Hygienemaßnahmen am und für den Patienten

Im Rahmen unserer ca. 10- teiligen Hygieneserie geht es diesmal um jene Maßnahmen, die auf den Patienten individuell abgestimmt werden oder ganz allgemein zu seinem Schutz (vor nosokomialer Infektion) dienen.

(Risiko-)Anamnese
Zur Erfassung möglicher Risiken dient das sogenannte Anamneseblatt, auch als Gesundheitsfragebogen oder Anmeldeformular bezeichnet. Mit seiner Unterschrift bestätigt der Patient das wahrheitsgetreue Ausfüllen. Abhängig vom Aufbau bedingen alle mit „ja" beantworteten Fragen im anschließenden Anamnesegespräch weitere Erläuterungen. Die abschließende extra- und intraorale Befundaufnahme dient zur medizinischen (hier: hygienerelevanten) und juristischen Absicherung des Zahnarztes. Ziel dieser dreistufigen Vorgangsweise ist das Erkennen von Patienten, von denen ein Infektionsrisiko ausgeht (z.B. HBV, HCV, HIV, TBC) oder die einem erhöhten Infektionsrisiko unterliegen (z.B. Immunsuppression, Endokarditisrisiko usw.).

Die bei der Erstkonsultation vom Patienten gemachten Angaben sind in regelmäßigen Abständen auf ihre Aktualität zu überprüfen. Das Intervall legt der Zahnarzt fest - in der Regel ein Jahr. Zum Anamnese-Refreshing eignet sich z.B. eine Allonge oder auf der Rückseite des Anamneseblattes ein entsprechender Vordruck. Stellt sich bei der Besprechung des zuletzt ausgefüllten Formulars heraus, dass eine Änderung eingetreten ist, erhält der Patient einen neuen Fragebogen.

Prophylaktische, orale Antiseptik
Zur kurzfristigen Anwendung und effektiven Keimreduktion bietet sich eine Mundspüllösung z.B. auf Chlorhexidin-Basis in 0,1-0,2-prozentiger Lösung an. Die Mundhöhlen-Antiseptik wird generell vor zahnärztlicher Behandlung von Patienten mit einem erhöhten Infektionsrisiko empfohlen. Gleiches gilt auch bei allen übrigen Patienten, bei denen ein zahnärztlich-chirurgischer Eingriff mit nachfolgendem speicheldichten Wundverschluss erfolgt.

Im Rahmen der Mundhygiene wird vor der Behandlung häufig eine Mundspülung angeboten. Darüber hinaus empfiehlt es sich, bei epidemischem Auftreten von Influenza und grippalen Infekten zum Schutz des Patienten und des Behandlungsteams generell eine keimreduzierende Mundspülung vornehmen zu lassen.

Antientzündliche und antiinfektiöse Behandlung
Unabhängig von der Mundhöhlen-Antiseptik kann eine sogenannte Abschirmung oder eine perioperative Antibiotikaprophylaxe angezeigt sein. Beim ambulanten Operieren kommt eine Desinfektion der den Mund umgebenden Areale infrage. Diese Maßnahme soll eine Verschleppung patienteneigener Keime in die Wunde während des Eingriffes vermeiden helfen. Gleichfalls bietet sich eine sterile Abdeckung des Operationsfeldes an.

Vermeidung von Kreuzkontamination
Im Vordergrund steht die Verwendung reiner/keimarmer Einmalprodukte: Dazu zählen staub- und aerosolgeschützt gelagerte Produkte wie z.B. Patientenumhänge und -servietten, Einmalbecher, Speichelsauger, Ansätze für die Mehrfunktionsspritzen, Kopfschutztaschen, Einmaltücher aus Papier, Schutzhüllen und ggf. Einweginstrumente zur Behandlung bekannt infektiöser Patienten.
Kontrovers diskutiert wird der Einsatz von sterilen Wurzelkanalinstrumenten (WKI) zum Einmalgebrauch. Argumente, die dafür sprechen, lauten: 1. Beim Bezug von unsterilen WKI muss vor deren Einsatz eine komplette Aufbereitung durchgeführt werden. 2. Der Hersteller ist verpflichtet, die Anzahl der möglichen Wiederaufbereitungen in der Gebrauchsanweisung vorzugeben. Die Praxis ist dazu verpflichtet, die WKI oder den Ständer zu kennzeichnen, damit die bisher durchgeführte Anzahl der Wiederaufbereitungen ersichtlich ist. 3. Letztendlich ist die Aufbereitung von WKI nach dem Stand von Wissenschaft und Technik vermutlich teurer als die Anschaffung eines neuen sterilen Einmalinstruments.

Ebenfalls Uneinigkeit herrscht zum Thema sterile Mulltupfer in Großpackungen. Einmal geöffnet, kann nur mehr von einem keimarmen Inhalt gesprochen werden. Lösungsansatz: Einkauf einer Großpackung mit unsterilen Tupfern und Abfüllung in kleine Klarsichtbeutel à 3-4 Stück mit anschließender Sterilisation im Dampfsterilisator (Typ B). Ähnlich verhält es sich bei den Papierspitzen. Hier bieten sich konfektionierte, sterile Nesterpackungen an.

Bei invasiven Maßnahmen an immunsupprimierten Patienten sollten sterile OP-Handschuhe und sterile Schutzkleidung zur Anwendung kommen. Bei allen übrigen Patienten empfiehlt sich bei massiven zahnärztlich-chirurgischen/oralchirurgischen Eingriffen die Verwendung von sterilen OP-Handschuhen, sterilen chirurgischen Absaugkanülen, sterilen Tupfern sowie steriler Kochsalzlösung.

Mehr Beachtung könnten die folgenden „Randthemen" und Empfehlungen finden:
Desinfektionstücher mit Hautzulassung für Patienten mit kontaminierten Händen (z.B. nach Entnahme der Prothese aus dem Mund, Halten des Films oder Sensors im Mund), Verwendung von Schalen zur Ablage der aus dem Mund des Patienten entnommenen Prothese und Aufbereitung der Schale. Schwebetrays (im Aerosolkegel) sollten nicht permanent mit verpackten (z.B. Spender für Watterollen und -kügelchen, Kappengläser) oder unverpackten (z.B. Bohrerständer, Artikulationspapier, Dappenglas mit Vaseline) Hilfsmitteln/Verbrauchsmaterial bestückt sein.

Minimierung der Übertragungsgefahr
Bei akuter Erkrankung: Krankmeldung bzw. Tätigkeit am Patienten einstellen. Bei banalen Infekten, welche die Arbeitsfähigkeit nicht beeinträchtigen, sollte persönliche Schutzausrüstung (zum Schutz des Patienten) getragen werden.

In der nächsten Ausgabe behandeln wir das Thema „Hygienemaßnahmen des Behandlungsteams".

Rudolf Bohrer und Dr. Peter Wallner

Hygienemaßnahmen schützen Arzt und Patient