Vom Oralschwein zur Zahnhygiene

Als ich mit Zahnmedizin begonnen habe, vor 30 Jahren, galt Österreich als Land der Oralschweine. Der Verbrauch an Zahnbürsten war gering, Mundhygiene wurde von ersten Missionaren propagiert. Die Parodontologen haben gewaltige Grundlagenforschung betrieben, auch ganzheitliche Aspekte einbezogen und gute Konzepte entwickelt.

Patienten machen allerdings nicht alles richtig, vielleicht haben sie einiges falsch verstanden oder verdrängt, mehr der Werbung als dem Zahnarzt vertraut, oder die Beratung war nicht individuell genug. Aus der Allergiemedizin wissen wir heute, dass Hygiene auch übertrieben werden kann, daher erhebt sich die Frage, ob dies auch in unserem Bereich zutrifft. Prinzipiell wird mit Zahnpasten nur kurz geputzt, mit Spüllösungen gegurgelt, dann werden sie ja wieder ausgespült (zumindest von Erwachsenen). Beim Durchschnittspatienten stimmt das auch.

Putzen mit Basenpulver...

Putzfanatiker
Für Patienten mit funktionierenden Schleimhautsystemen müssen wir uns hauptsächlich um den optimalen Abrasionsgrad der Zahnpasten kümmern: Für Putzfanatiker, die zu lange und/oder mit zu starkem Anpressdruck scheuern, benötigen wir Pasten ohne Abrasivstoffe. Da sie meist schon freiliegende Zahnhälse mit keilförmigen Defekten aufweisen, ist eine hohe Fluorkonzentration erwünscht, es ist sinnvoll, die Pasta etwas einwirken zu lassen. Geeignet für diese Patienten sind z.B. das Elmex-System und die meisten Pasten für empfindliche Zahnhälse. Sensodyne enthält mehr Scheuerstoffe.

Oft beobachte ich Zahnsteinbildung bei meinen Zahnspangenkindern bei Verwendung von Elmex. Kinder putzen meist nicht lange und gründlich genug und sind mit den typischen Kinderpasten besser bedient. Generell bevorzuge ich mittlere Abrasionskraft, etwa Blendamed classic, Vademecum naturel oder Colgate.

Starke Zahnsteinneigung
Patienten mit starker Zahnsteinneigung, speziell mit den dünnen, dunklen Belägen, dürfen auch stark abrasive Pasten benutzen, etwa Mentadent C. Besonders aggressive Mittel wie Perlweiß und alle Raucherpasten sollen nicht als Routinepaste, sondern alle 1-2 Wochen zur gründlichen Reinigung eingesetzt werden.

Speziell aggressive Pasten darf man nicht unmittelbar nach dem Verzehr säurehältiger Nahrungsmitteln verwenden, sondern sollte etwa ½ Stunde warten. Die Theorie, vor dem Essen zu putzen, ist nicht zielführend.

Kinder neigen zum Verspeisen der Pasten. Solange sie sehr klein sind, sollte man ganz ohne Pasta putzen, ab etwa vier Jahren können sie meist effizient ausspülen und man darf etwa erbsgroße Mengen verwenden. Ideal sind Kinderzahnpasten wie Blendi - diese unterliegen dem Lebensmittelgesetz; kleine Mengen zu verschlucken, ist daher unbedenklich. Sie haben auch andere Geschmacksstoffe: Erdbeer- oder Colaaroma ist zwar nicht wirklich ganzheitlich, aber bei Kindern beliebt. Die üblichen Aromen in den Pasten, v.a. Pfefferminze, ist Kindern zu scharf, sie sagen, dass diese Pasten brennen.

Empfindliche Patienten
Ganz anders sieht es mit besonders empfindlichen Patienten aus, solchen mit Leaky-gut-Syndrom oder Multiallergikern. Da können einige Inhaltsstoffe der Pasten durchaus Probleme machen: Zahnpasten enthalten Metalle als Farbstoffe, z.B. Titanoxid für die weiße Farbe. Als desinfizierenden Stoff enthalten sie meist Triclosan. Damit sich die Zähne glatt anfühlen und lange keine Plaque anhaftet, sind Detergentien beigemischt, z.B. Natriumlaurylsulfat oder ähnliche Produkte. Zusätzlich sind verschiedene ätherische Öle und Kräuter zugesetzt, auf die es selten Allergien oder Überempfindlichkeiten gibt.

