Berufsbild ZahnarztassistentInnen: Neuer Anlauf mit fraglichen Aussichten

Erinnern Sie sich noch an das Jahr 1993? Österreich begann die Beitrittsverhandlungen mit der EU, der es am 1.1.1995 beitrat, und das Berufsbild der ZahnarztassistentInnen (ZAss) sollte endlich geregelt werden, nachdem der Kollektivvertrag aus den 1960er-Jahren doch etwas veraltet erschien.

Wir schreiben das Jahr 2009. Die Kinder, die 1993 geboren wurden, könnten heuer oder nächstes Jahr eine Lehre antreten. Aber das Berufsbild Zahnarztassistent/in gibt es noch immer nicht.

Patt seit 2006
Der letzte große Anlauf zum Berufsbild wurde 2006 unternommen. Das Gesundheitsministerium erstellte einen Gesetzesentwurf unter dem Titel „Zahnärztliche Assistenzberufe" analog zu den bestehenden Gesundheitsberufen. Das Wirtschaftsministerium konterte mit einem mithilfe der Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) entwickelten Verordnungsentwurf, der aus den Zahnärztlichen AssistentInnen einen Lehrberuf machen würde. Nun ist das Thema erneut auf dem Tisch, da Ex-Gesundheitsministerin Dr. Andrea Kdolsky sich quasi in letzter Minute - keine zwei Wochen vor ihrem Dienstende - plötzlich der ZAss erinnerte und jenen Gesetzesentwurf, der schon fünf Jahre zuvor gescheitert war, wieder zur Begutachtung ausschickte. Und das, obwohl der Berufsausbildungsbeirat - ein sozialpartnerschaftlich besetztes Beratungsgremium des Wirtschaftsministeriums - im August 2008 einen Pilotversuch zum Lehrberuf beschlossen hatte, dem nicht nur die Sozialpartner, sondern auch die ÖZÄK zustimmten.

Verordnung zum Lehrberuf
Entsprechend schreibt die Wirtschaftskammer in ihrer Stellungnahme zum Gesetzesentwurf: „Die überraschende Aussendung trotz Einigung der Sozialpartner lässt daher nur den Schluss zu, dem BMGFJ gehe es nicht um die längst überfällige Regelung eines Berufsbildes, sondern um den Ausbau der eigenen Ressortzuständigkeiten." Mit der Verordnung zum Lehrberuf wäre, so Dr. Susanne Weiss vom Gesundheitsministerium, für die Assistentinnen gar nichts gewonnen. Denn hier wird nur die Ausbildung geregelt, sonst nichts: Keine Änderungen im Kollektivvertrag, keine Regelung der erlaubten Tätigkeiten. Ein Berufsprofil findet sich allerdings auch im Verordnungsentwurf, und Gehältern ist in keinem der beiden Entwürfe ein Wort zu finden. Das wäre auch unüblich, denn finanzielle Dinge sind bei den meisten Berufsgruppen in Kollektivverträgen geregelt.

Einig waren sich die beim 1. NÖ ZahnarztassistentInnenkongress anwesenden Zahnarztassistentinnen, aber auch andere Experten, dass beide Entwürfe von der Praxis des Berufsbilds weit entfernt sind. Es waren auch weder hier noch dort Zahnarzt-assistentInnen oder ZahnärztInnen involviert. So sieht der Verordnungsentwurf zum Lehrberuf mehr kaufmännisches und organisatorisches Wissen vor als zahnmedizinisches, der Gesetzesentwurf dagegen nur mindestens 600 Stunden theoretische Ausbildung - viel zu wenig nach einhelliger Expertenmeinung, wie sogar Weiss selbst zugibt. Dazu kämen laut Gesetzesentwurf 3000 Stunden praktischer Ausbildung, die in den zahnärztlichen Ordinationen erfolgen soll und weitgehend ungeregelt bleibt.

Weiters sieht der Gesetzesentwurf vor, dass ZAss auch Füllungen legen oder Kronenränder entfernen dürfen, wenn auch nur „nach Anordnung und unter Anleitung und Aufsicht von Angehörigen des zahnärztlichen Berufs oder Dentistenberufs". Diese Aufgaben sieht die Österreichische Zahnärztekammer (ÖZÄK) aber klar als solche, die allein dem Zahnarzt/der Zahnärztin vorbehalten sein sollten. „Die Bestimmung stellt leider ein leuchtendes Negativbeispiel dafür dar, welche Folgen ein überhasteter Entwurf zeitigen kann", schreibt die ÖZÄK deutliche Worte in ihre offizielle Stellungnahme. Die ÖZÄK kritisiert weiters, dass sich das Gesetz an die Vorgaben jener Berufe anlehnt, die freiberuflich auszuüben sind und äußert die Befürchtung, „dass für die Zukunft einfach durch Streichen einer einzigen kurzen Bestimmung eben diese selbstständige Berufsausübung ermöglicht werden könnte".

