Mikrobielle orale Erkrankungen - Teil 3: Kinder und Jugendliche

Viren, Hefen und Keimgemische setzen besonders Kindern stark zu.

Plötzlich einsetzende, oft mit starken Schmerzen und allgemeinem Unwohlsein einhergehende Entzündungen der Gingiva bzw. der gesamten oralen Mucosa sind gerade im Kindesalter nicht selten Folgen einer viralen Infektion. Durch direkten Kontakt und vorwiegend durch Tröpfcheninfektion werden bevorzugt Viren aus der Herpesgruppe übertragen und führen dann zu charakteristischen Läsionen.

Gingivostomatitis herpetica
Die Gingivostomatitis herpetica betrifft vor allem Kleinkinder. Sie ist die typische Manifestation einer Primärinfektion mit dem Herpes-simplex-Virus Typ HSV1. Kurz nach dem Kontakt kommt es zu Entzündung und Schwellung der Schleimhaut und in der Folge zur Ausbildung von sehr kleinen, eng stehenden Bläschen auf Gingiva und Wangenschleimhaut. Das Maximum der Virusvermehrung findet unmittelbar vor dem Auftreten der Bläschen in der sogenannten Prodromalphase statt. Die Bläschen selbst bestehen nur sehr kurz, wodurch dieses Stadium häufig übersehen wird. Im Anschluss daran bilden sich große, flache Ulzera mit gelblichweiß belegtem Grund. Dies ist meist das Stadium, welches der Kinderarzt oder Zahnarzt zu Gesicht bekommt. Es besteht daher die Gefahr einer Fehlinterpretation dieser Folgeläsionen und der Verwechslung mit aggressiven bakteriellen Infektionen wie etwa mit der noch zu diskutierenden ANUG.

Die betroffenen Kinder zeigen oft Allgemeinsysmptome wie Fieber und Lymphadenitis. Der Speichelfluss ist verstärkt, und durch die starken Schmerzen ist die Nahrungsaufnahme erschwert. Bei 20-30% der Erkrankten kommt es nach der Erstinfektion zu Rezidiven auf Grund der Persistenz der viralen DNA in den Ganglien von sensiblen Nerven. Besonders gefährdet sind Jugendliche mit eingeschränkter Immunabwehr; hier kann eine Herpesinfektion lebensbedrohliche Formen annehmen.

Die Diagnosestellung erfolgt meist klinisch; bei unklaren Fällen kann aus dem Bläscheninhalt mittels PCR oder direkter Immunfluoreszenz das Virus bestimmt werden. Zur Therapie empfiehlt sich Aciclovir - in leichten Fällen topisch, in schweren auch systemisch. Zur Schmerzlinderung können lokalanästhetische Haftsalben verwendet werden. Ergänzend lindern auch Mundspülungen mit Calendula und Betupfen der Läsionen mit Thymiantee die Beschwerden.

Coxackieviren
Sie sind im Kindesalter häufige Verursacher von oralen Entzündungen. Die ebenfalls mit Ausbildung von Bläschen auf der Mundschleimhaut einhergehenden Tröpfcheninfektionen mit Coxackieviren sind eine wichtige Differenzialdiagnose zur Gingivostomatitis herpetica.

Durch Coxackie-A-Viren der Gruppen A2, A4, A5 und A8 wird die Herpangina verursacht. Die Inkubationszeit nach Kontakt beträgt 1-2 Tage. Die Bläschen haben kleine, graue Zentren und einen geröteten, entzündeten Halo. Sie heilen bereits nach drei Tagen ohne Narbenbildung ab. Der Krankheitsverlauf ist in den meisten Fällen eher mild, manchmal kann leichtes Fieber auftreten.
Die „Hand-, Fuss- und Mundkrankheit" wird durch Coxackieviren der Gruppen A3, A9 und A16 hervorgerufen. Es entstehen kleine, schmerzhafte, gerötete Geschwüre in der Mundhöhle, bevorzugt am Ausführungsgang der Parotis. Zusätzlich können bei den Kindern entsprechende Läsionen an Händen und Füßen entstehen. Die Erkrankung ist selbstlimitierend und erfordert keine spezielle antivirale Therapie. Die bei der Gingivostomatitis herpetica empfohlenen Schmerzmittel können auch hier kurzfristig während der floriden Phase eingesetzt werden.

