Kieferorthopädie in der Praxis

Vorzeitiger Milchzahnverlust als Folge von Milchzahnkaries ist dank der von der Ärztekammer initiierten umfangreichen Informationskampagnen und der Aufklärungsarbeit in Kindergärten heute bereits selten zu sehen.

Dafür sind bei betroffenen Kindern die Schäden im Gebiss oft besonders stark ausgeprägt. Wenn in Familien das Verständnis für Mundhygiene und Mundgesundheit fehlt, muss in den Zahnarztordinationen besondere Motivationsarbeit geleistet werden. Die Sanierung eines stark zerstörten Milchgebisses sollte möglichst ohne Traumatisierung des Kindes erfolgen, erst dann kann für die anschließend benötigte Betreuung der weiteren Gebissentwicklung eine ausreichende Mitarbeitsbereitschaft des kleinen Patienten erwartet werden.

Abb. 1: Durch den frühen Ver-
lust der Milcheinser war die
Praemaxilla hypoplastisch.

Als Beispielsfall möchte ich ein sechsjähriges Mädchen vorstellen. Am Schoß des Vaters sitzend, ließ sie sich problemlos untersuchen, da sie bis zuletzt keine negativen Erfahrungen beim Zahnarzt gemacht hatte. Eine notwendige vorzeitige Entfernung aller Milchmolaren und der Milcheinser im Oberkiefer war in allgemeiner Narkose durchgeführt worden. Bedingt durch den frühen Verlust der Milcheinser war die Praemaxilla hypoplastisch. Dies, sowie der Kreuzbiss von 52 und 53, hatten zur Entwicklung einer Pseudoprogenie geführt. Wegen des Stützzonenverlustes waren die oberen Sechser nach mesial gewandert und standen in Klasse-II-Relation.

 

Abb. 3: Korrektur mithilfe
des elastisch offenen
Aktivators Klasse-III.
In dieser Situation war ein früher kieferorthopädischer Behandlungsbeginn erforderlich. Wir entschieden uns für ein funktionskieferorthopädisches Gerät und hatten damit Glück; der Kleinen gefiel die bunte Zahnspange sehr gut und ich konnte sie zum konsequenten Tragen motivieren. Im Laufe des ersten Behandlungsjahres wurden mithilfe des elastisch offenen Aktivators Klasse-III die gerade durchbrechenden bleibenden Einser in den korrekten Überbiss geführt, und auch der seitliche Kreuzbiss überstellt. Somit setzte ich die Zahnspange ab, die weiteren Ordinationstermine dienten lediglich der Kontrolle der Gebissentwicklung.
Abb. 4: Das Panoramaröntgen
zeigt den Raummangel

Die oberen Vierer wurden, sobald sie durchgebrochen waren, entfernt, da die Molaren in einer Klasse-II-Relation eingestellt waren und der Platz für zwei Prämolaren und den Eckzahn im Oberkieferseitenzahnbereich fehlte. Zwei Jahre später war der Zahnwechsel abgeschlossen.
Die gewünschte Multibracketbehandlung zum Schluss der Restlücken im Oberkiefer und zur Feineinstellung der Okklusion wollte ich wegen der chronischen Gingivitis nicht starten. Als die Patientin im Alter von 15 Jahren das letzte Mal meine Ordination aufsuchte konnte ich mit dem Ergebnis die Kieferorthopädie betreffend trotzdem zufrieden sein.

Warum es mir aber in all den Jahren nicht gelungen war, die Patientin zur häuslichen Mundhygiene zu motivieren, kann ich bis heute nicht verstehen.

Primaria Dr. Doris Haberler 

Aus Platzgründen können hier nicht alle Abbildungen dargestellt werden. Sie finden sie in der Printausgabe der Zeitung. 

Abb. 7: Im Alter von 15 Jahren:
Das Ergebnis ist trotzdem
zufriedenstellend.