Wollen wir geduldige Schafe bleiben?

Wie lange wollen wir noch geduldige Schafe bleiben, ein bisschen blöken, den Kammern gehorchen und alle Einschnitte ertragen?

Geduldige Schafe werden ab und an geschoren. So weit so gut. Dass wir alle unsere Steuern, Kammerbeiträge, gewerbliche Wirtschaftbeiträge und sonstige Umlagen zur Sicherung der Solidargemeinschaft zahlen, wollen wir ja fast nicht in Abrede stellen. Aber es wird mühsamer, sinnloser und aussichtsloser, diesen Verpflichtungen nachzukommen.

Manchmal könnte man meinen, dass sich nur die Frage stellt, wo man finanzkreativ sein soll: bei Patienten, weil nur ein geringer Teil unserer Leistungen adäquat honoriert wird und man dieses Defizit auf ihn abwälzt - unmoralisch, aber möglich, solange dieser es sich gefallen lässt; oder die Kassa finanztechnisch ausloten - was nicht wirklich vertrauenerweckend für die Partnerschaft ist und Nachzahlungen hervorrufen kann; oder steuerschonend vorgehen - kann einen umbringen und ist somit auch nicht empfehlenswert. Was lernen wir daraus? Die Antworten sind traurig:

1. „Zahlst an Schmarrn, kriegst an Schmarrn", führt entweder direkt zur Zweiklassenmedizin oder Schädigung bis zur Körperverletzung unserer geschätzten Patientenschaft.

2. Werden wir nicht aufwandsadäquat entschädigt, können wir nur über Kassen- und/oder Finanzkreativität einen Gewinn erzielen, was man nicht tun sollte. Als Unternehmer muss aber der Gewinn unser Ziel sein, weil wir sonst fahrlässig handeln und schon wieder fällig sind.

3. Geduldige Schafe werden nicht nur geschoren, sie werden im blödesten Fall auch zur Schlachtbank gebracht. Kurz vor diesem Weg stehen viele von uns.

Ist ja alles nicht so dramatisch, könnte man obigen Zeilen entgegnen. Na ja. 1,06% Anhebung der Kassentarife ist ja auch wirklich entsprechend. Entsprechend der Inflationsrate mit 2,2% im Dezember 2010 und 2,4% im Jänner 2011. Super, wir zahlen die Differenz ganz locker aus der eigenen Tasche, so wie in den letzten Jahrzehnten, in denen auch so hervorragend für uns mit dem Vertragspartner verhandelt wurde. Bevor ich es vergesse: Unsere Lieferanten verzichten ja auch auf die Marge, es wird nie wieder neue EU-Auflagen geben, die Patienten wollen nur mehr Privatleistungen, und Kollektivvertragsänderungen finden nicht mehr statt. Also, schließen wir einmal aus, dass es zu deutlichen Kassentarifsteigerungen kommen wird. Schließen wir auch aus, dass sich unsere Patienten ihre Gesundheit etwas kosten lassen. ...

Was bleibt? Revolution! Unsere Situation ist Gott sei Dank nicht so dramatisch wie in den Ländern, in denen sie derzeit stattfindet, aber unsere wirtschaftliche Situation ist auch nicht gerade rosig. Das Problem ist, dass wir alle Einzelkämpfer sind und anders als andere Fachrichtungen nie gelernt haben untereinander zu kommunizieren. Das wird uns bald auf den Kopf fallen. Die Lösung Großklinik, Ambulatorium, allgemeines Versorgungszentrum und Co. kann es wohl auch nicht sein, auch wenn das politisch lustiger wäre, da leichter beeinflussbar. Geht es um den Patienten und seine Beziehung zu uns oder um Ex-Ostblock-Mentalität und Abschaffung von Kleinbetrieben? Politik und Kassa arbeiten woran? Wir sollten uns einmal im angloamerikanischen Raum umschauen und uns fragen, ob wir diese Zustände haben wollen.

a.beobachter