Stress, Depression und parodontale Erkrankung

Psychische Erkrankungen und deren medikamentöse Behandlung haben Auswirkungen auf die orale Gesundheit. Die Entzündungsschübe im Rahmen parodontaler Erkrankungen werden durch unterschiedliche exo- und endogene Faktoren ausgelöst und moduliert. Die Reaktion des körpereigenen Abwehrsystems auf die Belastung durch eine parodontal-pathogene Plaque zeigt enge Korrelation mit der gesundheitlichen Gesamtsituation des Organismus. Stoffwechselfunktion, hormonelle Situation und konsumierende Erkrankungen beeinflussen nachhaltig auch die orale Gesundheit. Andererseits wirken sich Entzündungen des Zahnfleisches und des Zahnhalteapparats negativ auf den Verlauf praeexistenter Erkrankungen aus.

Stress, psychische Belastung und Depression können neben körperlichen Symptomen, wie Magen/Darmbeschwerden, Miktionsproblemen, Atem -und Kreislaufstörungen auch zu erheblichen Beeinträchtigungen der oralen Gesundheit beitragen. Besonders bei vorbestehenden gingivalen und parodontalen Erkrankungen kann es zu Verschlechterungen mit massiven Entzündungen und letztlich Destruktionen der oralen Hart- und Weichgewebe kommen. Die Ursachen dafür sind heterogen.

Unter seelischem Stress und hoher psychischer Anspannung kommt es häufig, bevorzugt im Schlaf, zu verstärkter Anspannung der Kaumuskulatur und zum Zähneknirschen. Studien belegen, dass ca. 8% der Bevölkerung zumindest zeitweise unter Bruxismus leiden. Zudem wird bei depressiven Episoden oft die Mundhygiene stark vernachlässigt, die vermehrte Plaquebelastung ermöglicht im Schutz dickerer Zahnbeläge eine Zunahme anaerober und fakultativ anaerober Mikoorganismen im Sulcus. Der Tabakkonsum steigt unter seelischer Anspannung oft an, was das wiederum das Risiko für parodontale Erkrankungen erhöht. Nikotinabbauprodukte in der Sulcusflüssigkeit interagieren und verstärken die gewebsschädigende Wirkung bestimmter bakterieller Stoffwechselprodukte und wirken toxisch auf die Wirtsgewebe. Daneben wird die Funktion der neutrophilen Granulozyten, welche eine wichtige Rolle in der lokalen Immunabwehr haben, beeinträchtigt.

Psyche und Immunlage des Patienten stehen in enger Wechselbeziehung
Die endogene Depression und schwerer psychischer Stress beeinflussen ihrerseits selbst das Immunsystem. Bei depressiven Patienten unter Stress steigt die Interleukin6 und die Faktor Kappa B Reaktion im Vergleich zu gesunden Vergleichsgruppen unverhältnismäßig hoch an. Die Depression führt zudem zur Aktivierung von zwei biologischen Stresssystemen: Das Cortisol- System reagiert mit überschießender Produktion von Cortisol und/oder CRH. Gleichzeitig kommt es im Gehirn zu einer Überaktivierung des Neurotransmitters Acetylcholin. Durch den bei depressiven Patienten manifesten Serotoninmangel werden die Stresshormone vermehrt freigesetzt und bei deren Abbau entstehen zelldestruierende freie Radikale.

In der Sulcusflüssigkeit können unter psycischem Stress erhöhte Kortikosteroidwerte nachgewiesen werden, was wiederum zu einer Hemmung des körpereigenen Immunsystems mit Veränderungen der humoralen Abwehr führt. Die zelluläre Abwehr wird unterdrückt, das Reaktionsmuster der Makrophagen verändert. Über die vermehrte, verstärkt gramnegative und anaerobe Plaque werden bakterielle Toxine und vor allem Lipopolysaccharide freigesetzt, welche die Bildung von Interleukin 1Beta induzieren.

Antidepressiva können zu Mundtrockenheit führen
Neben den beschriebenen direkten körpereigenen Reaktionen kann auch die Einnahme von Antidepressiva die orale Gesundheit beeinträchtigen. Anticholinerge Nebenwirkungen verstärken die bei Depression oft schon vorbestehende Mundtrockenheit. Besonders trizyklische, an den muscarinergen Rezeptoren angreifende Antidepressiva, wie Amitryptilin, Imipramin oder Clomipramin führen, vor allwem in den ersten Monaten der Einnahme, zu ausgeprägter Xerostomie. Die neueren, selektiven, auf definierte Neurotransmitter wirkenden Medikamete, wie Serotonin Reuptake-Hemmer zeigen schwächere Nebenwirkungen.

Der mangelnde Speichelfluss führt zu unzureichender Reinigung der Mundhöhle und Persistenz schädigender Keime. Die speicheleigenen Abwehrstoffe, wie Lysozyme, Laktoferrin, Laktoperopxidasen und sekretorisches IgA fehlen bei der mikrobiellen Abwehr. Zudem kommt es beim Kauen und Schlucken durch die mangelnde Benetzung der Schleimhaut zu kleinsten Verletzungen der Mucosa. Diese sind nun als Schwachstellen mit verminderter Resistenz bevorzugte Habitate für Bakterien und Pilze. Infektionen durch Candida ssp. sind häufig; es kommt zu Verschiebungen innerhalb der Mikroflora mit Reduktion von Keimen wie Veilonella und S. salivarius und einer Zunahme atypischer Mikroorganismen, wie Staphylokokken. Die Folgen sind dann Stomatitiden mit Schwellungen, Rötungen und kleine Ulcerationen, aber auch Exacerbationen von parodontalen Erkrankungen. Eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Neurologen/Psychiater, sowie eine optimale medikamentöse Einstellung können Folgeschäden vermeiden und auch aus zahnärztlicher Sicht eine Verbesserung der Lebensqualität der betroffenen Patienten ermöglichen.

Ch. Eder, L. Schuder