Platz machen für die Jungen

Zwei juristische Ereignisse betreffen ältere ZahnärztInnen: Da ist einerseits ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 12. Jänner 2010. Eine hessische Zahnärztin klagte gegen die schon seit 2003 bestehende Altersgrenze deutscher Krankenkassen und forderte Schadenersatz für den entgangenen Verdienst, seit ihr der Kassenvertrag aus Altersgründen gekündigt worden war. Das Urteil des EuGH ist zwiespältig. Im Verfahren davor wurde nämlich einerseits argumentiert, dass das hohe Alter die Patientensicherheit gefährde, da die Leistungsfähigkeit jenseits des 68. Lebensjahres nachlasse. Das ließ der EuGH nun nicht gelten, vor allem, weil aufgrund der Freiheit der Berufsausübung den Ärzten ohne Kassenvertrag die weitere Tätigkeit nicht verboten werden kann, eine ungleiche Behandlung von Ärzten mit und solchen ohne Kassenvertrag nur aufgrund des Alters wiederum dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht.

Allerdings begründete die deutsche Regierung die Einführung des Höchstalters ganz anders: „Die Entwicklung der Vertragsarztzahl stellt eine wesentliche Ursache für überhöhte Ausgabenzuwächse der gesetzlichen Krankenversicherung dar ... Die Überversorgung kann nicht nur durch Zulassungsbeschränkungen und damit zulasten der jungen Ärztegeneration eingedämmt werden." Und diese Begründung wiederum ist laut EuGH mit den EU-Regeln, speziell mit Artikel 6 Abs. 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie durchaus vereinbar. Mit Berufung auf diesen Artikel stellte der EuGH nun also fest, dass die Altersgrenze durchaus zulässig ist, wenn sie eben mit Arbeitsmarktmaßnahmen begründet wird und nicht mit den nachlassenden Fähigkeiten. Dieses Urteil hilft älteren Kollegen also nicht wirklich, denn alle mit der Materie befassten Juristen wissen nun, wie sie argumentieren müssen, um nicht gegen EU-Richtlinien zu verstoßen.

Kassenverträge
Die zweite juristische Neuerung ist das 4. Sozialrechtsänderungsgesetz 2009, das mit 1. Jänner 2010 in Kraft trat. In diesem wird das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) unter anderem dahingehend geändert, dass in den Gesamtverträgen zwischen Hauptverband und Ärztekammern eine Altersgrenze für Kassenverträge festzusetzen ist, „längstens bis zur Vollendung des 70. Lebensjahrs", sowie Ausnahmen davon für jene Gebiete, in denen eine Unterversorgung droht. Kommt in den Verhandlungen zum Gesamtvertrag keine Einigung zustande, so gilt das Erreichen des vollendeten 70. Lebensjahrs gesetzlich als Kündigungsgrund.

Festgelegte Altersgrenze
Dass im Gesamtvertrag eine Altersgrenze vereinbart werden wird, hält der Kammeramtsdirektor der ÖZÄK, Dr. Jörg Krainhöfner, für unwahrscheinlich, denn das Interesse des Hauptverbands in dieser Frage ist dadurch eingeschränkt, dass ohne Einigung die Grenze von 71 Jahren sowieso kommt (§ 342 ASVG). Allerdings weist er besonders auf die Formulierung in § 343 hin. Dort heißt es nämlich: „Das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragsarzt oder der Vertrags-Gruppenpraxis und dem Träger der Krankenversicherung erlischt ohne Kündigung im Falle ... des Erreichens der jeweils festgelegten Altersgrenze mit Ablauf des jeweiligen Kalendervierteljahrs." Krainhöfner liest daraus, dass alle Kassenärzte jenseits des vollendeten 70. Lebensjahres nicht von der Regelung betroffen sind. Sie können die Altersgrenze gar nicht erreichen, weil sie sie ja schon in der Vergangenheit überschritten haben. Aber bestehende Kassenverträge können nach Meinung Krainhöfners sowieso auch deswegen nicht betroffen sein, da diese juristisch privatrechtliche, auf unbestimmte Zeit geschlossene Verträge zwischen Arzt und Kasse sind und Eingriffe in solche Verträge - dem Grundsatz der Rechtssicherheit folgend - nur mit Zustimmung der Betroffenen möglich sind.
Derzeit ist noch offen, ob die Kassen nun versuchen werden, die rund 70 derzeit aktiven ZahnärztInnen, die älter als 70 Jahre sind, zu kündigen, und ob sich dann ein betroffener Zahnarzt findet, der die Frage für seine Kollegen ausjudiziert. Aller Voraussicht nach wird der- oder diejenige nämlich während des Prozesses keinen Kassenvertrag haben und ihn bestenfalls nach dem langwierigen juristischen Weg zurückerhalten.

Livia Rohrmoser