Ein Gespräch mit Prof. Dr. Gerwin Arnetzl. Er ist seit knapp 25 Jahren an der Grazer Zahnklinik tätig. Seit 1995 ist er Leiter der Arbeitsgruppe „Festsitzende Prothetik, restaurative Zahnheilkunde und Adhäsivrestaurationen". „In meiner Anfangszeit war Graz eine Hochburg der Goldguss-Restaurationen; es wäre ein Sakrileg gewesen, etwas anderes zu verwenden", erinnert sich Arnetzl. Insofern sei der Siegeszug der Vollkeramik-Restaurationen zweifellos eine spektakuläre Entwicklung gewesen, so der Experte.
Zu beachten ist, dass die Präparation gänzlich anders als bei anderen Materialien zu erfolgen hat, eben keramikgerecht. Mein Sohn und ich haben dazu einen neuen Präparationsleitfaden verfasst, der bei der Firma Vita erhältlich sein wird. Zweitens muss industriell gefertigte, hoch verdichtete Keramik verwendet werden. Und drittens muss eine adhäsive Befestigung erfolgen. Vollkeramik besitzt eine doppelt so hohe Festigkeit, wenn sie adhäsiv und nicht mittels Phosphatzement befestigt wird. Es ist für mich unverständlich, wenn Firmen sagen, dass hochmoderne Vollkeramik mit Phosphatzement befestigt werden kann. Das ist nicht materialschlüssig und wäre so, wie wenn man einen Ferrari California mit 15-Zoll-Stahlfelgen ausrüsten würde - einfach nicht kompatibel. Dementsprechend haben Untersuchungen gezeigt, dass z.B. die Fünf-Jahres-Überlebensrate von Procera-Kronen um ein Drittel geringer ist, wenn Phosphatzement verwendet wird. Generell ist es wichtig, den gesamten Workflow präzise und exakt zu gestalten; das ist von größerer Bedeutung als die Suche nach dem besten keramischen Material. Werden Kompromisse eingegangen und wird an irgendeiner Stelle Zeit gespart, leidet das Gesamtsystem. Wie sehen die Erfahrungen mit Vollkeramikbrücken aus? Veneers oder Bleichen? Was würden Sie antworten? Sie haben bei einem unserer letzten Gespräche beklagt, dass die Fortbildung von Zahnärzten und Zahntechnikern auseinanderdriftet. Gab es hier Verbesserungen? Wie sehen Ihre Erfahrungen im Bereich der Gerostomatologie aus? Sehr alte Menschen haben in ihrer Jugend nichts von Prophylaxe gehört, und dem Pflegepersonal und den Angehörigen ist der Zusammenhang zwischen Parodontitis und Allgemeinerkrankungen wie etwa COPD oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht bekannt. Pflegende wissen, dass das Vermeiden von Dekubitalgeschwüren sehr wichtig ist, dass aber eine generalisierte Parodontitis einem handtellergroßen Dekubitalgeschwür entspricht, ist nicht bekannt. Dabei weiß man heute, dass sich Keime aus dem Mundbereich in den Atheromen von Herzkranz-, Nieren- und Hirnarterien finden. Es scheint, dass aus der Mundhöhle verschleppte Keime Kristallisationskerne für Ablagerungen in den Gefäßen darstellen. Erwähnt sei auch eine aktuelle Studie, wonach an einer herzchirurgischen Station die postoperative Sterberate durch eine professionelle Desinfektion der Mundhöhle von 6,5 auf 1,5 Prozent gesenkt werden konnte. Die Grazer Zahnklinik bietet mittlerweile ein eigenes Curriculum „Gerostomatologie" an, das auch Pharmakologie, Physiologie, Gerontologie und Innere Medizin umfasst. Heuer schließt der zweite Lehrgang im Rahmen des Österr. Zahnärztekongresses ab, die Absolventen erhalten ein schildfähiges Diplom der Zahnärztekammer. Gibt es in der nächsten Zeit eine Veranstaltung, auf die Sie besonders hinweisen wollen? Herzlichen Dank für das Interview! |
Prof. Dr. Gerwin Arnetzl
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