Die ÖZÄK bemängelt auch, dass ZAss und ProphylaxeassistentInnen (PAss) nach dem Entwurf zwei getrennte Berufsbilder wären, statt - wesentlich naheliegender - die PAss als Zusatzausbildung zu gestalten, und sie kritisiert die mangelnde Regelung bezüglich bestehender Arbeitsverhältnisse.
Frage der Ausbildungskosten

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass beim Gesundheitsberuf nicht geregelt ist, wer die Ausbildungskosten trägt. Nur die Zuständigkeit der Zahnärztekammer ist erwähnt. Bei einem Lehrberuf wäre das klar: Der Bund hat über die Berufsschulen für die theoretische Ausbildung der Lehrlinge zu sorgen. Die Berufsschulen müssten sich entsprechend einrichten. Lehrlinge erhalten - unabhängig von der Art des Lehrberufs - weitere Vorzüge wie etwa Freifahrt zur Berufsschule, weitgehenden Kündigungsschutz oder die Möglichkeit der Berufsmatura. Andererseits könnte ein Gesundheitsberuf auf lange Sicht auf Bachelor-Niveau angehoben werden, wie es etwa in unserem Nachbarland Slowakei bei den dortigen ZahnarztassistentInnen heute schon der Fall ist. Speziell die PAss kämen damit dem in vielen europäischen Ländern üblichen Berufsbild der DentalhygienikerInnen schon sehr nahe. Lehr- und Gesundheitsberuf schließen einander nicht aus, erklärt Anita Stavik von der GPA auch schon seit Jahren. Und genau so ein Entwurf kommt nun in die engere Wahl. Laut Stavik und Dr. Günter Flemmich, AK Wien, sind sich auch fast alle Stellen bereits einig: Ein neuer Lehrberuf mit 900 Stunden theoretischer Ausbildung, wobei im Vergleich zum ersten Entwurf der Anteil der kaufmännischen Ausbildung reduziert wird, könnte als Pilotversuch schon im Herbst dieses Jahres starten. Zahnärztekammer, Wirtschaftskammer, Wirtschaftsministerium, Arbeiterkammer und Gewerkschaft sollen bereits hinter diesem Entwurf stehen. Nur das Gesundheitsministerium war bei Redaktionsschluss noch zu keiner definitiven Stellungnahme bereit. Ob es sich auf Dauer gegen den Druck der Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretungen durchsetzen kann, ist fraglich. Andererseits scheint es zumindest derzeit noch nicht gewillt, seinen Widerstand aufzugeben.

Livia Rohrmoser

 

Kommentar: Stellungskämpfe

Die zahnärztliche Helferin soll ein neues Berufsbild werden. Die Frage ist nur, ob es ein Lehrberuf oder ein Gesundheitsberuf wird. Nein, liebe/s LeserIn, Sie haben kein Déjà-Vu. Genau diese zwei Sätze schrieb ich schon im Jahr 2006 in einem Artikel zum Thema. Nun also hörten die Besucher des 1. Niederösterreichischen ZahnarztassistentInnenkongresses von den gleichen VertreterInnen der gleichen Institutionen genau die gleichen Argumente wie drei Jahre zuvor. Es scheint, als betrieben Gesundheits- und Wirtschaftsministerium einen Stellungskampf wie im ersten Weltkrieg. Die Schützengräben sind gezogen, keiner kommt auch nur einen Meter weiter. Opfer sind die AssistentInnen.

Und die Zahnärzte und -innen? Jene, die einfach nur billige Arbeitskräfte wollen und dafür auch Unwissen und/oder mühsames Anlernen in Kauf nehmen, können zufrieden sein. Jene, die von vornherein gut ausgebildete AssistentInnen zur Seite haben wollen, sollten auch im Sinne ihrer Angestellten Druck auf die Politik ausüben - nicht zuletzt auf die eigene Standesvertretung, deren Stimme in dieser Frage Gewicht hat. Auch wenn dadurch die Lohnkosten vielleicht steigen, die Ausbildungskosten - die vom Arzt investierte Zeit - sinken ebenso wie die Wahrscheinlichkeit unangenehmer Zwischenfälle in der Ordination durch Anlernlinge.

Einer der Gründe für den Stillstand ist wohl, dass zahnärztliche AssistentInnen einfach keine Lobby haben. Ja, Gewerkschaft und Arbeiterkammer wären zuständig, und hier finden sich auch einige Personen, die sich bemühen. Aber sie müssen zahlreiche Gruppen vertreten, und die zahnärztlichen AssistentInnen sind nun einmal nicht gerade die größte unter ihnen. Zudem sitzen weder dort noch in den verhandelnden Gremien Vertreter jener Berufsgruppe, um die es geht. So angestrengt ein Jurist sich auch in andere Berufsgruppen hineinversetzen will, er steht nicht täglich in der Praxis und kennt deren Abläufe wohl vorwiegend aus der Position des mit offenem Mund im Behandlungsstuhl Liegenden.

Der einzige Verein, der sich wenigstens um einen Teil der ZAss kümmert, ist der PPA, der Verein für in Prophylaxe und Parodontologie tätigen zahnärztlichen Assistentinnen in Österreich. Diese Einschränkung auf Personen, die den Prophylaxekurs erfolgreich absolviert haben, ist unverständlich, wenn es um standespolitische Belange geht oder um den Versuch, eine möglichst schlagkräftige Vertretung der ZAss auf die Beine zu stellen.

„Sehen wir nicht in die Vergangenheit", verlangte Prof. Bernhard Rupp beim genannten Kongress. Aber die Zukunft sieht weiterhin düster aus, wenn sich nicht endlich jemand ernsthaft für die zahnärztlichen AssistentInnen einsetzt. Und das können wohl nur die unmittelbar Betroffenen sein: die AssistentInnen selbst und/oder ihre ArbeitgeberInnen.

Livia Rohrmoser