Neue Werberichtlinie: Reale Hoffnung oder Seifenblase?

In ZMT 4/09 haben wir über die Werbeauswüchse in- und ausländischer Kollegen berichtet. Mit 1. Juli des Jahres ist nun eine neue Werberichtlinie in Kraft getreten, die Sie auf der Homepage der ÖZÄK einsehen können (downloadcenter).

Und wirklich, bei der Lektüre ergreift einen ein starkes Gefühl der Zustimmung. So ist in Hinkunft u.a. verboten:
a)  Darstellen bzw. Erwecken des Eindruckes einer wahrheitswidrigen (zahn-)medizinischen Exklusivität;
b) Selbstanpreisung der eigenen Person oder Leistungen durch aufdringliche bzw. marktschreierische Darstellung;
c) Nennung des Preises für die eigenen zahnmedizinischen Leistungen in der Öffentlichkeit.

Zahnärztliche Werbung kann heute in vielfältigster Weise stattfinden. Grauzonen sind z.B. diverse Vortragstätigkeiten und inwieweit Firmen in unzulässige zahnärztliche Werbetätigkeit involviert sind, was z.B. im Zuge der Vermarktung von Implantatsystemen vorkommt. Das Hauptproblem ist aber natürlich die unzulässige Werbetätigkeit in den Printmedien, denken Sie z.B. alleine nur an die unseriösen Preisangaben! Hier klärt die Richtlinie unter anderem auch über die zulässige Größe und Häufigkeit einer Anzeige auf und gibt so den neuen Standard vor.

Wir Zahnärztinnen sind zwar beeindruckt, dass sich die Funktionäre der ÖZÄK zu einer neuen Werberichtlinie durchringen konnten, andererseits sind wir aber auch einschlägig gebrannte Kinder. Sehr lange Zeit mussten die Anständigen unter uns nun schon darunter leiden, dass sich die nicht ganz so anständigen Kollegen im In- und Ausland auf unsere Kosten einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollten und sicher teilweise auch verschafft haben. Es interessiert uns also nicht so sehr, ob nun schon wieder eine papierene Verordnung das Licht der Welt erblickt hat oder nicht, sondern was dieses Regelwerk für unsere Zukunft in der Realität bewirken kann.

Zwei Fragenkomplexe sind in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung:
1) Signalisiert der Gesetzgeber Unterstützung bzw. ist er bereit, der Kammer tatkräftig im Sinne der guten Sache zu helfen?
2) Was kann die ÖZÄK tun, um den Text der Richtlinie mit Leben zu erfüllen und welche Sanktionsmöglichkeiten hat die Kammer bei Zuwiderhandeln?

Ad 1): Der Gesetzgeber wäre aufgerufen, unserer Kammer die Hand zu reichen und mit ihr ein gemeinsames, einschlägiges Regelwerk zu schaffen und durchzusetzen. Soweit der schöne Traum, aber was passiert in der Realität? Da tut der Gesetzgeber auch in diesem Falle das, was er so gerne und so häufig tut: Er versagt vollständig. Er signalisiert auf gut Wienerisch: „Liebe Kammer, schau dir halt alle Blattln oder sonstige Werbeträger an, die dir so unterkommen, und renn den diversen in- und ausländischen schwarzen zahnärztlichen Schafen schön hinterher. Hast a Glück, hast vielleicht a amal an Erfolg. Schönes Wetter, gutes Gelingen und tschüss!" Verzeihen Sie die etwas saloppe Ausdrucksweise, aber auf exakt das läuft es hinaus, was der Gesetzgeber einschlägig unterlässt. Ein anständiger Gesetzgeber würde zu einem gemeinsamen Regelwerk stehen und seinen Teil zur Durchsetzung beitragen, das heißt, er würde auch die publizierenden Medien im Wiederholungsfall drastisch bestrafen. Dann würden nämlich in den diversen Bezirksblattln und ähnlichen Druckwerken sehr schnell keine unseriös werbenden Kollegen mehr zu finden sein! Denn dass Strafe zahlen statt fette Werbegelder einzunehmen nicht das Optimum ist, versteht auch der dümmste Herausgeber!
Aber wie gesagt: Unser Gesetzgeber ist so wie er ist, und damit wissen wir, was wir von ihm zu halten haben!

