Leserbriefe

Zu ZMT 5/09 Amortisation

Der Beitrag von Dr. Standenat in der Zeitung ZMT Ausgabe 5 über die ökonomische Situation unseres Berufsstandes hat mich sehr beeindruckt. Ich finde es sehr gut, dass dieses Thema aufgegriffen wird, da es alle betrifft, obwohl die wenigsten Kollegen zugeben wollen, dass es ihnen wirtschaftlich wesentlich schlechter geht als noch vor einigen Jahren. Ich bin zu lang in der Praxis, als dass mir noch irgendwer etwas vorflunkern kann. In Vieraugengesprächen wird dann ja zugegeben, dass die guten Zeiten vorbei sind. Aus diesem Grund sind der Fantasie bedauerlicherweise keine Grenzen gesetzt, wenn es darum geht, Patienten zu keilen oder Kollegen auszutricksen.

Ich selbst habe ganz am Anfang meiner Selbstständigkeit noch den Ausklang des Goldenen Zahnarztzeitalters miterleben dürfen. Da waren Patienten noch ohne größere Diskussionen einsichtig für Behandlungen und bereit, für bessere Versorgungen Zuzahlungen zu leisten. Aber die Spirale hat sich konstant nach unten gedreht, und in den letzten fünf Jahren ist dies galoppierend vor sich gegangen. Ich sehe dafür viele Gründe.

Zum einen ist die Zahl der niedergelassenen Zahnärzte vor allem in den Ballungszentren rapid angestiegen. Ich habe das statistische Zahlenmaterial von 2008 ausgewertet, wie viele Patienten in Innsbruck Stadt auf einen niedergelassenen Zahnarzt kommen: ohne Berücksichtigung der Pendler und rein auf die Einwohnerzahl begrenzt sind das 978. Die Konkurrenz durch die Ambulatorien der TGKK und der VA sowie die Klinik wurde hier nicht berücksichtigt. Dies würde die Zahl noch weiter nach unten verschieben. Zum Vergleich: Im Bezirk Landeck kommen auf einen Niedergelassenen 2.766 Patienten. Offenbar läuft hier in Bezug auf die Niederlassungsberatung der Studienabgänger etwas schief.

Ein weiteres Problem sehe ich im nicht nur mangelnden, sondern sogar fehlenden Zusammenhalt der Zahnärzteschaft, in ihrem Festhalten am Einzelkämpfertum, das sie nicht über die Grenzen ihrer Ordinationen hinaussehen lässt. Man möge sich ein Beispiel an der Lehrerschaft nehmen, was diese durch ihren unglaublichen und höchst bewundernswerten Zusammenhalt, den sie nach außen hin eindrucksvoll und vehement vertreten hat, für ihren Berufsstand erreichen bzw. abwehren konnte. Dies ohne Angst vor den Medien, die ihnen wahrlich nicht immer wohl gesonnen waren. Eine ehrliche und offene Umgangsweise der Zahnärzteschaft untereinander würde auch uns sicher manches erleichtern. Es ist keine Schande einzugestehen, dass die Gewinne schmäler geworden sind, was wenig bis nichts mit dem fachlichen Können des Einzelnen zu tun hat.

Die finanziellen Anforderungen an den zahnärztlichen Betrieb sind in den letzten Jahren in die Höhe geschnellt, und es summieren sich die Ausgaben für Hygiene, Entsorgungen, E-Card, Röntgenstandards etc. bei eigentlich stagnierenden Kassentarifen. Es ist schön zu wissen, dass es anderswo, wie z.B. in Schweden, wesentlich höhere Tarife gibt, nur haben wir Betroffenen hier leider keinen Vorteil durch diese Feststellung. Uns nur vor Augen zu halten, wie gut es andere Kollegen haben, grenzt schon fast an Zynismus. Aber ich will hier nichts unterstellen und will auch nicht ungerecht gegenüber unseren Vertretern sein, die sicher ihr Bestes geben bei dem Versuch, diesem bankrotten Österreich Geld für die Aufrechterhaltung der zahnärztlichen Versorgung abzuringen. Geld für Verschrottungsprämien ist ja vorhanden: Könnten wir da nicht auch alte Prothesen oder Brücken verschrotten?

Großbetriebe werden unterstützt, um Arbeitsplätze zu sichern. Dabei ist es dem einzelnen Arbeitnehmer wahrscheinlich egal, ob er als Angestellter eines maroden Großbetriebes oder einer kleinen, unbedeutenden Zahnarztpraxis arbeitslos wird. Es wird nur in den Medien anders dargestellt.

Nun bin ich beim nächsten Punkt angelangt, der Rolle der Medien. Insbesondere in den letzten paar Jahren wurde die Bevölkerung geradezu infiziert von dem Gedankengut, mündige Patienten zu sein, alles zu hinterfragen, keinem Arzt mehr zu glauben, sich weitere Meinungen einzuholen, bis man endlich die hat, welche gerade ins Konzept passt. Wenn der Erfolg der Behandlung dann doch nicht so recht gegeben ist, soll man den Arzt sofort verklagen, denn er hat zu wenig aufgeklärt. Für jede Amalgamfüllung muss man sich jetzt als Behandler rechtfertigen, warum und wieso eine Füllung nötig ist, wenn der Patient noch keine Schmerzen hat. „Der will doch nur Geld mit mir machen, um seine Yacht zu finanzieren", so der Tenor, den die Patienten durch die Medien eingebrannt erhalten. Wenn man ihnen aber den Tarif nennt, den wir für so eine Füllung von der Krankenkasse erhalten, kommt oft ganz kleinlaut die Frage, ob es denn überhaupt möglich sei, mit so wenig Geld einen Betrieb zu führen. Ist es auch nicht, und darum muss querfinanziert werden, und zwar durch Privatleistungen und nicht durch Steuergelder. Jeder andere Betrieb würde mit Einnahmen in Höhe der Kassentarife allein wahrscheinlich fahrlässige Krida begehen. In welcher anderen Branche kommt es vor, dass Fremdkosten das Honorar übersteigen, wie z.B. die Pauschalierung der Kassentarife bei Prothesenreparaturen? Oder die 11 Euro für die Beratung, die sich bei schwierigen oder nicht deutschsprachigen Patienten durchaus in unvorhersehbare Länge ziehen kann! Man ist ja zur Aufklärung verpflichtet.

