Zahnärztekongress Graz: Die Situation der Zahnärzte in der Steiermark

Wie sieht die Zukunft junger Zahnärzte aus und in welche Richtung strebt die Standespolitik? Wir sprachen mit Dr. Reinhard Fürtinger, Präsident der Steirischen Landes-zahnärztekammer.

Herr Präsident Fürtinger, wie zufrieden sind Sie persönlich mit dem heurigen Zahnärztekongress in Graz?

FÜRTINGER: Unsere Kammer war ja zum ersten Mal mit einem eigenen Stand vertreten, und es hat sich gelohnt. Wir wollten eine Servicestelle für Studenten, für die Assistentinnen und natürlich für unsere Mitglieder sein. Die Studenten erreichen wir als Kammer eigentlich nur schwer. Was die Assistentinnen betrifft, ist die Kammer nicht nur Ausbildner im Rahmen des Lehrganges, sondern auch für die Fortbildung  verantwortlich. Diese ist seit Juni neu geregelt und Fortbildungsveranstaltungen für die zahnärztliche Assistentin werden nun von der Landeszahnärztekammer approbiert. Es war auch immer ein Standesvertreter vor Ort und es ergaben sich sehr viele interessante Gespräche.

In der Steiermark gibt es derzeit 351 niedergelassene Zahnärzte mit Kassenvertrag und nur wenige freie Kassenstellen. Wie lösen die jungen Zahnärzte dieses Problem?

FÜRTINGER: Nun, die Schwierigkeiten liegen woanders. Wir rechnen mit vielen freien Kassenstellen in der Zukunft, da die geburtenstarken Jahrgänge bald das pensionsreife Alter erreichen. Jetzt hat es sich erstmals ergeben, dass wir eine ausgeschriebene Kassenstelle nicht vergeben konnten, keiner hat sich gemeldet und unsere Alarmglocken haben zu läuten begonnen. Wir haben versucht zu analysieren, was passiert ist. Es geht längst nicht mehr nur darum, dass schwache und entlegene Regionen schwer zu besetzen sind, übrigens auch weil die dortigen Gemeinden kaum mehr Zuschüsse leisten können! Es hat der Kassenvertrag einfach keinen Reiz mehr, die jungen Dr. med. dentes wollen ihn nicht. Wir haben daher das Niederlassungsverhalten der jungen Kollegen genau analysiert. Ergebnis: Von den rund 100 jungen Zahnärzten, die sich seit 2004 in unserem Bundesland niedergelassen haben, haben sich rund 60 (also fast 2/3)  in eine vorhandene Praxis als Wahlzahnärzte eingemietet, nur 40 haben eine eigene Praxis gegründet. Davon haben 17 einen Kassenvertrag erhalten, der Rest hat sich in der langen Wartezeit auf den Kassenvertrag längst eine Position als Wahlzahnarzt aufgebaut und gibt diese Freiheit nicht mehr auf. Der Kassenvertrag ist völlig unattraktiv, und in Zukunft werden Kassenplanstellen nicht mehr so leicht zu besetzen sein.

Können sich junge Zahnärzte die Eröffnung einer teuren und aufwändigen Praxis überhaupt noch leisten?

FÜRTINGER: Eben nicht, oder nur schwer! Und daher ist es auch viel praktischer, sich in eine bestehende Wahlzahnarztpraxis einzumieten und sich so einen eigenen Patientenstamm aufzubauen. Man braucht anfangs wenig zu investieren und kann angenehm in den Beruf hineinwachsen – die klassische Übernahmepraxis eigentlich, die es im Rahmen des Kassenvertrages so nicht gibt. Für die jungen Kollegen, die betriebswirtschaftlich auch noch ziemliche Defizite haben, ist es heute wesentlich schwieriger, sich mit einer neuen Praxis – egal ob mit oder ohne Kassenvertrag – eine Existenz aufzubauen, als noch zu meiner Zeit. Die technischen Ansprüche und damit auch Kosten sind enorm, die Familienplanung fällt meist auch gerade in diese Zeit, und Banken sind im Vergleich zu früher wesentlich zurückhaltender. High-end-Zahnmedizin mit Low-Budget ist unmöglich! Und was aber niemand sagt ist, dass auch die Gerätschaften heute längst nicht mehr so lange halten wie früher, die Ersatzteile sehr teuer sind und damit rasch wieder neu investiert werden muss. Das heißt, dass der Investitionszyklus heute kürzer ist.

Sie haben ja konkrete Forderungen an den Hauptverband, welche sind das?

FÜRTINGER: Um den Kassenvertrag so attraktiv zu machen, dass die jungen Dr.es med. dentes mehr Interesse zeigen, sollten folgende Möglichkeiten geschaffen werden: - Jobsharing: Zahnärzte sollen sich eine Ordination und einen Kassenvertrag teilen können. Damit hätten junge Mütter mehr Zeit, sich einerseits der Familie zu widmen und andererseits als Kassenzahnärztin weiterzuarbeiten. - Übergabepraxis: Ältere Kolleginnen und Kollegen, die schön langsam weniger arbeiten wollen und an die Pension in ein paar Jahren denken, sollten sich ebenfalls mit einem jungen Nachfolger einen Kassenvertrag teilen und diesen dann an den jungen weitergeben können, und zwar mit Rahmenbedingungen, die für Jung und Alt gut sind! - Anstellung: Es muss endlich möglich werden, dass ein Zahnarzt einen Kollegen anstellen kann; nicht jeder will die Verantwortung tragen, viele wollen auch einige Zeit unselbständig arbeiten und für die eigene Praxis lernen. Diese Punkte sind für mich die wichtigsten. Honorarverhandlungen müssen auch sein, aber die Rahmenbedingungen des Kassenvertrages müssen zuerst aktualisiert werden.

Ist die „Alterszahnheilkunde“ schon ein wichtiges Thema in der Steiermark?

FÜRTINGER: Für unsere Kammer ist das ein sehr großes Thema. Viel individueller und teilweise frustraner Einsatz wird derzeit von den Zahnärzten erbracht, um die Altenheime zu betreuen, der Aufwand wird nicht adäquat finanziert. Patienten werden zu uns in die Praxis gebracht, mit einem riesigen Aufwand durch Rettungsdienste, weil die Prothese drückt. Wir haben logistische Probleme! Und die Probleme werden größer, weil die „Alten“ der Zukunft nicht mehr fast ausschließlich Prothesenträger sind, sondern oft hochwertigste Versorgungen haben, die entsprechend gepflegt werden müssen. Das Pflegepersonal muss dahingehend geschult werden, noch fehlen die Strukturen. Unser Gesundheitssystem ist gefordert, Lösungen zu erarbeiten. Die Zahnärzte werden sich dabei stark einbringen.

Wir danken für das Gespräch, das Dr. Birgit Snizek führte.

Dr. Reinhard Fürtinger