NÖ-Wohlfahrtsfonds: Reform abgesegnet ? Sammelklage droht

Der Ausgang der Abstimmung stand auf des Messers Schneide. Von 55 anwesenden Stimmberechtigten stimmten in der a.o. Vollversammlung am 18. Februar 37 für die vom Präsidenten der niederösterreichischen Ärztekammer, Dr. Christoph Reisner, initiierte Satzungsänderung.

Die notwendige 2/3-Mehrheit wurde damit hauchdünn erreicht. 14 Wahlberechtigte enthielten sich der Stimme. Die Reform des Wohlfahrtsfonds war damit aber angenommen.

Gegen die Änderung mit ihren zum Teil einschneidenden Maßnahmen und finanziellen Einbußen sprachen sich die vier Mandatare der Gruppe „Wir Ärzte NÖ" um den früheren Präsidenten Dr. Günter Höhne aus. Der kündigte im Gespräch mit ZMT gemeinsam mit dem ehemaligen Vorsitzenden des WFF-Verwaltungsausschusses, Dr. Gerhard Weintögl, eine Sammelklage von rund 60 Kollegen gegen die nun am 1. April 2009 in Kraft getretene Reform an.

Höhne stützt sich dabei auf den §109, Absatz 8 im Ärztegesetz. „Dort ist festgelegt, wie und warum ein Pensionssicherungsfaktor eingezogen werden kann. Und das ist unserer Ansicht jetzt nicht gegeben. Juristen geben uns da gute Chancen."

Kammerpräsident Reisner gibt sich betont gelassen: „Eine solche Klage war zu erwarten. Aber hätten wir die Pensionssicherung nicht gemacht, hätten die Aktiven geklagt." Der Präsident der Landeszahnärztekammer Niederösterreich, Dr. Hannes Gruber, ist ähnlicher Meinung: „Es ist jedem, der sich in seinen persönlichen Rechten verletzt fühlt, unbenommen, rechtliche Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings sollte gerade unsere Generation - und zwar Aktive und Pensionisten - den Solidaritätsgedanken gegenüber den nachfolgenden Generationen von Ärzten und Zahnärzten verinnerlichen."

Betroffen von diesen Neuerungen sind nicht nur die rund 6.800 in Niederösterreich amtierenden Ärzte, sondern auch die 679 Zahnärzte.

Intensive Diskussion
Der Abstimmung vorausgegangen war eine nochmalige intensive Diskussion mit dem österreichischen Sozialrechtler Prof. Dr. Wolfgang Mazal sowie den beiden deutschen Gutachtern, dem Diplommathematiker Dr. Richard Hermann von der Kölner Heubeck AG und Prof. Dr. Edgar Neuburger vom Münchner Institut für Wirtschaftsmathematik und betriebliche Altersversorgung.
„Beide Gutachter unterstrichen in der Diskussion den sofortigen Handlungsbedarf, um unser Pensionssystem nachhaltig zu sichern", so Dr. Gruber. „Aus meiner Sicht war dies die absolut richtige Entscheidung zum richtigen Zeitpunkt. Jedes Zuwarten wäre nicht zu vertreten gewesen. Alternativen zu einem umfassenden Sanierungspaket gab es daher keine."

Zu hohe Versprechungen
Damit werden künftig sowohl Aktive als auch Pensionisten in gleichem Maße belastet (siehe unten: "Alle Änderungen auf einen Blick").

Warum allerdings erst seit dem Amtsantritt von Dr. Reisner und Dr. Gruber vor rund zwei Jahren so intensiv an der Sanierung des WFF gearbeitet wird, erklärt der Kammerpräsident so: „Die, die früher an der Macht waren, haben es - aus welchen Gründen auch immer - verabsäumt, die Maßnahmen entsprechend den Gutachten umzusetzen." Er sieht die Ursache für die nun notwendigen Maßnahmen auch darin, dass jahrzehntelang seitens der früher Verantwortlichen nicht reagiert wurde und dass zu hohe Versprechungen an die Pensionisten gemacht worden seien.

Kein Geheimbund
Dr. Reisner wehrt sich auch gegen immer wieder aus Mitgliederkreisen kommende Stimmen, die der Kammer die Kommunikationspolitik eines „Geheimbundes" unterstellen. „Die Namen der Gutachter, ihre Originalarbeiten und die Kommentare dazu stehen im Intranet. Da kann jeder sich das ansehen."

Wie der Vorsitzende des Verwaltungsausschusses des WFF, Dr. Josef Sattler, in seinem Beitrag im „Consilium" (1+2/2009, S. 8) schreibt, besteht „in der Grundrente mit Stichtag 31.12.2007 eine Unterdeckung von 399,5 Mio. Euro, in der Zusatzrente von 297 Millionen". Das sind rund 700 Mio. Euro - nach Altwährung die horrende Summe von 10 Milliarden Schilling - und damit pro niederösterreichischem Arzt von fast 100.000 Euro. Dr. Reisner wiegelt dagegen ab: „Das ist zwar ein Maßstab, jedoch nur ein theoretischer Wert. Denn das gilt nur, wenn ab sofort niemand mehr in das System einzahlt und der Fond muss alle, die eingezahlt haben, bedienen. Dieser Fall tritt aber nicht ein."

