Zahnregulierung zur rechten Zeit

Mit wie viel Jahren man mit einer Zahnspange beginnen soll hängt ganz davon ab, was falsch ist und was wir korrigieren möchten.

Ideal ist eine erste Kontrolle, sobald sich die Kinder anschauen lassen - zwischen drei und vier Jahren. Um diese Zeit werden vor allem Habits korrigiert: Schnuller oder Daumen sollen spätestens mit drei Jahren nicht mehr im Mund sein - besser wäre es, schon nach dem ersten Geburtstag nicht mehr zu lutschen. Wird das Lutschen mit dem Beginn des vierten Lebensjahres beendet, wächst sich vieles spontan wieder aus. Myofunktionelle Übungen wie die Spatelübung nach Fränkel helfen: Ein Holzspatel wird quer zwischen den Lippen gehalten - am Beginn 5 Minuten, sich steigernd auf 20 Minuten täglich. Das stärkt die Oberlippe, verhindert das Einrollen der Unterlippe und harmonisiert das Schlucken. Die allerbeste Regulierung ist diejenige, welche wir vermeiden können.

Mit etwa vier Jahren kann man auch überprüfen, ob sich das Schluckmuster umgestellt hat: In den ersten beiden Lebensjahren geht die Zunge beim Schlucken vor zu den Lippen und dichtet so den Mundraum ab. Mit fortschreitendem Zahndurchbruch soll die Zunge bei der Papilla incisiva landen. Bleibt das aus, kann es zu offenem Biss, Parodontalproblemen und Sprachstörungen kommen. Für ganz kleine Kinder eignet sich die Übung Mother´s delight: Ein Stück Traubenzucker wird bis zum Zergehen mit der Zunge an der Papille festgehalten. Eine Überprüfung auf Nahrungsmittelunverträglichkeiten ist sinnvoll - besonders Milch (verschleimt, Nasenatmung erschwert, der Mund bleibt offen, es kommt zu Wachstumshemmung im OK). Diese Kinder können oft erst nach einer Begleitbehandlung richtig schlucken.Die anderen klassischen Schluckübungen nach Garliner funktionieren etwa ab Schuleintritt. Bei schmalem Oberkiefer empfiehlt sich eine osteopathische Behandlung. Ist dies nicht möglich, gibt es eine Grundstimulation des Craniosacralsystems: Einen Gummihandschuh 10x hintereinander aufblasen, dabei aus dem Handschuh einatmen (der erhöhte CO2 Spiegel aktiviert das CSS).

Ein Grund für eine echte Regulierung ganz früh wäre ein frontaler Kreuzbiss, weil sich diese Fehlstellung selbst verstärkt. Der Kreuzbiss rechtfertigt einen Miniatur-Kybernetor schon im Milchgebiss. Bei skelettaler-Klasse-3 empfiehlt sich eine Kinnkappe zusätzlich. Klasse 3 Behandlungen können sich über 10 und mehr Jahre hinziehen - da die Alternative nur chirurgische Behandlungen sind, akzeptieren dies auch die Krankenkassen. Mit allen anderen Regulierungen warten wir auf die bleibenden Frontzähne.

Bei skelettal kleinem Unterkiefer soll eine Frühbehandlung mit 7-8 Jahren erfolgen. Ideal wäre ein Funktionsregler nach Fränkel, mit dem ein Zusatzwachstum von etwa 1cm möglich ist. Dieser kann allerdings keine Zahnbewegungen - d.h. danach kommt ein Aktivator zum Einsatz und die Behandlung läuft mindestens 5 Jahre. Meist setze ich daher mit 8-9 Jahren einen Kybernetor ein - mit UK-Pelotten, die auch als Trainingsgerät für die UK-Muskulatur dienen und durch leichten Zug am Periost das Wachstum sehr effektiv anregen. Ein weiterer Grund für frühen Beginn sind vorstehende OK-Frontzähne - wegen der Unfallgefahr. Besteht auch eine skelettale OK-Protrusion, wird ein Headgearbügel in einen Kybernetor eingebaut und zu einem Häubchen fixiert: Dies kann das OK-Wachstum bremsen und die Palatinalebene schwenken.

