Aufklärung: Mangelnde Erfahrung ist kein Thema

Eine aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zur Frage, ob Ärzte auf ihre „mangelnde Erfahrung" bei vereinbarten Behandlungsmethoden hinweisen müssen.

Interessant an dieser Entscheidung des Höchstgerichtes ist, dass die Aufklärungspflicht nicht - wie sonst so oft - auch auf den Bereich der ärztlichen Erfahrung ausgedehnt wurde, sondern hier eine klare Aussage zu finden ist, dass Ärzte ihre Patienten nicht (auch noch) darüber aufklären müssen, wie oft sie die vereinbarte Behandlung (z.B. Setzen eines Implantates) bereits durchgeführt haben, es sei denn, der Patient fragt explizit danach. Für den OGH ist es ausreichend, dass der Arzt nach den ärztegesetzlichen und ausbildungsrechtlichen Vorgaben zum Durchführen der Behandlung berechtigt ist.

Laparoskopischer Eingriff
Im Sachverhalt unterzieht sich der Patient (hier Kläger) einem medizinisch indizierten, laparoskopisch begonnenen operativen Eingriff. Die chirurgische Abteilung der Krankenanstalt ist ein Zentrum für Dickdarmerkrankungen. Der Oberarzt, der den Kläger operierte, hatte zuvor etwa 200 Dickdarmoperationen, darunter fünf laparoskopische Darmresektionen, und viele andere laparoskopische Eingriffe durchgeführt. Seine Entscheidung zum laparoskopischen Eingriff am Kläger war aufgrund seiner Erfahrung, auch in Anbetracht des Umstands, dass man die Technik erst nach 40 bis 50 gleichartigen Eingriffen vollkommen beherrscht, aus medizinischer Sicht gerechtfertigt.

Bereits sechs Wochen vor der Operation hatte der Oberarzt dem Kläger, der sich über die Operationsmethoden schon informiert hatte und laparoskopisch operiert werden wollte, diese Methode und einen möglichen intraoperativen Verfahrenswechsel zur Laparotomie erklärt, ohne ihn über die Anzahl der von ihm laparoskopisch durchgeführten Operationen zu informieren. Bei der Operation traten Komplikationen (Nachblutungen) auf, der Patient musste reoperiert werden; die Laparoskopie selbst aber wurde lege artis durchgeführt. Der Patient begehrte 30.000 Euro Schadenersatz. Die Ärzte hätten den Kläger nicht über die Risiken der Laparoskopie aufgeklärt, in deren Kenntnis sich der Kläger für die konventionelle Methode (Laparotomie) entschieden hätte. Der Oberarzt habe den Kläger überdies nicht auf seine mangelnde Erfahrung mit der beabsichtigten Operationsmethode hingewiesen. Der Beklagte wendete ein, auch nach ausführlicher schriftlicher und mündlicher Aufklärung über die konventionelle und die laparoskopische Chirurgie durch den Abteilungsleiter habe der Kläger jedenfalls laparoskopisch operiert werden wollen.

Der OGH wies die Klage ab. Den Ärzten ist kein Aufklärungs- bzw. Behandlungsfehler vorzuwerfen. Den Vorwurf des Patienten, dass der Operateur erst fünf laparoskopische Dickdarmoperationen selbst durchgeführt habe und erst nach 40 bis 50 gleichartigen Eingriffen davon ausgegangen werden könne, dass ein Operateur die spezielle Operationsmethode vollkommen beherrsche, lässt der Oberste Gerichtshof nicht gelten. Das Funktionieren des öffentlichen Gesundheitswesens setzt voraus, dass die Wahlmöglichkeit des Patienten in Bezug auf die Person des ihn behandelnden Arztes in gewissem Maß eingeschränkt wird. Es kann nicht jeder Patient darauf bestehen, nur von jenem Arzt operiert zu werden, der die größte Erfahrung oder sonst die allerbesten Voraussetzungen für ein geringstmögliches Operationsrisiko aufweist.

Mag. Eugenie Kotschy

Info:
Haslinger (Probleme der ärztlichen Aufklärung und Patienteneinwilligung, AnwBl 1994, 866 [871])
Juen (in Arzthaftungsrecht² 115)
ABGB §1299 B
Vgl. auch Oberster Gerichtshof:
1 Ob 138/07m