Interview mit Dr. Michaël Smulders

Sekretär der Europäischen Gesellschaft für Mikroskopzahnheilkunde (ESMD)

Wie ist das Gesundheitssystem in den Niederlanden?
SMULDERS
: Alle niederländischen Bürger müssen eine „Basiskrankenversicherung" haben. Bis zum 22. Lebensjahr werden die Kosten für Zahnbehandlungen von dieser übernommen. Danach wird nur noch Oralchirurgie von der Basisversicherung übernommen und wenige Spezialfälle wie multiple Nichtanlage von Zähnen. Alle anderen Behandlungen muss der Patient selbst zahlen oder seine private Zusatzversicherung. Die Honorare werden vom Staat in Abstimmung mit der Zahnärztekammer und den Versicherungen festgelegt und sind daher in den gesamten Niederlanden gleich, egal wo der Zahnarzt arbeitet, wie die Praxis ausgestattet ist und welche Qualität die Behandlung aufweist.

Derzeit sind 10.300 Zahnärzte in den Niederlanden gemeldet; da eine enorme Nachfrage nach Zahnbehandlung herrscht, hat die Regierung in den vergangenen Jahren erlaubt, dass kleine Eingriffe von Prophylaxeassistentinnen übernommen werden können (unter Aufsicht des Zahnarztes). Assistentinnen sind berechtigt, Prophylaxe, Röntgenbilder und Abdrücke vorzunehmen.

Ist Vergrößerung ein reines Hobby oder lässt sich damit auch Geld verdienen?
SMULDERS: Ausschließlich für Wurzelbehandlungen dürfen niederländische Zahnärzte Mikroskopbehandlungen verrechnen (69,20). Daher ist die Verwendung von Mikroskop bzw. Lupe bei anderen Eingriffen ein reines Hobby!

Welche Vergrößerung verwendest du und warum?
SMULDERS: Das hängt gänzlich von der Art der Arbeit ab. Für eine Kontrolle verwende ich gewöhnlich 3-fache Vergrößerung, damit ich viele Zähne sehe und eine hohe Schärfentiefe habe. Für restaurative und prothetische Arbeiten verwende ich 5- bis 8-fache Vergrößerung, mit der Möglichkeit nur zwei bis drei Zähne zu sehen, dafür mit wesentlich höherer Genauigkeit. In der Endodontie und zur Diagnose von Rissen im Zahn verwende ich 13-bis19-fache Vergrößerung. Bei 19-facher Vergrößerung sieht man die größten Details, aber wegen der geringen Tiefenschärfe kann man damit nicht lange arbeiten.

Du bist Sekretär der ESMD. Wie kam dir die Idee für den ersten Kongress und was sind eure Ziele für die Zukunft?
SMULDERS: Die Idee, die ESMD (european society of microscope dentistry) zu gründen enstand im Herbst 2006 im Rahmen des AMED (academy of microscope dentistry) Kongresses in Tucson, Arizona. Teilgenommen haben unter anderem vier Holländer: Hidde Doornbusch, Kasper Veenstra, Richard Veldhuis und ich. Aus Belgien war Philippe van Audenhove anwesend. Wir fünf entschieden, vielleicht unter dem Einfluss von ein paar köstlichen Margarita-Cocktails, die Europäische Gesellschaft für Mikroskopzahnheilkunde zu gründen. Zurück in Europa, haben wir sofort mit der Planung des ersten Kongresses begonnen. Hidde wurde Präsident, Richard Kassier und ich Sekretär. Es ist sehr traurig, dass Hidde 2007 verstorben ist. Philippe wurde der nächste Präsident. Letzten September fand der erste Kongress der ESMD („Sehen oder nicht sehen") statt und war mit über 230 Teilnehmern aus der ganzen Welt, herausragenden Sprechern, Workshops und Hands-on-Kursen ein riesiger Erfolg.

Die Ziele der ESMD sind einerseits die Organisation eines „mikroskoporientierten Kongresses" alle zwei Jahre und andererseits, die Anwendung von Mikroskopen sowohl bei der Ausbildung als auch in den Praxen sämtlicher Fachgebiete zu fördern. Die ESMD möchte einen engen Kontakt zwischen allen Mikroskopanwendern in Europa, unabhängig davon, ob sie über viel oder wenig Erfahrung verfügen, herstellen.

Welche Voraussetzungen sollte ein Zahnarzt mit bringen, um vom nächsten ESMD-Kongress zu profitieren, und wann wird dieser sein?
SMULDERS: Der nächste ESMD-Kongress wird vom 16. bis 18. September 2010 in Vilnius (Lettland) stattfinden. Das Thema ist „Seeing is believing" und es wird, wie beim ersten Kongress 2008, Sprecher, Workshops und Hands-on-Kurse auf hohem Niveau geben mit der zusätzlichen Möglichkeit, am Mikroskop zu arbeiten. Wir werden über fast hundert Tischmikroskope in Vilnius verfügen. Es gibt Platz für 400 Teilnehmer - also warum soll es nicht unser Ziel sein, dass es auch 400 Teilnehmer werden! Wir möchten alle Dentalmikroskophersteller auf diesem Kongress haben und gleichzeitig ein interessantes Freizeit- und Partnerprogramm anbieten. Nähere Informationen über den Kongress in Vilnius gibt es unter www.esmd2010.com

Wird es in der Zukunft notwendig sein, die Lupe oder ein Mikroskop zu verwenden, um ein erfolgreicher Zahnarzt in Europa zu sein?
SMULDERS: Die Zahnheilkunde hat sich in den letzen Jahren verändert. Minimal invasive Behandlungen erfordern neben speziellen Fertigkeiten und Ausstattungen eine gewisse Art von Vergrößerung. Ohne Vergrößerung wird es immer schwieriger, einen hohen Standard von Zahnheilkunde zu erreichen.

Wie lange arbeitest du schon mit Vergrößerung?
SMULDERS: Nach meinem Studium habe ich drei Jahre in der Schweiz gearbeitet. 1988 habe ich zum ersten Mal während eines Kurses mit einer Lupenbrille gearbeitet. Davon war ich dermaßen überzeugt, dass ich danach angefangen habe, mit einer Lupenbrille zu arbeiten. Nach meiner Rückkehr in die Niederlande habe ich dann eine Lupenbrille mit Licht gekauft. Das war eine wesentliche Verbesserung dank der besseren Ausleuchtung, aber immer noch kein schattenfreies Licht, was sich vor allem bei den endodontischen Behandlungen bemerkbar macht. Seit 2004 arbeite ich mit dem Mikroskop. Am Anfang nur für Wurzelbehandlungen. Mitte 2005 gab Wayne Remington einen Mikroskopkurs in meiner Praxis und überzeugte mich, das Mikroskop auch bei anderen Behandlungen einzusetzen. Seitdem benutze ich das Mikroskop bei 70% meiner Behandlungen.

Vielen Dank für das Interview!
Das Gespräch führte DDr. Klaus Kotschy

Dr. Michaël Smulders, Sekretär der Europäischen Gesellschaft für Mikroskopzahnheilkunde (ESMD)