die mikrobiologische Untersuchung der Taschenflora nicht nur auf die Leitkeime, wie Porphyromonas gingivalis, Tannerella forsythensis, Prevotella intermedia, Treponema denticola oder Aggregatobacter ( Actinobacillus) actinomycetem comitans beschränken. Man findet hier meist sehr individuelle Keimkombinationen aus fakultativen und obligaten Aaerobern, welche stark von den bekannten Markerkeimen abweichen und deshalb auf konventionelle Therapien nicht oder kaum ansprechen würden. Oft sind hier Enterobakterien, wie Escherichia coli, Enterokokken, Staphylokokken und Candida am destruktiven Gewebeabbau beteiligt. Durch die bereits praeexistenten Zahnfleischtaschen und den vorgeschädigten Geweben finden primär nicht oralen Keime einen idealen Nährboden vor. Sie führen dann durch die ihnen eigenen potenten Pathomechanismen zu einer Progression des Krankheitsverlaufes. Bei Osteomylitis des Kieferknochens sind neben Anaerobiern meist auch Streptokokken, Staphylokokken mit sehr unterschiedlichen Resistenzbildern beteiligt.

Biofilme als Stolpersteine der Antibiotikatherapie
Speziell in der Parodontaltherapie ist die Kombination der adjuvanten Antibiotikagabe mit der mechanischen Taschenreinigung unerlässlich. Im Idealfall sollte die Einnahme des mittels Antibiogramm eruierten Antibiotikums einen Tag vor oder am Tag der Intervention beginnen. Die parodontal-pathogenen Mikroorganismen sind nämlich in komplexen Biofilmen organisiert. Innerhalb dieser bestehen rege Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Spezies. Es bilden sich Nahrungsketten mit optimaler Verwertung von Nährstoffen und Stoffwechselprodukten, Interaktionen bezüglich Resistenzweitergaben und vor allem eine biologische Matrix, welche Schutz gegen das Eindringen von antibiotischen Substanzen bietet. Durch die mechanische Taschencurretage wird dieser Biofilm aufgebrochen und die mikrobielle Flora wird für den eingesetzten Wirkstoff zugängig.
Bei der Auswahl der in Frage kommenden Substanzgruppen müssen neben der in vitro gestesteten Wirksamkeit auch die Gewebsgängigkeit und Bioverfügbarkeit berücksichtigt werden. Eine entsprechende Anreicherung des Antibiotikums und seiner Metaboliten im Sulcus ist Grundvoraussetzung für die Keimeradikation. Weiters sind patientenspezifische Parameter zu berücksichtigen. Ein Diabetiker mit Mikroangiopathien oder ein starker Raucher mit Gefäßschäden hat auch im Zahnfleisch eine deutlich schlechtere Durchblutung. Die systemischen Antibiotika werden daher nur in geringerem Ausmaß an den Ort der erforderten Wirkung transportiert. Hier wird unter Umständen eine ergänzende lokale Gabe erforderlich werden.
Die in der Zahnheilkunde in Frage kommenden Wirkstoffe sowie Dauer der Gabe und Dosierung sollen Thema des nächsten Beitrages sein.

Ch. Eder, L. Schuder