Die gelegentlich vonseiten der Kammermitglieder geäußerte Ansicht, dass bis zum Pensionsantritt die Höhe der zu erwartenden Rente nicht transparent sei, weist der Kammerpräsident zurück. „Es kann sich jeder informieren und sich das jederzeit durchrechnen lassen. Man muss sich nur einen Termin in der Kammer ausmachen." Dr. Reisner räumt allerdings ein, dass es infolge der Unsicherheit in den vergangenen Monaten, als noch nicht klar war, wie die Satzungsänderungen aussehen würden, zu Verzögerungen gekommen sein könnte. „Aber ab 1. April wissen wir, was umgesetzt wird." Dazu sollen Informationsveranstaltungen in der Kammer und in den fünf Regionen abgehalten werden.

Von der Finanz- und Bankenkrise sei der Wohlfahrtsfonds nur „ganz wenig" betroffen, so Dr. Reisner. Die Höhe kann der Präsident infolge der noch nicht vorliegenden Bilanz nicht nennen. Da vor rund eineinhalb Jahren die Veranlagungsstrategie verändert, alle Engagements aufgelöst und mehrheitlich in Festgeld veranlagt wurde, sei der Wohlfahrtsfonds von dem weltweiten Finanzdesaster kaum betroffen.

Geld gut angelegt
„Das war sicher auch ein Zufall, dass das vor der Krise gewesen ist", gibt Dr. Reisner zu. Ein Teil sei in Immobilien veranlagt, in Fonds sei man nur marginal engagiert. Mit einem aktuellen Vermögen von rund 250 Millionen Euro sei „der Zustand des Fonds kein bedrohlicher. Aber wir sind gedanklich 40 bis 50 Jahre voraus und müssen jetzt Vorsorge treffen. Denn wir haben jetzt einen Gipfel von Aktiven im Alter von 40 bis 45. Aber in etwa 20 Jahren kommt ein Berg von Pensionisten auf uns zu."

Nach der vor einigen Jahren erfolgten Trennung von Zahnärzte- und Ärztekammer fordern Mitglieder auch immer wieder die Herauslösung des zahnärztlichen WFF. Zahnärztepräsident Gruber: „Der gemeinsame Wohlfahrtsfonds ist im Ärztegesetz 1998 und im Zahnärztegesetz verankert. Einer Trennung müsste daher eine Gesetzesänderung auf Bundesebene vorausgehen." Ob dies angesichts der Kammertrennung und der damit verbundenen Eigenständigkeit beider Berufsgruppen aber immer so sein werde, wagt Dr. Gruber derzeit jedoch nicht zu beurteilen.

Dr. Fritz Luger

Alle Änderungen auf einen Blick
Die am 18. 2. 2009 beschlossenen Maßnahmen im Detail (vorbehaltlich der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde):

Allgemein
• Keine Valorisierung der Leistungen
• Das Regelpensionsalter wird vom vollendeten 60. Lebensjahr auf 65 Jahre erhöht
• Vorzeitige Altersversorgung frühestens mit dem vollendeten 60. Lebensjahr mit Abschlägen
• Pensionsantritt nach Erreichen des Regelpensionsalters mit Zuschlägen

Grundleistung
• Der Durchrechnungszeitraum steigt von 30 auf 35 Jahre
• Die Anwartschaft pro Jahr sinkt daher von 3,33 % auf 2,857 %
• Ein Pensionssicherungsbeitrag für Pensionisten wird mit zehnjähriger Übergangsfrist eingeführt (monatlich 0,125 %)
• Pensionen unter 900 Euro sind davon nicht tangiert
• Pensionen bis 1.200 Euro unterliegen linear einer Einschleifregelung
• Leistungsreduktion für zukünftige Pensionisten (Einführung mit zehnjähriger Übergangsfrist, monatlich 0,125%)
• Bei Pensionsantritt während der Übergangsfrist vom 1. 4. 2009 bis 31. 3. 2019 erfolgt eine Kombination aus Leistungskürzung und Pensionssicherungsbeitrag, damit es zu keiner Doppelbelastung kommt

Zusatzleistung
• Der Pensionssicherungsbeitrag für Pensionisten beträgt entsprechend der individuellen Unterdeckung maximal 20%, Einführung mit fünfjähriger Übergangsfrist, linear ansteigend
• Leistungsreduktion für künftige Pensionisten durch Reduktion des Verrentungsfaktors, entsprechend individueller Unterdeckung maximal auf 0,6% für bis zum 31. 3. 2009 bezahlte Beiträge
• Beiträge, die nach dem 31. 3. 2009 entrichtet werden, werden unter Anwendung einer Einmalprämientabelle verrentet
• Bei Pensionsantritt während der Übergangsfrist zwischen 1. 4. 2009 und 31. 3. 2014 erfolgt eine Kombination aus Leistungskürzung und Pensionssicherungsbeitrag, damit es zu keiner Doppelbelastung kommt
• Das Höchstmaß der Einzahlung zur Zusatzleistung wird durch Änderung der Bezugsgröße Grundleistung gemäß § 98 ÄG auf 358.275 Euro reduziert.
www.arztnoe.at

Zur Person
Dr. Christoph Reisner wurde 1961 geboren, maturierte 1979 und absolvierte anschließend ein Medizinstudium an der Universität Wien, wo er 1986 zum Doktor der gesamten Heilkunde promovierte. Der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie und spätere Oberarzt am Krankenhaus in Wiener Neustadt eröffnete 1997 eine Ordination als Wahlarzt in Neunkirchen und ist sei 1998 auch gerichtlich zertifizierter und beeideter Sachverständiger. 1999 gründete er auch eine Firma für medizinische Software und startete im selben Jahr auch seine Tätigkeit in der Ärztekammer Niederösterreich. Seit 30. Mai 2007 ist er Präsident der Ärztekammer für Niederösterreich. Er folgte Dr. Günter Höhne nach.
www.wahlarzt.at

Dr. Christoph Reisner