Aminosäuren ? Bausteine des Lebens

Ernährungskunde unterliegt Modeströmungen, die durch Diätphilosphien oder neue Nahrungsmittelergänzungen bestimmt werden.

Wir wissen viel über Kohlehydrate und ihre Verwertung. Dass Fette nicht nur Energie liefern und dick machen, sondern für alle Membransysteme, Entzündungssteuerung, Gerinnung und Hormonsystem wichtig sind, hat sich schon herumgesprochen. Eiweiß kennen wir aus riskanten Diäten, die Steak, Salat und harte Eier forciert haben. Speziell rotes Fleisch steht im Ruf, aggressiv zu machen. Fleischreiche Kost kann Gelenksentzündungen fördern, Patienten mit Abbaustörungen bekommen Gicht.

Echte Eiweißaufbaudiäten machen Extremsportler und Bodybuilder. Aminosäuren liefern die Grundbausteine für alle Stützgewebe: Kollagen, also Bindegewebe, Knorpel und Knochen. Proteine brauchen wir auch für den Muskelaufbau, das funktioniert aber nur mit Training, Proteine allein sind daher kein Doping. Geschwächte Patienten können von Aminosäurenzufuhr aber stark profitieren.

Was sind Aminosäuren?
Es handelt sich um Aminocarbonsäuren mit unterschiedlichen aliphatischen oder aromatischen Resten. Sie können sauer, neutral oder basisch sein. Biologisch wirksam ist die L-Form (bezeichnet die optische Aktivität). Es gibt 20 für uns wichtige Aminosäuren, acht davon sind essentiell, können also nicht synthetisiert werden. Wichtigste Quelle für uns ist tierisches Eiweiß, vor allem Fleisch.

Daher ist klar, wie Probleme entstehen:
Zu allererst fallen uns Vegetarier ein. Diese können ihren Proteinbedarf nur sehr schwierig durch Hülsenfrüchte decken. Kinder bis 12 Jahre sollten Fleisch essen, da sie Proteine für das Wachstum benötigen.

Extremdiäten und Essstörungen: Anorexie und Bulimie nehmen stark zu, auch bei Burschen. Zu Grunde liegen psychische Belastungen und Suchtverhalten. Kontrollzwänge und Selbstbestrafungstendenzen spielen eine große Rolle, die Therapie ist daher äußerst schwierig.
Die weitaus größte Gruppe stellen Patienten mit Resorptionsstörungen dar, Folgen von Dysbiose und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Die Patienten leiden oft unter Blähungen, Verstopfung oder Durchfällen bzw. einen Wechsel zwischen verlangsamter und beschleunigter Darmpassage. Die Stühle enthalten oft unverdaute Nahrungsreste oder sind fettig. Die Symptome sind oft nicht dramatisch und werden von den Patienten als normal empfunden, weil solche Probleme ja fast jeder hat. Den Beweis liefert die Fernsehwerbung für probiotische Produkte.

Welche Funktionen haben Aminosäuren im Körper?
Stütz- und Muskelgewebe fällt uns spontan ein, in Wahrheit benötigen wir Eiweiß für viel mehr Funktionen: Alle Enzyme bestehen aus Eiweiß, der Blutfarbstoff Häm, biogene Amine wie Histamin, Neurotransmitter, Hormone (Schilddrüse), Transportproteine. Proteinsynthese erfolgt, indem die Information von den Nukleinsäuren abgelesen wird - also eine Umsetzung von Information in Chemie. Deshalb nannte Felicitas Reglin, Herausgeberin einer Zeitschrift für Orthomolekularmedizin, Aminosäuren die Bausteine des Lebens.

Diagnose: Es gibt die Möglichkeit, ein Aminosäurenprofil zu erstellen (Serum mit Sulfosalicylsäure stabilisieren, Postversand z. B. an Labor Bayer in Stuttgart). Kostet etwa 100 Euro. Die meisten Ärzte entscheiden nach Anamnese und nehmen Mischpräparate. Bei entsprechendem Fachwissen sind auch Biotestverfahren sehr effizient.

