Amortisation ? Schein und Sein Teil 4: In der Mitte des Berufslebens

Die angenommene Mitte des Berufslebens ist eine gute Gelegenheit, einmal Bilanz zu ziehen. Schon vor Jahren hat man die Mühen der Existenzgründung hinter sich gebracht, und es ist anzunehmen, dass die einschlägigen Schulden bereits abbezahlt sind.

Unstrittig ist, dass sich die Rahmenbedingungen für die zahnärztliche Berufsausübung in den letzten zwei Jahrzehnten dramatisch verschlechtert haben. Es beginnt schon einmal damit, dass die Anzahl der in freier Praxis tätigen KollegInnen stark angestiegen ist, woraus eine immer stärker werdende Konkurrenz im Inland resultiert. Aber auch das - vorwiegend östliche - Ausland tut alles dazu, uns PatientInnen abspenstig zu machen. Dumpingpreise und unlautere Werbemethoden verlocken zehntausende Österreicher dazu, sich im Ausland „sanieren" zu lassen, was immer das dann letztlich auch bedeuten mag.

Und um die Situation noch weiter zu verschärfen, haben sich EU und nationale Behörden eine Fülle von Gesetzen und Verordnungen einfallen lassen, die uns das Leben schwer machen. Manche davon sind berechtigt, denken wir z.B. an Entsorgungsvorschriften, andere wieder-um, wie z.B. sinnlos überbordende Dokumentationspflichten, sind reine Schikanen. Da wir ZahnärztInnen Einzelkämpfer sind, also nicht so homogen auftreten wie z.B. die Lehrer, und es außerdem schwerste Defizite in unserer standespolitischen Öffentlichkeitsarbeit gibt, ist irgendeine Unterstützung von Öffentlichkeit und/oder Politik nicht zu erwarten.

In die Jahre gekommen
Und nun werfen wir einmal einen Blick auf bzw. in unsere Ordination: Manches haben wir bereits erneuert, aber anderes ist bereits in die Jahre gekommen. Wäre es nicht einmal an der Zeit, die ganze Ordination durchgreifend zu modernisieren? Nun, von der Sache her spricht rein gar nichts dagegen: Neueinrichtung sämtlicher Behandlungsräume, der Technik und des Wartezimmers, Ersatz aller Fußböden, Tausch des einen oder anderen Gerätes - zu diesem Thema fällt uns also allerhand ein.

Dem rein sachlichen „ja" folgen aber unweigerlich finanzielle Erwägungen auf dem Fuß. Denn sämtliche Ideen in die Tat umzusetzen, würde eine erhebliche finanzielle Belastung für unseren Kleinbetrieb bedeuten. Beachten wir den seltenen Fall, dass Sie nämlich so stinkreich sind, dass Ihnen das vollkommen egal sein kann, nicht weiter und widmen wir uns der Mehrheit der Kollegenschaft, die sich ihr Geld schon ein wenig einteilen, bzw. überlegen muss, welche neue Kreditverpflichtungen sie im mittleren Lebensalter noch bereit ist, einzugehen.

Ordinationsverkauf
Ein Blick auf die Umsatzentwicklung der letzten Jahre zeigt, dass der Umsatz in den meisten Fällen nicht gestiegen, ja sogar häufig etwas gesunken ist. Wie für fast alle arbeitenden Menschen werden eben auch für uns die Zeiten schlechter, und diesem Faktum können auch Sie sich nicht verschließen. Noch ist die Zeit der Niederlegung fern, aber trotzdem lohnt es sich schon jetzt, auch darüber ein wenig nachzudenken. Obwohl es von Bundesland zu Bundesland unterschiedliche Niederlegungsrichtlinien gibt, ist die Gesamt-entwicklung diesbezüglich auch alles andere als erfreulich. Wir können mit 100%iger Sicherheit davon ausgehen, dass wir unsere Ordination am Berufsende nicht so „verkaufen" können, wie das die KollegInnen früherer Zeiten noch konnten. Obwohl wir noch vergleichsweise jung sind, müssen wir daher auch dieses Faktum in unsere Überlegungen miteinbeziehen. Denn wer garantiert uns außerdem, dass wir bis zu unserem geplanten Pensionsantrittsalter auch wirklich gesund bleiben? Ein behinderter Rechtsanwalt, um nur ein Beispiel zu nennen, mag ein toller Anwalt sein, aber was ist, wenn uns ein derartiger Schicksalsschlag trifft?

Doch selbst wenn wir bis zum Regelpensionsalter tätig sein können, was erwartet uns dann wirklich? Eine für unsere Planstelle ausgewählte Nachfolge-„Zwangs"-KandidatIn und mit großer Sicherheit horrende Abfertigungszahlungen für langgediente MitarbeiterInnen, die noch in die „Abfertigung alt" fallen. Was sonst noch? Wir wissen es nicht. Nur das, dass die Bedingungen dann noch wesentlich schlechter sein werden, als sie heute schon sind. Denn glaubt irgendjemand im Ernst, dass die Niederlegungsrichtlinien jemals wieder zu unseren Gunsten verbessert werden?

