Professor Peter Kotschy ? ein Siebziger

Am 11. Mai 1939 verschärfte sich der japanisch-russische Grenzkonflikt erneut, der Giro d´Italia mit seinen 17 Etappen und einer Gesamtlänge von 3.011 Kilometern hatte gerade Halbzeit, Joseph Roth war finanziell und gesundheitlich am Ende und starb ein paar Tage später, in Wien wird Peter Kotschy geboren.

Er ist der unumstrittene, aber sensible Chef in seiner weitläufigen Praxis im 7. Wiener Bezirk, umgeben von vielen Damen - allen voran seine Ehefrau Martina - die ihm das ruhige und professionelle Ambiente schaffen, das er für seine Arbeit braucht. Aber wenn es denn sein muss, kann er auch durchgreifen, denn die Patienten und ihr Wohl stehen an allererster Stelle bei ihm, und so kann man auch am Eingang zum Sozialraum an einem Zettel ablesen, wie seine Vorstellungen zum Verhalten und der Kommunikation im Beisein von Patienten zu sein hat.

Sein Gang ist aufrecht, im doppelten Sinn: Kein kleiner, durch das Alter und die Arbeit entstandener Buckel trübt die Optik - typisch für einen Ergonomen -, und auch sein fester Charakter wird dadurch verdeutlicht. Keine Kompromisse, keine faulen Deals oder falsche Spielchen, aufrecht und stark in der Sache, so ist er, auch wenn der Weg anders manchmal leichter gewesen wäre.  

Peter und Herwig rutschen fröhlich auf einer Schachtel durch die Ordination der Mutter

Sogleich beginnt Prof. Kotschy mit seinem Lieblingsthema - der kinetischen Kavitätenpräparation. Das vor über 60 Jahren entwickelte Prinzip im Sinne der Sandstrahlung, wo Aluminiumoxidpartikel zur Präparation auf den Zahn geschossen wurden, hatte ihn in seinen Bann gezogen. Er experimentierte mit Glasperlen, die eigentlich zur Reinigung der Zahnkronen eingesetzt wurden, und entdeckte in seiner Arbeit unter dem Mikroskop, dass die kleinen, harmlosen Kügelchen wesentlich mehr draufhaben, sie können nämlich die Wurzeloberflächen perfekt reinigen und auch das entzündete Epithel wegschießen und eignen sich so ganz hervorragend zur schonenden Parodontalversorgung. Bis zu 11 mm tiefe Taschen werden erreicht und gesäubert, das kranke Material kann bis zu den Sharpey´schen Fasern - und die sind sichtbar! - entfernt werden, es braucht kein Skalpell mehr, keine Nähte. Die Behandlung ist zwar teuer, aber dennoch um ein Drittel billiger als die traditionelle Versorgung, da sie schneller greift und einige kostenintensive und für den Patienten belastende Arbeitsschritte unnötig macht.

Derzeit arbeitet er an einem neuen, biologisch abbaubaren Material, da etliche Glaskügelchen doch immer wieder in den Taschen verbleiben und nach Tagen ihren Weg heraus suchen, was lästig ist. Doch halt! Das kann man ja auch in vielen Fachmagazinen nachlesen, ich wollte doch eigentlich ganz etwas anderes wissen?

Lächelnd beugt er sich meinem Fragediktat, nicht ohne noch auf seine derzeit in Auswertung befindliche Studie hinzuweisen, davon aber sicherlich einmal später. „70 Jahre - was würden Sie heute anders machen?" Er überlegt nicht lange: „Ich würde hoffen, dass ich nicht mehr in ein Internat komme, denn das war eine ganz schlimme Zeit für mich. Zwischen dem 11. und 15. Lebensjahr war ich in einem Internat, wurde geschlagen, musste auf Holzschindeln knien, sah, wie sich Mitschüler versuchten umzubringen, es war einfach entsetzlich." Seine Mutter war streng und unbeugsam; zweimal verheiratet, gebar sie fünf Kinder und war Zahnärztin. Zeit für Zärtlichkeiten gab es nicht, die ersten beiden Söhne sind vermutlich daran beruflich gescheitert. In zweiter Ehe mit einem Bergbauingenieur, der eigentlich Pianist werden wollte verheiratet, bekam sie noch drei Kinder, zuerst unseren Professor Peter, dann seinen kleinen Bruder Herwig und schließlich noch eine Nachzüglerin, Edith. Mit seinem kleinen Bruder hatte er eine tolle Zeit in der Ordination seiner Mutter, in der die Wohnung integriert war. 1944 bekamen beide Paratyphus, der kleine Bruder starb, doch seinen aufgeweckten Geist spürt man noch heute in der Ordination. Peter Kotschy: „So streng und unnahbar meine Mutter auch war - ihr Beruf hat mich begeistert. Ich war mitten im Geschehen, sah die Patienten kommen und gehen und fürchtete mich vor den Extraktionstagen." Die Zahnheilkunde war damals ein Martyrium, nicht wenige Patienten musste er danach mit Kognak aufpäppeln, und diese Zustände legten sicherlich schon den Grundstein für den Prophylaxegedanken, der sein berufliches Leben stets vorantrieb. Er war ein leidig guter Schüler, spielte Klavier und Cello, half gerne dem Zahntechniker in Mutters Ordination und stellte sich auf den Beruf des Mediziners ein. Die Zahnmedizin kam erst später, und wenn er den Klinikbetrieb ertragen hätte, so wäre er auch gerne dort geblieben, in der angewandten Wissenschaft, als Ordinarius hätte er seine Visionen leichter durchsetzen können. So baute er sich in der Ordination seiner Mutter seine eigene auf und kaufte ihr schließlich ihren Anteil ab.

Die Prophylaxeidee ließ ihn zeitlebens nicht mehr los, zum Mikroskop kam er erst mit 60 Jahren und ist heute sehr froh, dass er noch umgestiegen ist. Die Fortschritte in der Parodontologie machen ihn glücklich, wenn auch mit einigen Wermutstropfen. „Es gibt große Erfolge, die Patienten sind heute gut informiert, der Behandlungsstatus ist dennoch erbärmlich und es gibt kaum einen Patienten, der keinen restaurativen Behandlungsfehler hat. Auch das Misstrauen ist groß und damit die Überweisungsrate noch immer nicht perfekt - die Patienten werden oft zu spät überwiesen - da ist noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten."

Welche Ziele will er noch erreichen? „Ich möchte das Mikroskop und die damit neuen Behandlungsmethoden etabliert sehen, sie daher mehr publik machen und eine Ausbildung dazu initiieren. Pension ist kein Thema für mich, denn mein Beruf ist mein Hobby." Wir danken für das Gespräch und wünschen ihm auch alles Gute.

sni

Prof. Peter Kotschy und seine Damen v. l. n. r .: Makbule Perier, Martina Kotschy und Erika Schmidt