Rechtsfreier Raum Internet?

Ein erboster Zahnarzt hat mich kürzlich darauf angesprochen, dass ein Kollege beträchtliche Teile seiner Homepage übernommen habe, ohne zu fragen oder auf die Urheberschaft hinzuweisen. „Aber da kann man wohl nichts machen, wenn ich es selbst im Internet veröffentlicht habe ..." Rechtsfreier Raum Internet? Keineswegs! Auch hier gelten die Gesetze im Allgemeinen und das Urheberrecht, das in letzter Zeit vor allem im Zusammenhang mit Plagiatsvorwürfen (übrigens: plagiarius = Sklavenräuber) gegen Spitzenpolitiker in den Medien zum Thema wurde, im Besonderen.

In § 1 des österreichischen Urheberrechtes heißt es:
§ 1. (1) Werke im Sinne dieses Gesetzes sind eigentümliche geistige Schöpfungen auf den Gebieten der Literatur, der Tonkunst, der bildenden Künste und der Filmkunst.
(2) Ein Werk genießt als Ganzes und in seinen Teilen urheberrechtlichen Schutz nach den Vorschriften dieses Gesetzes.

Das Gesetz schützt also das geistige Eigentum an einem Werk vor „Diebstahl". Der Begriff des Werkes ist dabei sehr weit gefasst und schließt beispielsweise Grafiken (als Werke der bildenden Künste) oder etwa Artikel wie diesen (als Werke der Literatur) mit ein. Der Text Ihrer Homepage genießt daher ebenso den Schutz des Urheberrechtes, sofern er eine gewisse Werktiefe erreicht. Die Anforderungen sind hier jedoch nicht besonders hoch. Die Übernahme Ihres Textes auf eine andere Homepage fällt unter den Tatbestand der Vervielfältigung, welche in der Regel dem Urheber vorbehalten ist und daher Ihrer Zustimmung bedarf. In ähnlicher Weise sind Fotos geschützt.
Es gibt Ausnahmen, bei denen das Interesse der Allgemeinheit berücksichtigt wird und es trotz des ausschließlichen Verwertungsrechtes des Urhebers die Möglichkeit gibt, an der Werknutzung in besonderen Fällen teilzunehmen. Ein derartiges berücksichtigungswürdiges Interesse nimmt das Gesetz unter anderem bei Zitaten an, wobei für deren Zulässigkeit natürlich gewisse Grenzen zu beachten sind.

Ein Zitat muss als solches für den Leser erkennbar sein, woraus sich die Pflicht zur Quellenangabe durch den Verfasser des zitierenden Werkes ergibt. Nach der Rechtsprechung des OGH kann von einem Zitat außerdem nur dann gesprochen werden, wenn bei Hinwegdenken des Zitates das zitierende Werk noch als „selbstständige Schöpfung" bestehen bleibt, das heißt als wesentlich eigene Leistung mit selbstständiger Wertung. Ein ernsthafter Interessent darf durch Lesen des übernehmenden Werkes nicht davon abgehalten werden, das übernommene Werk selbst heranzuziehen, weil dies eine unzumutbare Beeinträchtigung des Verwertungsrechtes des Urhebers wäre. Mit anderen Worten: Die Nennung des Autors macht die uneingeschränkte Nutzung seines Werkes nicht zulässig!

Bei Verletzung von Urheberrechten gibt es eine Reihe von Rechtsfolgen: Diese reichen von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen, allenfalls verbunden mit einer einstweiligen Verfügung, bis hin zu schadenersatz- und bereicherungsrechtlichen Folgen, also Zahlungen an den Urheber. Auch strafrechtliche Sanktionen sind bei vorsätzlichen Eingriffen vorgesehen.
Die Versuchung im Internet ist groß, fremdes geistiges Eigentum einfach zu nutzen. Möchte man ein fremdes Werk auf seiner Homepage vervielfältigen, ohne einen Verstoß gegen Urheberrechte befürchten zu müssen, muss eine Einwilligung des Urhebers eingeholt werden.