Das unterschätzte Haftungsrisiko

Die ärztliche Tätigkeit birgt bekanntlich eine Vielzahl von Haftungsgefahren. Was sich noch immer nicht ganz herumgesprochen haben dürfte: Auch wenn Sie medizinisch alles richtig machen, also einen Eingriff lege artis und sorgfältig durchführen und sich nur das normale Operationsrisiko verwirklicht, kann es zu Haftungsfolgen kommen. Nämlich dann, wenn der Patient vor dem Eingriff nicht oder nicht ausreichend aufgeklärt wurde. Dabei sind es gerade diese Haftungsfälle, die sich am verlässlichsten und am einfachsten verhindern lassen, gesetzt, Sie nehmen sich die notwendige Zeit.

Das alte Bild des „Gottes in Weiß", der das gesundheitliche Schicksal des Patienten in der Hand hält und diesen während der Behandlung über seinen Zustand und die geplanten Eingriffe weitgehend in Unkenntnis lässt, wurde in den letzten zwei Jahrzehnten durch die Betonung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten überholt. Heute liegt es am Patienten, sich für oder gegen eine Behandlungsmethode zu entscheiden. Die Aufklärung über Risiken, Alternativen, Nebenwirkungen, etc. ist eine für die Ausübung dieses Selbstbestimmungsrechtes notwendige Voraussetzung.

Das ZÄG fordert die Aufklärung des Patienten oder seines gesetzlichen Vertreters. Die Einwilligung in medizinische Behandlungen kann aber bei entsprechender Einsichts- und Urteilsfähigkeit nur (!) ein Minderjähriger selbst geben (§146c ABGB), sodass dieser - allenfalls neben seinem gesetzlichen Vertreter - auch Adressat der Aufklärung sein muss.

In welchem Umfang bestehen nun die ärztlichen Aufklärungspflichten? §18 ZÄG zählt einige Pflichten auf. Eine generelle Antwort gibt es aber dennoch nicht, vielmehr sind immer die Umstände des Einzelfalles maßgeblich. Jedenfalls aufzuklären ist - was naheliegt - über die Diagnose und den geplanten Behandlungsablauf.

Was Risiken betrifft, so ist es zwar nicht in allen Fällen notwendig, auf jedes denkbare Risiko einzugehen, es ist aber auf diejenigen hinzuweisen, die geeignet sind, die Entscheidung eines vernünftigen Patienten zu beeinflussen. Je dringender die Behandlung ist, umso weniger ausführlich muss auch die Aufklärung sein. Hingegen ist bei Behandlungen, die nicht medizinisch indiziert sind (wie insbesondere bei rein kosmetischen Eingriffen), jedes denkbare Risiko zu erläutern. Dagegen bestehen nur eingeschränkte Aufklärungspflichten, wenn ein Eingriff unverzüglich durchzuführen ist, um Schadensfolgen für den Patienten zu verhindern.

Aufzuklären ist jedenfalls über die typischen Risiken einer Behandlung, die auch bei einer Behandlung lege artis und bei größter ärztlicher Sorgfalt auftreten können und die für die geplante Behandlung charakteristisch sind - dies unabhängig von der Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung. Außerdem ist der Umfang der Aufklärung immer am jeweiligen Patienten zu orientieren, sodass auch individuelle Risiken zu berücksichtigen sind, die sich etwa aus dem Alter oder aus Vorerkrankungen ergeben können. Weiters ist über die Folgen eines Unterbleibens der Behandlung aufzuklären.

Auch auf mögliche Behandlungsalternativen ist im Zuge der Aufklärung des Patienten einzugehen. Die Vor- und Nachteile einer jeden möglichen Behandlungsmethode sind dem Patienten darzulegen und zu erläutern, insbesondere dann, wenn alternative Methoden unterschiedliche Erfolgsaussichten, Schmerzbelastungen und Risiken zum Ergebnis hätten. Ob Sie selbst in der Lage sind, die Alternativen durchzuführen, ist hier ohne Belang.

Aus dem Vorgesagten ergibt sich auch, dass die Unterfertigung eines Standardaufklärungsformulars durch den Patienten häufig nicht ausreicht! Sie kann dem Einzelfall nicht gerecht werden. Die Aufklärung sollte daher zumindest auch mündlich erfolgen, wobei eine (schriftliche) Dokumentation der Aufklärung unerlässlich ist (ausdrücklich: § 19 Abs 1 Z 3 ZÄG).

Zu einer Haftung wegen mangelnder Aufklärung kommt es dann, wenn sich ein normales Operationsrisiko verwirklicht und sich der Patient dem Eingriff bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht unterzogen hätte.

In diesem Zusammenhang ist auch auf die in einem Prozess immer ganz wesentliche Beweislastfrage hinzuweisen: Dem (Zahn-)Arzt obliegt nämlich nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofes sowohl der Beweis, dass der Patient ausreichend aufgeklärt wurde (Dokumentation!), als auch dafür, dass der Patient sich dem Eingriff auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung unterzogen hätte.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass das ZÄG außerdem eine Aufklärung über die Kosten der Behandlung verlangt.

Nur am Rande (weil bislang eher Theorie) sei auch auf mögliche strafrechtliche Folgen der mangelhaften Aufklärung hingewiesen („eigenmächtige Heilbehandlung").

Mag. Vincent Schneider ist Rechtsanwalt und Partner
der Schneider & Schneider Rechtsanwälte OEG
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Mag. Vincent Schneider