Ein sich abzeichnender Deckbiss sollte ebenfalls jetzt behandelt werden: Vorkippen und Abstützen der Frontzähne sind essenziell. Eine spätere festsitzende Korrektur ist ebenfalls langwierig, weil man zu den UK-Zähnen erst nach massiven Bewegungen der OK-Zähne kommt. Starker Engstand rechtfertigt frühen Beginn bei starken Rotationen mit parodontalen Problemen - eine Domäne für den elatisch offenen Aktivator. Die Mehrzahl der Zahnspangen werden mit Beginn des Seitzahnwechsels angefertigt, bei Tiefbiss ist das der ideale Startpunkt, weil man die Prämolaren stärker durchbrechen lässt.

Der Sinn des möglichst späten Beginns liegt in einer begrenzten Dauer: Abgeschlossen ist die Regulierung frühestens nach Durchbruch der bleibenden Zähne bis zu den 7ern und dem Hauptwachstumsschub, etwa mit 12, schwankt aber stark. D.h. wir kommen meist auf einen Zeitraum von 3-4 Jahren - das machen die Kinder mit und akzeptieren die meisten Eltern vom Zeit- und Finanzaufwand her.

Auch im späten Wechselgebiss und schon im Wachstumsschub ist noch ein funktionskieferorthopädisches Gerät möglich - es muss allerdings etwa 12 Stunden getragen werden. Ist dies z.B. aus schulischen Gründen nicht möglich, muss man auf Multibandapparaturen ausweichen. Viele Jugendliche empfinden dies als angenehm und „cool". Mit Keramikbrackets sieht so eine Spange ja auch ganz gut aus und ist leicht zu pflegen. Lediglich bei Elastics brauchen wir etwas Disziplin. Ist absehbar, dass nur eine fixe Zahnspange sinnvoll ist, etwa bei manchen Aplasieformen oder extremen Rotationen, soll der Durchbruch der bleibenden Zähne abgewartet werden - mit etwa 12-14 Jahren reichen meist 1-1,5 Jahre festsitzend, gefolgt von einem Haltegerät, meist einem Elastoretainer aus Tiefziehfolie für noch mal so lange.

Zu früh ist eine fixe Spange nicht empfehlenswert - mit etwa acht Jahren entwickelt sich die Lateralität, eine festsitzende Spange kann zu Koordinationsstörungen und Konzentrationsschwäche führen. Kleinere Kinder leiden auch stärker unter Scheuerstellen (Blutwurztinktur hilft). Bei reiner Zahnfehlstellung kann man akzeptieren, wenn die Eltern ein fixes Gerät vorziehen.

Mit den superelastischen NiTi-Drähten kommt es zu keinen Blockaden mehr, sie sind sehr schnell und schmerzarm. Abgesehen von (seltenen) Materialproblemen sind fixe Spangen ausgesprochen problemarm. Allerdings können mehrere Einschubtermine nötig sein: Extrem feste Kleber können zu Schmelzausbrüchen bei der Abnahme führen und finden daher kaum Verwendung. Lockere Brackets verändern die Kraftverteilung und können zu unerwünschten Zahnbewegungen führen. Sie müssen daher umgehend wieder befestigt werden, auch bei weiter Anreise oder Schulstress.
Handelt es sich aber um ein skelettales Problem, soll unbedingt eine Wachstumsregulation erfolgen. Hier bedeutet eine Spätbehandlung eine chirurgische Korrektur, kombiniert mit festsitzender Regulierung. Die Möglichkeiten und Ergebnisse dieser Operationen sind heute großartig, aber natürlich gibt es ein geringes Risiko, Narben und (üblicherweise bleibende) Metallverplattungen. Frühester Zeitpunkt ist nach Abschluss des Hauptwachstums. Das Argument mancher Eltern, dass sie ihren Kindern nicht die Jugend verderben möchten, soll meist die eigene Bequemlichkeit kaschieren.

Dr. Eva-Maria Höller

Kursankündigung
Dr. Eva-Maria Höller
Homöopathie in der Zahnheilkunde: Grundlagen und bewährte zahnärztliche Indikationen

11./12. Juni 2010
ZIV-Büro, 1010 Wien
Gartenbaupromenade 2/8/15

Anmeldung:
Tel. 01/513 37 31
Fax 01/512 20 39
E-Mail: office@zahniv.at

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