Varicellen - Auslöser einer der häufigsten Kinderkrankheiten
Sie verursachen die „Windpocken" oder „Feuchtblattern" und gehen mit einem charakteristischen Hautexanthem einher. Allerdings treten in vielen Fällen noch vor den Hautläsionen in der Mundhöhle 2-3mm große, von einem roten Ring umgebene Ulzera auf. Eine palliative Behandlung mit schmerzlindernden Spülungen ist in den meisten Fällen ausreichend. Bei Kindern mit bekannter Abwehrschwäche sollte systemisch mit Acilovir therapiert werden.

Orale Läsionen verursachen weiters Echoviren und EBV. Hier findet man auf der Mundschleimhaut aphtoide Läsionen, welche differentialdiagnostisch gegen nicht-infektiöse chronisch rezidivierende Aphten abzugrenzen sind.

ANUG als wichtige Differenzialdiagnose zu viralen Gingivitiden
Die bei Jugendlichen auftretende Plaut-Vincent-Infektion wird durch eine Kombination von Keimen, nämlich Fusobakterien und Treponemen hervorgerufen. Über Infektion der gingivalen Mucosa und Besiedelung der Zahnfleischtaschen kommt es zu einer akuten nekrotisierenden, ulzerierenden Gingivitis (ANUG).

Das fusospirilläre Gemisch verursacht eine massive, meist eitrige Entzündung, welche mit Blutungen, starken Schmerzen und teilweise hohem Fieber einhergeht. Auf der entzündeten Gingiva bilden sich abstreifbare, graue Pseudomembranen. Die Keime verursachen raschen, massiven Gewebsabbau mit irreversiblen Folgeschäden für den Zahnhalteapparat. Typisch für die ANUG ist ein starker Mundgeruch (Halitose). Über 40% der nachweisbaren Mikroflora besteht aus mittelgroßen Treponemen. Fusobacterium ssp. tritt in geringerer Dichte auf. Bis zu 24% der weiteren kultivierbaren Keime sind aus der Gruppe der schwarzpigmentierten Bacteroides, vor allem Prevotella intermedia. Therapie der Wahl ist hier die Gabe von Metronidazol zur Eliminierung der anaeroben Keime.

Candida im Kindesalter
Die orale Candidiasis zählt bei Säuglingen und Kleinkindern zu den häufigsten Schleimhautinfektionen. Die häufigste beteiligte Spezies ist Candida albicans, welche in geringen Mengen auch bei gesunden Menschen auftreten kann und keine Beschwerden verursacht. Weitere oropharyngeal vorkommende Hefen wie Candida glabrata und Candida tropicalis findet man in erster Linie bei Patienten mit systemischen Grundleiden oder mangelder Immunkompetenz, wie etwa bei HIV.

Das typische klinische Erscheinungsbild bei Kindern ist die akute oropharyngeale Candidiasis, auch als pseudomembranöse Candidiasis oder Soor bezeichnet. Klinisch findet man stippchenförmige, bei stärkerem Befall auch konfluierende, abstreifbare weißliche Beläge. Nach Abziehen der membranartigen Auflagerungen bleiben stark gerötete, teilweise auch blutende Schleimhautläsionen zurück. Candida besitzt nämlich die Fähigkeit mittels der Pseudohyphen in die oberflächlichen Schleimhautschichten einzudringen. Besonders häufig betroffen sind Säuglinge in den ersten Lebensmonaten durch die noch fehlende, bzw. unvollständige Ausbildung der Immunabwehr. Die Infektion mit Candida kann bereits während der Geburt. oder danach über Speichelkontakt erfolgen. Als Therapie kommen bei sonst gesunden Säuglingen und Kleinkindern topische Anwendungen von Nystatin, AmphotericinB oder Miconazol als Mundgel zur Anwendung.

Ch. Eder
L. Schuder