Ad 2): „Die Richtlinie mit Leben erfüllen" heißt schlicht und einfach, deren Einhaltung zu kontrollieren. Und da muss man der alleine auf weiter Flur kämpfenden ZÄK von vorneherein Gerechtigkeit widerfahren lassen: Wir müssen zwischen zuwiderhandelnden Kollegen im In-und Ausland unterscheiden. Wir lesen ja in der ÖZZ immer wieder, wie sich unsere Kammer mal mit dem einen, mal mit dem anderen „östlichen" Kollegen herumplagt. Und trotz EU ist es sicher vergleichsweise schwer, Kollegen im Ausland erfolgreich zu belangen. Da dürfen wir unserer Kammer die Latte nicht zu hoch legen. Völlig anders sieht es hingegen mit den schwarzen Schafen aus, die in Österreich praktizieren. Hier hat die Kammer „Heimvorteil", hier hat sie einige Möglichkeiten. Eine Kernfrage, die mich in diesem Zusammenhang schon seit Jahren beschäftigt, ist, inwieweit wir anständigen Kollegen berechtigt/verpflichtet sind, der Kammer bei ihrer Kontrolltätigkeit zu helfen. Niemand kann im Ernst von den Funktionären verlangen, dass sie jedes Printmedium von Dornbirn bis Hainburg auf einschlägige Verstöße hin kontrollieren. Aber wir, die wir unsere Praxen landesweit haben, sehen diese Printmedien sehr wohl. Haben wir nun die Pflicht, unserer Kammer Druckwerke mit einschlägigen Werbeverstößen zukommen zu lassen? Ein alter Spruch sagt: „Das größte Schwein in diesem Land ist und bleibt der Denunziant!" Aber ist der Spruch hier auch zutreffend, nur weil er alt ist? Können wir von unserer Kammer konsequentes Handeln erwarten, wenn wir ihr nicht helfen?

An der Frage der Sanktionsmöglichkeit hängt die Glaubwürdigkeit der neuen Richtlinie und derer, die sie geschaffen haben. Auch bisher haben ja Werberichtlinien existiert. Bei keiner einzigen davon hatten wir den Eindruck, dass es auch nur irgendeine wirkliche Sanktionsmöglichkeit zu deren Durchsetzung gegeben hat. Und sollte es sie theoretisch tatsächlich gegeben haben, ist sie niemals angewendet worden. Wir alle kennen ja die lieben Gesichter unserer permanent werbenden „Kollegen" aus den diversen Printmedien und haben nicht den Eindruck, dass ihnen bisher aufgrund ihres fortgesetzten Tuns auch nur irgendein Leid geschehen wäre. Wenn es in Zukunft also nicht anders sein sollte, wenn nämlich auch dann die regelwidrig werbende Kollegin nur abgemahnt bzw. mit Bagatellgeldstrafen bedacht wird, dann wird auch die neue Richtlinie auf gut Wienerisch gesagt „zum Krenreiben" sein!

Wir, die wir meist gar nicht oder wenn, dann regelkonform werben, wollen endlich Sanktionen für Regelverletzungen sehen. Moderat beim ersten Mal, stetig schärfer werdend bei wiederholten Verstößen. Das kann von Geldstrafen, die wirklich weh tun, bis zum zeitweiligen Berufsverbot aufgrund schwerer disziplinärer Verfehlung gehen.

Wenn die neue Richtlinie nicht - glaubwürdig! - den Eindruck eines elektrischen Zaunes vermitteln kann, ist sie schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Gibt das derzeitige Disziplinarrecht unseren Kammergewaltigen die nötigen Sanktionsmöglichkeiten nicht in die Hand, dann gehört es geändert!

Conclusio: Papier ist geduldig, für die Realität gilt auch hier: An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen!

Dr. Peter Standenat