Dentale Radiologie auf der Wiener Zahnklinik

Seit einem knappen Jahr leitet Prof. Dr. André Gahleitner die Radiologie-Abteilung der Bernhard-Gottlieb-Universitätszahnklinik Wien. Darüber hinaus ist er auch weiterhin als Radiologe im AKH tätig (an der Abteilung für Neuroradiologie und Muskuloskelettale Radiologie). Wir führten mit ihm das folgende Gespräch.

Könnten Sie bitte die Radiologie-Abteilung der Wiener Zahnklinik kurz vorstellen?
GAHLEITNER: Durch den Neubau und die Zusammenziehung der Radiologie in einen Kernbereich finden wir optimale Bedingungen für die Anwendung und Entwicklung von radiologischen Techniken im Mund- und Kieferbereich vor. Es konnten einerseits Geräte eingespart, andererseits neue, hervorragende Geräte angeschafft werden. Uns stehen nun ein Multislice-CT, ein Cone- Beam-CT (CBCT), ein 4m-Teleradiografiesystem und ein Sonografiegerät zur Verfügung. Alle Geräte inklusive Kleinbild- und Panoramagerät sind vollständig digitalisiert und in das Kliniksystem integriert. Die Bilder stehen an allen Arbeitsplätzen gleichzeitig zur Verfügung. Sie können auf Film oder in einem digitalisierten Format ausgegeben werden, und es können auch auswärtige Bilder eingelesen werden. Die Ausbildungsmöglichkeiten für Studenten sind hervorragend. Wir können weiters nun auch präoperative Lungenröntgen durchführen oder verschluckte Gegenständen lokalisieren. Für die Zukunft ist die Aufstellung eines MR-Tomografen geplant, die Geräte können heute auch in normalen Gebäuden stationiert und abgeschirmt werden.

Wie sieht Ihr Rückblick auf die Entwicklungen im Bereich der dentalen Radiologie in den letzten Jahrzehnten aus?
GAHLEITNER: Generell stellt die Radiologie einen rasant sich entwickelnden Bereich dar. Ihre Bedeutung wird durch die Nobelpreise für Röntgen (1895), für die Entwicklung des CT (1979) und zuletzt des MRT (2003) unterstrichen. Alle Entwicklungen haben auch Eingang in die Zahnmedizin gefunden und einen Benefit gebracht. So hat bereits wenige Wochen nach Entdeckung der Röntgenstrahlung Otto Walkhoff damit Zähne dargestellt. 1949 erlangte dann das Panoramaröntgen dank Paatero Serienreife. 1995 wurde an der Wiener Zahnklinik ein CT-Gerät aufgestellt, das im Jahr darauf in Routinebetrieb ging. Es handelte sich dabei um ein gemeinschaftliches Projekt der Klinik für Radiodiagnostik (damals unter der Leitung von Prof. Imhof) und der Zahnklinik (Prof. Watzek). Diese Kooperation besteht bis zum heutigen Tag.
Ursprünglich sollte das CT für die Darstellung der Kieferanatomie und die Implantologie zum Einsatz kommen. In weiterer Folge zeigte sich, dass mit optimierten Untersuchungsparametern neue radiologische Befunde erhoben werden können. Als Beispiele seien Wurzelfrakturen, Zahnfrakturen, entzündliche Prozesse des Zahnhalteapparats, Missbildungen, tumoröse Prozesse im Bereich des Kiefers und der umgebenden Weichteile sowie zahlreiche iatrogene Veränderungen genannt. Zum (knapp) überwiegenden Teil werden heute mittels CT pathologische Veränderungen abgebildet.

us Grundlagenuntersuchungen zusammen mit der Universitätsklinik für Radiodiagnostik wissen wir, dass die MRT im Kieferbereich vielversprechende Ergebnisse liefert. Dies betrifft etwa den Nachweis von entzündlichen Prozessen, Perfusionsuntersuchungen des Knochens und der Pulpa oder die Darstellung der Kieferanatomie ohne Strahlenexposition. Etabliert ist die MRT bereits im Bereich der Kiefergelenksdiagnostik.

Wann kommt die Sonografie zum Einsatz?
GAHLEITNER: Sie dient der Abklärung von Schwellungen (Differenzierung von Abszessen, Ödemen, tumorösen Läsionen), der Lokalisierung von einzelnen anatomischen Strukturen (z.B. Foramen mentale, Nerven), der Untersuchung der Speicheldrüsen (die Sonografie hat die Sialografie abgelöst) und der Durchblutung (Farb-Duplex).

Mit welchen wissenschaftlichen Projekten beschäftigen Sie sich derzeit?
GAHLEITNER: Wir beschäftigen uns etwa mit der Möglichkeit der Ausgabe der kieferanatomischen Befunde als 3D-Objekt - für die OP-Planung und Dokumentation. Dieses Projekt wird gemeinsam mit der Kieferorthopädie durchgeführt.

Wie sieht es heute mit der Strahlenbelastung der Bevölkerung durch zahnmedizinische Untersuchungen aus?
GAHLEITNER: Durch die Digitalisierung konnte einerseits eine Do-siseinsparung erzielt werden, andererseits ist es zur Steigerung der Dosis gekommen, da die CT in zunehmendem Maß eingesetzt wird. Gesetzliche Vorgaben werden immer stringenter und sollen die Exposition auf das erforderliche Mindestmaß reduzieren (ALARA: as low as reasonable achievable).

Man sollte auch immer bedenken, dass eine radiologische Untersuchung aus mehreren Teilen besteht. Zunächst ist die Frage zu beantworten, ob die Untersuchung überhaupt notwendig ist (rechtfertigende Indikationsstellung). Wichtig ist weiters, die Untersuchung mit der geringstmöglichen Strahlenexposition zu wählen, um eine konkrete Frage zu beantworten. Schließlich geht es um die eigentliche Untersuchung, die Interpretation und Befundung der Bilder.
Durch die Masse der Untersuchungen spielt die Zahnmedizin heute - im Unterschied zu früher - eine gewichtige Rolle, was die Strahlenexposition der Bevölkerung betrifft.

Die intensive Werbung für CBCT-Geräte (unter Verwendung des Begriffs „digitale Volumentomografie") lässt eine weitere Zunahme der Strahlenexposition erwarten. Hier ist auch die Problematik der Selbstzuweisung anzuführen. Es gibt deshalb Bemühungen, eine Lösung wie in anderen Ländern zu etablieren, die eine Fachkunde in der Röntgendiagnostik anbieten, um so die entsprechenden Untersuchungen technisch einwandfrei und rechtlich abgesichert durchführen zu können.

Herzlichen Dank für das Interview!
Das Gespräch führte Dr. Peter Wallner

Prof. Dr. André Gahleitner