Schwerpunkt Implantologie: ?One-fits-all?: Ein Implantatsystem für alle Fälle?

Bei der Wahl meines ersten Implantatsystems vor ca. zehn Jahren habe ich mich lange gefragt: Was ist mir wichtig? ...

... soll es ein günstiges Implantatsystem sein, damit die kargen Einkünfte meiner neuen Ordination nicht durch exorbitante Ausgaben gemindert werden? Muss ich ein etabliertes System verwenden, um im Falle eines Falles auch auf genügend  Literatur und damit Erfahrung zurückgreifen zu können? Kann ich mir auch noch nach Jahren eine gesicherte (Ersatzteil-)Versorgung meiner Patienten erwarten? Welche Indikationen muss ich abdecken können?
Schlussendlich habe ich mich für ein anerkanntes System mit der Möglichkeit, fast alle erdenklichen Indikationen abdecken zu können, entschieden! So auch meine Zuweiserin, die mir einen gemeinsamen Bekannten mit der Bitte um implantologische Versorgung geschickt hat: Wie immer in solchen Fällen akzeptiert man im Bekanntenkreis noch viel mehr als sonst die Wünsche und Vorgaben des Patienten. In diesem Fall war es nicht anders: Anamnestisch zeigt sich eine generalisierte Parodontitis marginalis profunda gravis et complicata, die Zähne im Seitenzahnbereich haben Furkationsbeteiligungen mit Grad II und III, eine starke Rezession mit vertikalem Einbruch am oberen rechten Eckzahn sowie einen vertikalen Einbruch in der reg. 45.
Der Patientenwunsch war folgender: „Bitte mach mir mit einem Minimalaufwand eine Versorgung, damit ich die ständig auftretenden Entzündungen im Seitzahnbereich nicht mehr ertragen muss. Was ich nicht aushalte, ist etwas zum Rausnehmen! Außerdem möchte ich bei den Eingriffen schlafen und nichts davon mitbekommen! Schaffst du das?"
Die Frage war weniger, ob eine entsprechende Versorgung durchzuführen wäre, sondern vielmehr ob ich ein Implantatsystem zur Verfügung haben werde, das mir unter den vorgegebenen Bedingungen alle Indikationen abdeckt?
Im Konsensus haben wir uns dann entschlossen erst einmal die Zähne 14, 16, 17 sowie die Zähne 26 und 27 zu entfernen. Der Patient konnte kein abnehmbares Provisorium akzeptieren, und da er einem Beruf mit Vortragstätigkeit nachging musste zumindest die Sofortversorgung des Zahnes 13 beim Zweiteingriff (Implantation) gewährleistet werden; auf die Sofortversorgung der restlichen Implantate wurde aus Kostengründen verzichtet. Das Knochenangebot im Unterkiefer wäre für eine navigierte Implantation ausreichend gewesen, was natürlich bei fehlender Gegenbezahnung im Oberkiefer (damit keine Kontrolle der Implantatpositionen) und einem Eingriff in Narkose eine prothetisch perfekte Implantatposition eher ermöglichte. Im Sinne einer minimal invasiven Methode wurde im ersten Quadranten neben der Sofortimplantation auf 13 ein anguliertes Implantat in der reg. 16 geplant. Im zweiten Quadranten wurde ein Sinuslift mit gleichzeitiger Implantation vorgesehen. Nach dreimonatiger Einheilzeit sollten dann alle Implantate gleichzeitig versorgt werden. Das bedeutete zwei chirurgische Interventionen in Sedoanalgesie:

1. Die Extraktionen der nicht erhaltungswürdigen Seitenzähne im Oberkiefer und

2. Extraktion des oberen rechten Eckzahnes mit Sofortimplantation und provisorischer Sofortversorgung, Implantat auf 16 und Sinusbodenaugmentation mit gleichzeitiger Implantation auf 26. Im Unterkiefer navigierte Implantationen in den reg. 35, 36 und 46.

All diese verschiedenen Eingriffe, alle chirurgischen und  prothetischen Versorgungen, sollten natürlich von einem Implantatsystem abgedeckt werden. Dies kann jedoch nicht von jedem Implantathersteller gewährleistet werden. In der Modebranche würde dies als „one-fits-all" bezeichnet werden.
Im vorgestellten Fall wurde die Versorgung mit Camlog Guide Screw-Line Promote Implantaten im Unterkiefer mittels Med-3D-Planungssoftware und -schablone und Camlog Root-line Promote Implantaten für eine hohe primäre Stabilität im Oberkiefer durchgeführt. Die provisorische Versorgung des Implantats in der reg. 13 wurde auf einem provisorischen Camlog Abutment durchgeführt. Die Neigung des distalen Implantats im Oberkiefer rechts wurde mit einem Camlog Vario SR 30º Abutment ausgeglichen. Im Unterkiefer und im Oberkiefer links wurden auf Camlog Titanbasen CAD/CAM Sirona inCoris Zirkon meso Sekundärteile gefräst und mit Zirkonaufbrennkeramik verschraubte Implantatkronen angefertigt. Im Oberkiefer rechts erfolgte die Anfertigung eines CAD/CAM gefrästen Titangerüsts auf Camlog Vario SR Abutments, welches mit Titanaufbrennkeramik verblendet wurde.
Natürlich gibt es noch viel speziellere Indikationen, die von Implantatsystemen abgedeckt werden müssen und auch können! Aber dieser Fall zeigt sehr deutlich, wie leicht das Therapiespektrum Ausmaße annehmen kann, die nicht von jedem Implantatsystem so einfach bedient werden können. Für Chirurgen, Prothetiker, Zahntechniker und vor allem für den Patienten bewährt es sich jedoch, ein Implantatsystem für alle Fälle zu haben ...

Doz. Dr. Dieter Busenlechner
Akademie
für Orale Implantologie

Abb. 1: OPG des Patienten mit Parodontitis marginalis profunda gravis
et complicata. Furkationsbefall der Molaren im Oberkeifer, Freiend-
situation im Unterkiefer seit einigen Jahren
Abb. 2: a) Extraktion des Zahnes 13 und b) Sofortimplantation eines
13mm Camlog Promote Root-line Implantates
Abb. 3: Sofortprovisorium am Zahn 13 eine Woche nach Implantation
Abb. 4: Unterkiefer mit Med-3D-Schablone für die Implantation von
Camlog Guide Screw-line Promote Implantaten
Abb. 5: Zustand eine Woche nach navigierter Implantation mit Med-3D
Abb. 6: Unterkiefermodell mit Implantationskronen
Abb. 7: Verschraubte Implantatkronen auf Camlog Titanbasen mit
CAD/CAM gefrästen Sirona in Coris Zirkon meso Sekundärteilen und
Zirkonaufbrennkeramik
Abb. 8: CAD/CAM-gefrässten Titangerüst auf Camlog Vario SR
Abutments mit Titanaufbrennkeramik im 1. Quadranten und ver-
schraubte Implantatkrone im 2. Quadranten mit provisorischem Ver-
schluss der Schraubenkamine
Abb. 9: Kontrollröntgen nach Eingliederung der definitiven Versorgung
im Ober- und Unterkiefer