Indikationen für Aminosäurenzufuhr: Stress, Burnout
Erhöhte Cortisolwerte führen zu einer sympathovagalen Dysbalance mit erhöhtem Ruhepuls und fehlender Erholung. In weiterer Folge kommt es zu Insulinresistenz, oxidativem Stress, erhöhten Entzündungsmediatoren und Depressionen. Über die Wechselwirkungen einzelner Aminosäuren wissen wir noch wenig. Kompliziert ist auch, dass einige ineinander übergeführt werden können, z.B.: Phenylalanin - Tyrosin - Dopa - Dopamin - Noradrenalin - Adrenalin - Phanylalanin. Dazu sind aber auch verschiedene Vitamine und Spurenelemente nötig. Die Empfehlung erfahrener Therapeuten ist für diese Indikation die Verwendung von Fertigmischungen, z.B. aminoplus burnout (Kyberg) oder PURE 365 Anti-Stress Formel (Pure Encapsulations). Ein toller Vortrag dazu fand am 17.9.2011 in Wien beim Aminosäuretag der Gesellschaft für Orthomolekularmedizin statt (Prof. Dr. Dr. Christine Metzner, Köln).

Störung der intestinalen Permeabilität und des Immunsystems
Bei gestörter Barrierefunktion ist das Blockieren von Fremdeiweiß gestört, es kommt zu allergischen Reaktionen. Gleichzeitig treten verschiedene Resorptionsstörungen mit Mangelzuständen auf - ein Circulus vitiosus entsteht. Auch hier werden Mischungen angeboten (z.B. Arginin, Cystin, Glutamin, Glycin, Lysin und Methionin). Ich habe bei allen Nahrungsmittelallergien (v.a. Milch, Weizen) viele gute Erfahrungen gemacht mit L-Glutamin, 2 x tgl 500 mg Kps., mindestens 10 Min. vor dem Essen. Allerdings funktionieren nicht alle Präparate, die angeboten werden. Gut gewirkt haben Kapseln der Firmen Lamberts, Pure Encapsulations und Thorne. Eine Dose reicht für sechs Wochen, die Therapiedauer beträgt meist mindestens drei Monate, eine Besserung tritt bereits nach einigen Tagen ein.

Glutamin kann auch die Nebenwirkungen von Chemotherapien abschwächen.

Bei rezidivierenden Infekten der oberen Atemwege hilft meist dieselbe Therapie, da die Schleimhautsysteme ähnlich funktionieren.

Aminosäuren sind auch wesentlich für die Z-Zell Proliferation, die B-Zell Reifung und Antikörperproduktion sowie die Abtötung von Keimen (z.B. Lysin in der Herpestherapie).

Leberprobleme:
Für die generelle Entgiftung in der Phase 2 benötigen wir das Gluathionsystem. Dabei ist umstritten, ob wir teures, reduziertes Glutathion überhaupt oral zuführen sollen, oder besser die Einzelbestandteile Glutaminsäure, Cystein und Glycin. Das Glutathionsystem ist zuständig für die Konjugation von Schwermetallen, Alkohl, Narkotika u.v.a. Cystein ist auch schleimlösend und wird als Expectorans eingesetzt (N-Acetylcystein). Taurin kann aus Cystein synthetisiert werden.
Für den Ammonikabbau können wir Arginin und Ornithin zuführen. Diese wirken auch bei Herz-Kreislauferkrankungen (antithrombotisch, gegen Arteriosklerose und Hochdruck), bei Herzschwäche wird Carnitin verwendet. Arginin ist auch bei erektiler Dysfunktion hilfreich.
Bei hepatischer Enzephalopathie sind Valin, Leucin und Isoleucin angebracht.

Stress, Immunsystem und Entgiftung sind natürlich zahnärztliche Themen - für uns selbst und unsere Patienten. Die umfangreichen Stoffwechselkreisläufe mit den möglichen Nebenwegen z.B. bei Mangel an Vitaminen überfordern auch viele Allgemeinärzte.

Da Stress und Burnout aber Thema zahlloser Fortbildungsveranstaltungen sind, und es auch bereits mehrere spezialisierte Kliniken dafür gibt, nimmt sich jetzt auch die Pharmaindustrie des Themas an. Ein Therapieversuch mit den entwickelten Kombinationstherapeutika kann nicht schaden.

Dr. Eva-Maria Höller

Info: Ausbildungsserie Physioenergetik - Kompaktkurs für Zahnärzte

Testverfahren mit Übungen
Therapiemethoden (Orthomolekularmedizin, Homöopathie, Akupunktur, Neuraltherapie...)
Zahnärztliche Indikationen,
Therapieschemata
Praxistips

Vortragende:
Dr. Eva-Maria Höller
Kursort: Büro des Zahnärztlichen Interessenverbandes
1010 Wien, Gartenbaupromenade 2/8/15

Termine:
9./10.3.2012
20./21.4.2012
15./16.6.2012

Anmeldung:
01/ 513 37 31
office@ziv.at