Erfolgt die kieferorthopädische Behandlung der Progenie frühzeitig, kann im Allgemeinen mit Hilfe von extraoralen Geräten wie der Kinnkappe und der Gesichtsmaske der Kreuzbiss überstellt und das progene Erscheinungsbild korrigiert werden. Der Einsatz skelettaler Verankerungsapparaturen nach Hugo de Clerk ermöglicht weiters die erfolgreiche Therapie von Patienten mit schweren Formen von progenen Wachstumsmustern, und das Behandlungskonzept von Sadao Sato erlaubt Progeniebehandlungen ohne orthognathe Chirurgie selbst bei Erwachsenen. Allerdings gibt es auch Klasse-III-Patienten, bei denen ein angestrebtes Behandlungsziel trotzdem nicht erreicht werden kann. |
Fallbeispiel Der Junge, den ich als Fallbeispiel vorstellen möchte, kam rechtzeitig mit fünf Jahren in die Praxis. Er hatte als einziger von drei Brüdern die Progenie seiner Mutter geerbt. Das Milchgebiss war noch vollständig, nur die Frontzähne standen im Kreuzbiss. Nach dem Panoramaröntgenbild waren die oberen Zweier aplastisch. Die Mutter wollte ihrem Kind natürlich die dysgnathiebedingten Probleme, die sie aus eigener Erfahrung kannte, ersparen und zeigte viel Verständnis für die notwendigen frühen Therapiemaßnahmen. Wir starteten mit einer zementierten Kappenschiene und einer Gesichtsmaske und setzten die Behandlung mit einem funktionskieferorthopädischen Gerät fort. |
Wenige Monate später erkrankte die Mutter tödlich, und eine konsequente Mitarbeit war ab da nicht mehr gewährleistet. Nach Entfernung der Kappenschiene war zwar ein regelrechter Überbiss erreicht, aber schon während des Zahnwechsels in der Front zeigte sich, dass das verstärkte Unterkieferwachstum nicht gestoppt werden konnte. Zusätzlich bedingte die Aplasie der oberen Zweier eine Unterentwicklung der Praemaxilla. Bedingt durch die negative Entwicklung des Wachstums passte die abnehmbare Zahnspange bald nicht mehr. Ich ersetzte sie auch nicht durch ein neues Gerät, welches er ohnehin nicht tragen würde. Er gab deutlich zu verstehen, dass er am liebsten am Fußballplatz war und weder Zeit noch Interesse für die Behandlung aufwenden wolle. Mit der Zeit trat ein vollständiges Rezidiv ein. |
Ein genetisch bedingt verstärktes Unterkieferwachstum, eine durch die Aplasien bedingte Unterentwicklung der Maxilla und zusätzlich eine ungenügende Mitarbeit des Patienten waren zu viele ungünstige Faktoren für eine erfolgreiche Progeniebehandlung. Nach dem Zahnwechsel vereinbarten wir, dass lediglich das Diasthema mediale und die Lücken bei 12 und 22 durch eine kurze, festsitzende Behandlung geschlossen werden sollten. Am Ende der festsitzenden Behandlung, bei der im Oberkiefer durch Mesialisierung der Eckzähne und aller Seitenzähne die Lücken geschlossen wurden, lachte mein Patient in die Kamera. Auch für einen jugendlichen Fußballer ist eine geschlossene Zahnreihe von großer Wichtigkeit, und bis er seine Progenie operativ korrigieren lassen kann, vergehen noch viele Jahre. Prim.a Dr. Doris Haberler Aus Platzgründen können hier nicht alle Abbildungen dargestellt werden. Sie finden sie in der Printausgabe der Zeitung |