Die nächste Frage, die sich unweigerlich stellt, ist die nach der Amortisationsmöglichkeit des geplanten Investitionsvorhabens. Die Preiskalkulation für Kassenleistungen ist uns ja aus der Hand genommen. Wir sind gezwungen, Vertragsleistungen zu nicht kostendeckenden Tarifen zu erbringen, und nicht nur das. Kos-tensteigerungen durch ständig verbesserte Materialien werden uns durch den Kassenvertrag in keiner Weise abgegolten. Es kommt der Tag - und er kommt sehr bald - da wir gezwungen sind, dieser bedauerlichen Tatsache in vollem Umfang Rechnung zu tragen, mit allen Folgen für die Sozialversicherten.

Einen Mercedes um den Preis eines Mopeds zu fordern, würde auch im Kfz-Handel nicht funktionieren. Amortisation jedweder Investition durch Kassenleistungen - diese Idee werden wir wohl auf Dauer vergessen können! Die Kardinalfrage ist daher, ob der schon vorhandene bzw. zu erwartende Privatumsatz imstande ist, alleine für die notwendige und relativ kurzfristige Amortisation zu sorgen.

Amortisationsrechnung
Genau in diese Kerbe schlagen seit längerer Zeit diverse Beratungsunternehmen, die Sie und Ihre Ordination in verkaufspsychologischer und wirtschaftlicher Beziehung so richtig „fit" machen wollen. Sollten Sie geneigt sein, derartige „Berater" zu engagieren, müssen Sie die Kosten, die diese Herrschaften verursachen, auch gleich in die große Amortisationsrechnung miteinbeziehen. Wie Sie lese auch ich häufig die diversen Ergüsse dieser selbsternannten Gurus, und es wundert mich immer wieder, wie gut sie über unseren Beruf Bescheid wissen bzw. Bescheid zu wissen glauben. Vor allem die Art der „Psychologie", die sie anbieten, hat einen ziemlich üblen Geruch. Überspitzt formuliert könnte man meinen, sie wollen uns beibringen, dem Patienten alles mögliche Teure anzudrehen - zu seinem „Besten" natürlich.

Investitionsgedanken müssen aber natürlich nicht nur die bestehende Ordinationseinrichtung betreffen. Man könnte z.B. auch daran denken, das Therapieangebot zu erweitern. Sollten dazu größere Investitionen nötig sein, muss natürlich auch darüber nachgedacht werden, ob man für die neuen Therapieformen das richtige Patientengut entweder schon hat oder akquirieren kann. Letzteres könnte wiederum, wenn überhaupt möglich, mit erheblichen Werbekosten verbunden sein. Geld, das natürlich vorgestreckt sein will, ohne Garantie, ob man es je zur Gänze wiedersieht!

Kostenwahrheit
Ganz wichtig ist auch eine Überprüfung der derzeit anfallenden Kosten: Ist z.B. der Personalstand noch zeitgemäß oder stammt die Zahl der MitarbeiterInnen noch aus einer besseren Vergangenheit? Könnte man nicht auch mit einem reduzierten Mitarbeiterstand das Gleiche leisten? Kaum etwas ist in Österreich so teuer wie die menschliche Arbeitskraft. Und da meine ich durchaus nicht die 14 Nettogehälter, die eine gute Kraft zweifellos wert ist, sondern die geradezu irrwitzigen Lohnnebenkosten. Die zumeist vor Wahlen immer wiederkehrenden Versprechungen von Politik und Wirtschaftskammerbonzen, sich für eine Senkung derselben einzusetzen, sind nichts als hohles Gequatsche. Keiner dieser Kapazunder ist z.B. jemals auf die Idee gekommen, gerade in der Krise zwar bei 14 Gehältern zu bleiben, jedoch die dazugehörigen Nebenkosten auf 12 zu reduzieren. Oder kennen Sie etwa jemanden, der 14 Monate im Jahr krank ist? Aber um das zu ermöglichen, müsste man womöglich noch eine Verwaltungsreform machen, und da sei Gott vor!

Beim Zahntechniker zu sparen, halte ich für keine gute Idee. „Billige" technische Arbeiten können sich letztlich als sehr teuer erweisen, wenn im Zuge mannigfach auftretender Probleme der eigene gute Ruf flöten geht. Und Qualität ist ja gerade das, was die Patienten von uns wollen, die nicht ins Ausland zur „Sanierung" fahren!

Persönlich glaube ich nicht, dass die derzeitige Krise schnell vorbeigehen wird. Die Regierungen haben versucht, der Krise mit diversen wahnwitzigen „Geldspenden" gegenzusteuern. Die Rechnung dafür wird uns allen präsentiert werden. Und wenn es darum geht, Menschen auszuplündern, schielen unsere Volksvertreter seit jeher auf den leistungsbereiten Mittelstand, der eine ideale, weil weitgehend wehrlose Melkkuh darstellt. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand: Nur die steinreiche KollegIn sollte in Zeiten wie diesen in großem Umfang investieren. Alle anderen dürften mit einer Strategie am besten fahren, die man am ehesten mit „qualitätsbewusster Defensive" umschreiben könnte.

Dr. Peter Standenat