Eine dichte Schleimhaut und gesunde Mundflora bleibt von diesen Stoffen ziemlich unbeeindruckt. Eine vorgeschädigte Mukosa wird durch Detergentien durchlässig für alle möglichen Toxine. Die entzündungshemmenden Mittel schädigen die Mundflora, sodass sich andere hartnäckige, potenziell pathogene Keime ansiedeln: Streptokokken, Candida, Anaerobier in Taschen. Ausweichmöglichkeiten sind Pflanzenpasten (z.B. von Weleda) und Salz (brennt manchmal). Das optimale Mittel ist Natriumbikarbonat, Speisesoda, auch Basenpulver oder Samarin: Nasse Bürste eintauchen und putzen. Soda hat eine ideale Scheuerwirkung, die Zähne bekommen einen schimmernden Glanz. Auch die Zahnfleischmassage ist optimal. Außerdem wirkt Soda entsäuernd und bremst damit Entzündungen. Wegen des unangenehmen Geschmacks verwenden viele Patienten morgens Zahnpaste und abends Soda. Herrscht bereits eine pathogene Flora vor, kann man auch im Mund eine Symbioselenkung durchführen. Bei aggressiven Keimen mit rasch fortschreitender Parodontitis ist durchaus eine Antibiotikastoßtherapie angebracht. Danach müssen gute Keime nachgeliefert werden: z.B. Hylaktropfen, Acidophilus, Omniflora oder Bifiduskapseln. Nach dem letzen Essen putzen, Kapsel öffnen, fünf Minuten damit gurgeln, runterschlucken. Bei gleichzeitiger Darmsanierung mit massiver Belastung auch eine ungeöffnete Kapsel schlucken. Omega-3- und Omega-6-Öle sowie die Aminosäure L-Glutamin können die Schleimhaut wieder abdichten.

Silicium als Schüßlersalz, Equisetum-D2-Globuli oder Heidelbeerblättertee härten die Mukosaoberfläche. Bei leicht blutendem Zahnfleisch: Arnica-D2-Globuli, bei Wucherungen Thuja D 30.
Bei trockenem Mund können psychische Belastungen schuld sein, oft auch Medikamente (z.B. Antidepressiva). In jedem Fall lohnt sich ein Versuch mit Mercurius D 12.
Schleimhautbrennen: Medikamente wie Kalziumpräparate, selten Materialunverträglichkeit oder Toxinausleitung; B 12 kontrollieren. Symptomatisch: Capsicum D6.

Als Bürsten eignen sich Kunststoffbürsten mit kleinem Kopf, mittelhart. Naturborsten haben einen Haarkanal, der sofort bakteriell besiedelt wird, und sollten daher nicht zum Einsatz gelangen. Elektrische Bürsten sind ebenbürtig, müssen aber ebenfalls drei Minuten verwendet und systematisch an alle Flächen angesetzt werden. Vorsicht vor hohem Anpressdruck! Ultraschallbürsten können im Zahnhalsbereich Schäden verstärken.

Zwischenraumbürsten sind bei beginnendem Zahnfleischrückgang optimal - allerdings nie gewaltsam verwenden! Zahnseide abends ist empfehlenswert; nicht alle Patienten sind dafür geschickt oder geduldig genug. Zungenschaber sind normalerweise nicht nötig.

Spülungen
Viele Patienten möchten gerne den frischen Geschmack und die zahnsteinreduzierende Wirkung. Gerade Spülungen enthalten oft entzündungshemmende Substanzen und Detergentien.
Starke Mittel wie Chlorhexidin nur postoperativ verwenden, Entzündungshemmer nur kurzfristig, z.B. bei Halsentzündung. Unbedenklich ist Spülen mit 1,5%-Wasserstoff oder Speisesoda (entsäuert). Sehr gut sind lauwarmer Salbeitee oder Calendulatinktur. Manche Apotheken bieten Kräuterspülungen an.

Als Dauerlösung geeignet sind ätherische Öle, am besten sind Teebaumöl (Geschmack gewöhnungsbedürftig) oder Grapefruitkernextrakt (angenehm zitronig). Diese wirken gegen Viren, Bakterien, Pilze und Parasiten, lassen aber die Mundflora unbehelligt: 5 Tropfen auf einen Schluck Wasser, gurgeln. Zahnersatz und Zahnspangen: 10 Tropfen ins Putzgefäß, ½-1 Stunde einlegen, länger schadet nicht. Mundduschen sind bei großen technischen Arbeiten und festsitzenden Zahnspangen sinnvoll.

Dr. Eva-Maria Höller

... oder Grapefruit-
kernextrakt.