Amortisation ? Schein und Sein

Heikles Thema: Die ökonomische Situation unseres Berufsstandes

Sie, liebe Kollegin, und Sie, lieber Kollege, wissen, was man seitens Ihrer engeren und weiteren Umgebung von Ihnen erwartet. Souveränes, eloquentes Auftreten, dem Patienten ein menschlicher Partner und dem Personal ein untadeliges Vorbild. Ihre Patienten erwarten von Ihnen weiters die Lösung all ihrer einschlägigen Probleme und haben - hoffentlich! - großes Vertrauen in Ihre Kompetenz.

Natürlich verstehen die Patienten irgendwo, dass Sie auch nur ein Mensch sind und halten es daher für denkbar, dass auch Sie Probleme haben könnten. Eines kann sich aber kaum jemand vorstellen: dass Sie eventuell Geldsorgen belasten. Und wenn Ihre Umgebung das überhaupt für irgend möglich hält, dann nur, wenn sie meint, dass in Ihrem Fall gewisse außerordentliche Umstände vorliegen. Sie könnten krankhaft kauf- oder spielsüchtig sein, teure Frauen bzw. Männer aushalten oder sonst irgendein ganz außergewöhnliches Laster haben. Es gibt aber auf weiter Flur kaum jemand, der im Ernst annimmt, dass ein/e ZahnärztIn ohne derartige Schwierigkeiten jemals in Geldnöte kommen könnte. Hier wirken in den Hirnen der Bevölkerung die Klischees früherer Jahrzehnte offenbar unverrückbar nach: Zahnärzte logieren in Schlössern, fahren zumindest Porsche, wenn nicht Ferrari, und verbringen ihre Urlaube auf den eigenen protzigen Yachten.

Wohl den KollegInnen, auf die das auch heute noch zutrifft. Aber das Leben zeigt uns unbarmherzig, dass es auch eine ganz andere Seite gibt. Das können Sie leicht selbst feststellen, wenn Sie sich an Ihrem Computer setzen, unter www.edikte.at das Wort „Insolvenzdatei" anklicken und im entsprechenden Suchfeld „Zahnarzt" eingeben. Sie finden dort (Stand 4. 4. 2009) nicht weniger als 23 Fälle. Es gibt also mitten unter uns einige KollegInnen, deren Zahlungsschwierigkeiten bereits zu ernsten Konsequenzen geführt haben. Niemand kennt jedoch die Zahl derer, die sich mit größter Mühe finanziell durchs Leben kämpfen, also nicht gar so weit von der Insolvenz entfernt sind. Vor Kurzem wurde eine Meldung publiziert, wonach in einem östlichen Bundesland eine erhebliche Anzahl von KollegInnen aufgrund geringen Einkommens um Herabsetzung des Kammerbeitrages angesucht hat. Der dortige LZÄK-Präsident hat erklärt, dass es in seinem Bundesland einige KollegInnen gibt, die unter 1.000 Euro (!!!) im Monat verdienen und daher ums Überleben kämpfen.

Rasche Amortisation
Grund genug, sich einmal näher mit diesem ganzen Fragenkomplex zu befassen. Bevor wir das tun, sei ein kurzer Ausflug in die Wirtschaft gestattet: Kein seriöses Unternehmen kann seine Investitionen ins Blaue hinein vornehmen. Die durch die eingesetzten Gelder geschaffenen Werte müssen die Ertragslage derart steigern, dass das aufgenommene Geld im definierten Zeitraum plus Zinsen zurückgezahlt werden kann. Das kann nur gelingen, wenn das Unternehmen seine Produkte zu scharf kalkulierten Preisen abgibt - hoch genug, um neben dem existenznotwendigen Gewinn auch den finanziellen Verpflichtungen nachkommen zu können, niedrig genug, um für die Kundschaft attraktiv zu sein.

Das Krebsübel unseres Berufsstandes ist in diesem Zusammenhang, dass zumindest der Kassenzahnarzt seine „Preise" eben nicht selbst kalkulieren darf. Ständig steigenden Anforderungen („state of the art") stehen Kassenhonorare gegenüber, die den Gesetzen eines freien Marktes eben nicht folgen. Mit den sich daraus ergebenden Konsequenzen werden wir uns in der Folge befassen.

Das Thema „Geldnot mit daraus resultierenden Zahlungsschwierigkeiten" stellt gerade für unseren Berufsstand eines der klassischen Tabuthemen dar. Selbstbewusst, mit Siegerlächeln und jeder Situation gewachsen, so wollen uns Patienten und MitarbeiterInnen sehen, nicht in Geldnöten nächstens wach liegend und grübelnd, wie wir unseren Zahlungsverpflichtungen nachkommen können!