Natürlich kann dagegen gehalten werden, man könne ja ein Privathonorar stellen, wenn der Rahmen gesprengt wird, vorausgesetzt, man hat das dem Patienten im Voraus gesagt. Nur welcher Kassenarzt sagt jedem neuen Patienten, der seinen Kopf zur Tür hereinsteckt, noch vor Beginn der Untersuchung, dass er etwas selbst zahlen muss? Da steckt bald keiner mehr seinen Kopf in diese Praxis, geht sich nebenbei zur Krankenkasse beschweren und bekommt auch noch recht.

Um das Ganze abzurunden, sind da dann auch noch die Universitäten und Kliniken, die ebenfalls dazu beitragen, dass sich die ökonomische Situation der Zahnarztpraxis sukzessive verschlechtert. Da wäre einmal die Hygiene, wo Universitätsgelehrte aus ihrem elfenbeinernen Turm dem Gesetzgeber Tipps geben, wie man um teures Geld OP-Verhältnisse in die Praxen bringt. Wo über jeden sterilisierten Mundspiegel Protokoll geführt werden muss. Ich hätte im Restaurant bitte auch gerne einen steril verpackten Löffel mit dem dazugehörigen Protokoll, und ich will mich auch im Hotel nur in ein desinfiziertes Bett legen, nicht in eines aus dem zwei Stunden vorher ein anderer - womöglich Kranker - gerade herausgestiegen ist. Bei solchen Forderungen an die Hotellerie und Gastronomie wäre von deren Standesvertretern sicher gleich Feuer am Dach.

Dann ist da noch die universitäre Ausbildung, in der man erfährt, dass Kliniken und Universitäten, wie man so schön sagt, „alles Geld und alle Zeit der Welt" haben, um den Patienten ein wunderschönes Lächeln zu ermöglichen. Aber draußen in der Praxis hat der niedergelassene Einzelkämpfer sofort und kostengünstig zu handeln und dann selbstverständlich noch „state of the art". Was für jeden Handwerker Pflicht ist, wenn er einen eigenen Betrieb eröffnen will, nämlich die Ausbildung in Betriebswirtschaft bzw. Betriebsführung, hat für uns keine Wertigkeit. Wir Zahnärzte mit unseren riesigen Investitionen eröffnen Wirtschaftsbetriebe, die wohl mehr mit Intuition und Bauchgefühl denn nach ökonomischen Gesichtspunkten geführt werden. Hier ist ein dringendes Umdenken vonnöten. Hier sind auch unsere Vertreter massiv gefordert, eine praxisnahe und nachvollziehbare Berechnung der tatsächlichen Kosten einer Durchschnittszahnarztpraxis zu veranlassen, um in Tarifverhandlungen nicht mit Wünschen, sondern mit harten Fakten aufzuwarten. Dies könnte z.B. durch einen Wirtschaftsdissertanten erfolgen und käme die ÖZÄK nicht so teuer.

Der Kollegenschaft wäre anzuraten, sich aus der Isolation des Einzelkämpfers zu lösen und in eine tragfähige Gemeinschaft zu integrieren, über den Schatten der eigenen Eitelkeit zu springen und zu akzeptieren, dass wir alle nur mit Wasser kochen. Kollegialer Zusammenhalt ist gefordert, damit auch unsere jungen Kollegen noch gesicherte Arbeitsbedingungen haben.
„Collega collegis lupus est" darf auf unseren Berufsstand nicht zutreffen.

Dr. Claudia Pittracher (Tirol)

 

Zu ZMT 7/09 Mutterschutz

Zum Artikel bezüglich Mutterschutz von Dr. Standenat in der letzten Ausgabe der ZMT darf ich mir folgende Bemerkung erlauben:

Der Beitrag Dr. Standenats zur Auslegung des Mutterschutzgesetzes durch das Arbeitsinspektorat stellt unzweifelhaft klar, dass es durch diese verschärfte Mutterschutzregelung zu einem deutlich stärkeren Vermögensschaden der von der Schwangerschaft der Mitarbeiterin betroffenen Zahnärztin kommt.

Wir erleben dieser Tage - vor allem in Niederösterreich - wieder Hochwässer, wovon die Medien täglich ausführlich berichten. Den bedauernswerten Opfern wird vor allem seitens des Landes - völlig zu Recht -, umgehende Unterstützung zugesichert, denn die Hochwasseropfer haben ja schlimmste Verluste hinnehmen müssen.

Wo aber liegt im Grunde der Unterschied zwischen einem unverschuldeten Hochwasser- und einem „Arbeitgeber-Schwangerschaftsopfer"?

Für einen Kleinstbetrieb kann beides existenzbedrohend sein. Aber während das Hochwasseropfer auf solidarische Hilfe rechnen kann, bleibt für das „Schwangerschaftsopfer" nur die strenge Kontrolle des Arbeitsinspektorates. Warum wird hier mit zweierlei Maß gemessen?

Warum werden nicht auch die durch Schwangerschaften unstrittig entstehenden Vermögensschäden solidarisch gestützt?

Mit freundlichen Grüßen
Dr. R. Merich