Mikrobiell verursachte Erkrankungen Teil 7: Metabolische Erkrankungen und orale Infektionen

Im mittleren und fortgeschrittenen Lebensalter treten vermehrt Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, häufig in Kombination mit metabolischen Erkrankungen wie Hyperlipidämie und Diabetes mellitus Typ II auf. Besonders Letzterer steht in engem Zusammenhang mit einer Gefährdung der oralen Gesundheit. Das Risiko eines Typ-II-Diabetikers an einer schweren Parodontitis zu erkranken, ist gegenüber Nichtdiabetikern um 350% erhöht.

Schlecht eingestellte, erhöhte Blutzuckerwerte beeinflussen auf vielfältige Art und Weise den Gesamtorganismus. Im Gegensatz zum juvenilen Typ I Diabetiker kann beim so genannten Alterdiabetes noch über längere Phasen Insulin gebildet werden, allerdings wird es von den Körperzellen nur noch unzureichend aufgenommen. Es kommt zu schweren Schäden am Gefäßsystem mit den bekannten Folgeerkrankungen der Nieren und Augen sowie zu Durchblutungsstörungen der Extremitäten.

Gingivale Gefäßschäden begünstigen Parodontalkeime
In gleicher Weise werden auch orale Gefäße, vor allem der Gingiva, in Mitleidenschaft gezogen. Durch den erhöhten Blutzuckerspiegel kommt es zur Glycosilierung verschiedener Proteine des Blutes, es entstehen „advanced glycation end products" (AGEs). Parallel steigt auch deren Wert im parodontalen Gewebe an. Die AGEs binden an das Gefäßkollagen und führen dort zu Störungen der Kollagenneubildung und zu irregulären Vernetzungen. In diesem Gerüst lagern sich Lipidmoleküle ein. Die Basalmembran der Endothelien verdickt sich, es kommt zu verstärkten Plaqueablagerungen, das Gefäßlumen wird verengt. Dies alles verschlechtert den Transport von Nährstoffen und vor allem von Sauerstoff im Blut. Die gingivalen Gewebe werden unterversorgt, es werden Voraussetzungen für die Ansiedelung mikroaerophiler und anaerober Keime geschaffen.
Die AGEs binden zusätzlich über spezielle Rezeptormoleküle an Zellen der Immunabwehr, besonders an Makrophagen und stimulieren so die Produktion und Ausschüttung von Entzündungsmediatoren wie IL1 und TNFa. Durch die überschießende Abwehrreaktion wird das körpereigene Gewebe geschädigt. Die Osteoblasten werden gehemmt, Osteoklasten aktiviert, es kommt zum Abbau des Kieferknochens, die Parodontitis wird vorangetrieben.

Das biologische Gleichgewicht zwischen Keimbesiedelung und adäquaten Abwehrmechanismen wird nachhaltig gestört. Zunächst steigt der Anteil parodontalpathogener Keime, besonders der Spezies Prevotella, Porphyromonas und Bacteroides. In der Folge ermöglicht das gestörte Immunsystem auch eine Ansiedelung atypischer Keime, die normalerweise in der Mundhöhle kein Habitat finden. Dazu gehören Enterobakterien, wie Klebsiellen, E. coli sowie Pseudomonaden und koagulasepositive Staphylokokken. Ein erfolgreiches therapeutisches Eingreifen erfordert hier eine breite Abklärung der Keimspektren und ihrer Resistenzen.

Parodotitis als eigenständiger Risikofaktor für Diabetiker
Das Zusammenwirken solcher komplexer Floren führt zu massiven Entzündungen und damit zu raschem Gewebsverlust. Auch akut ulzerierende Gingivitis- und Parodontitisformen kommen beim Diabetiker gehäuft vor. Die beschriebenen parodontalen Probleme treten im Rahmen eines Typ-II-Diabetes relativ früh im Krankheitsverlauf auf. So ist es nicht selten, dass rezidivierende Gingivitiden unklarer Genese ein erstes Hinweiszeichen auf einen noch nicht diagnostizierten Diabetes mellitus II sind. Eine Abklärung der Blutzuckerwerte sollte in solchen Fällen durchaus vom Zahnarzt angeregt werden.

Hinzu kommen assoziierte Probleme, wie erhöhte Glucosewerte im Speichel, Schleimhautödeme und vermehrter Candidabefall, sowohl im Rahmen einer Parodontalerkrankung als auch bei Stomatitis. Studien haben gezeigt, dass Candida-albicans-assoziierte Prothesenstomatitis bei Diabetikern signifikant häufiger als bei Gesunden auftritt.

Da Diabetiker zudem meist im Rahmen des metabolischen Syndroms auch unter Hypertonie leiden und entsprechende Medikamente einnehmen, können deren Nebenwirkungen zusätzlich das orale Zustandsbild beeinflussen. Besonders häufig findet man hier einen mangelnden Speichelfluss mit daraus resultierender Xerostomie. Der Patient klagt über Mund- und Zungenbrennen, Schluckbeschwerden und Mundgeruch. Der Mangel an Speichel und dessen antimikrobiellen Inhaltsstoffen begünstigt zusätzlich bakterielle und fungale Infektionen. Harte Nahrungsbestandteile können durch den Speichelmangel leichter Schleimhautverletzungen hervorrufen, welche wiederum durch die gestörte Wundheilung bei Diabetikern länger persistieren und ihrerseits Nährböden für Keime bilden.

Stoffwechselentgleisung durch parodontale Entzündung
Nun ist die negative Beeinflussung des oralen und vor allem parodontalen Status durch einen bestehenden Diabetes Typ II keine Einbahnstraße. Vielmehr wirkt eine bestehende floride Gingivitis oder Parodontitis ihrerseits erheblich auf den Zuckerstoffwechsel zurück. Die Parodontitis selbst stellt einen erheblichen Risikofaktor für den diabetischen Patienten dar. Durch die bakterielle und fungale Belastung kommt es zu Stoffwechselentgleisungen aufgrund der dadurch hervorgerufenen erhöhten Insulinresistenz. Im Rahmen der Entzündung von Zahnfleisch und Zahnhalteapparat werden vermehrt Akute-Phase-Proteine und Entzündungsmediatoren freigesetzt, es steigen die Plasmaviskosität und die Thrombosegefahr. So haben Diabetiker mit schwerer Parodontitis eine erhöhte Tendenz zu kardiovaskulären Problemen, das Herzinfarktrisiko steigt nach Untersuchungen des Nationalen Instituts für Dentalforschung der USA auf das Doppelte, die Gefahr eines Schlaganfalls auf das Dreifache. Hat der Patient eitrige Abszesse an den Zahnwurzeln oder akut ulzerierende Entzündungen, ist das Risiko zusätzlich noch um ein Vielfaches erhöht. Bei Sanierung der bestehenden Entzündungsherde mittels gezielt antibiotisch unterstützter Parodontaltherapie und entsprechender Verlaufskontrolle reduziert sich der mittlere HbA1c-Wert bis auf 10% der Ausgangslage.

Die zahnärztliche Behandlung des diabetischen Patienten erfordert eine ganzheitliche Sicht und Erfassung der Erkrankung. Nur die gemeinsame Therapie der Stoffwechselstörung und der Entzündung kann hier Erfolg bringen und letztlich auch schwere gesundheitliche Risiken für den betroffenen Patienten mindern.

Ch. Eder, L. Schuder

Mischflora mit Candida