ZMT plant also eine Serie, die sich mit drei Kernbereichen des zahnärztlichen Berufslebens befassen wird. Wir wollen in diesem Zusammenhang auch genau zwischen Wahl- und KassenärztInnen unterscheiden, um deren eventuell vorhandenen, spezifischen Probleme zu erkunden:

a) Zum ersten wird es um die Existenzgründung und die damit verbundenen finanziellen Verpflichtungen gehen. Wir wollen untersuchen, inwieweit das Med.dent-Studium nicht nur fachlich, sondern auch kaufmännisch auf das zukünftige Leben als Freiberufler vorbereitet und weiter, welche einschlägigen Fallstricke es für die jungen KollegInnen von heute gibt.

b) Der zweite Schwerpunkt betrifft die KollegInnen, die etwa in der Mitte ihres Berufslebens stehen. Wie sieht deren ökonomische Situation wirklich aus? Zahlen sie noch an ihren Gründungsschulden? Wie sieht die Eigenkapitaldecke aus? Wie kostendeckend sind die Kassenhonorare? Sind die im Interesse einer fairen Kostenwahrheit genauso stark angestiegen wie die Anforderungen, die heute an uns gerichtet werden? Sind die KollegInnen dank ihrer Ertragslage fähig, ihre Ordinationen den Erfordernissen entsprechend grundlegend zu modernisieren? Können sie es sich überhaupt leisten, etwa für die Erweiterung ihres Therapieangebotes in großem Stil zu investieren?

c) Der dritte und letzte Bereich wird sich mit dem Ende des Berufslebens befassen. Wie sieht es in den einzelnen Bundesländern mit der Niederlegung aus? Wie gut kann man Ordinationen heute noch „verkaufen"? Hat man überhaupt noch das Recht dazu? Wie sieht unter diesem Gesichtspunkt die Investitionsfreudigkeit der KollegInnen in der Zeit vor dem Pensionsantritt aus? Waren die Kassen- und sonstigen Honorare ausreichend? Wie stark belasten Abfertigungszahlungen? Haben sich die im Laufe des Berufslebens getätigten Investitionen amortisiert? Oder erkennt manche Kollegin bzw. mancher Kollege am Ende des Berufslebens verbittert, dass sie/er aufgrund der heutigen Verhältnisse die Pension unter schlechten finanziellen Verhältnissen antreten muss? Gibt es Probleme mit der Pension des Wohlfahrtsfonds?

Viele Fragen und, seien wir ehrlich, manche davon sind heikel. Aber ist es nicht endlich einmal an der Zeit, das alles öffentlich zu machen und durchaus kontroversiell zu diskutieren? Ist es für uns wirklich ehrenrührig, zuzugeben, dass auch wir vor finanziellen Problemen nicht gefeit sind?

Diskussionsforum
Natürlich werde ich Ihnen im Zuge der Serie auch etwas von meinem persönlichen Werdegang erzählen. Das wird nicht sehr schmeichelhaft für mich, denn ich war zeit meines Berufslebens immer meilenweit davon entfernt, ein kaufmännisches Genie zu sein. Aber viel wichtiger ist es für die ZMT-Leser, Ihre Meinung kennen zu lernen. Berichten Sie bitte über Ihre Erfahrungen und wie Sie die finanzielle Ertragslage der heute tätigen ZahmedizinerInnen sehen. Auf Wunsch kann ich Ihre persönlichen Mitteilungen dann anonym oder auch mit Namensnennung in die Serie einarbeiten.

Daneben wollen wir auch ein eigenes Diskussionsforum einrichten, in dem Sie direkt zu Wort kommen sollen. Das Thema ist gerade in unseren Tagen brandaktuell und wie kein zweites geeignet, gemeinsam erarbeitet zu werden. Bitte helfen Sie durch Ihren Beitrag mit. Denken Sie daran, dass Sie durch die Schilderung eventueller Probleme und deren Lösung jungen KollegInnen helfen können. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Niemand verlangt natürlich von Ihnen, Ihre augenblickliche finanzielle Situation offenzulegen. Aber auch wenn Sie das nicht tun, kann Ihr Beitrag eine große Hilfe sein, letztendlich auch für Sie selbst. Vor noch nicht allzu langer Zeit hat ein hoher Kassenfunktionär eines bevölkerungsreichen Bundeslandes allen Ernstes die Meinung vertreten, dass ein Zahnarzt, der nicht reich werde, etwas falsch mache. Die Verhandlungspartner, mit denen unser Präsident Westermayer derzeit um die Neufassung des Kassenvertrages („Zahn neu") ringt, könnten durchaus auch der Meinung sein, man könne den Zahnärzten in diesen Zeiten ruhig viel zumuten, denn bei denen sei das ja aufgrund ihres „Reichtums" nicht so schlimm.

Wie reich sind wir also heute wirklich? Ich bin auf Ihre Beiträge gespannt.

Dr. Peter Standenat
Kontakt: p.standenat@gmx.at