Der Dauerbrenner: die zahnärztliche Werbung

Seit Jahren haben wir es mit einer wahren Werbeflut aus östlichen Gefilden zu tun. Vom Gratiszahntaxi über die exklusive Patientenunterbringung im eigenen Schloss bis zu den tollsten verwendeten Materialien und dem grandiosen Behandlerkönnen, kurz gesagt: der „Osten" ist einfach spitze!

Jedenfalls wird uns das seit Jahr und Tag aus allen denkbaren Printmedien vermittelt. Unverbesserliche Nörgler, die das so nicht akzeptieren wollen, erinnern an irgendwelche Werberichtlinien, die es doch geben soll. Aber die entsprechende Richtlinie - man kann sie in der ÖZÄK-Homepage einsehen! - ist von ähnlicher Brillanz wie das derzeitige Rauchergesetz. Seit Jahren rührt unser Staat keinen Finger, die heimische Kollegenschaft vor derartigen östlichen Übergriffen zu schützen. Um ehrlich zu sein: damit entspricht der österreichische Staat ziemlich genau dem Bild, das ich mir von ihm schon längst gemacht habe.

Seit einigen Jahren ist nun eine Entwicklung zu beobachten, die nicht dazu angetan ist, Freude aufkommen zu lassen. In ständig steigendem Ausmaß werben nun auch österreichische KollegInnen auf ähnliche Weise. Das zeigt sich sogar schon an den „Zahnarzt"-Seiten des Telefonbuches. Die sehen von der Ferne schon genausoaus wie die Friseur-Seiten, nur wird statt der „Echthaarverlängerung" unter anderem eben die „ästhetische Zahnheilkunde" angepriesen, woraus zu schließen ist, dass es auch eine unästhetische Zahnheilkunde geben muss, die jedoch nirgends beworben wird.

Inländische Werbung
Welch Blüten die Werbetätigkeit heimischer KollegInnen zuweilen treibt, sei im Folgenden an einigen Beispielen erläutert:
In der Stadtgemeinde, in der ich meine Ordination habe, erscheint das Magazin „e. - Unternehmer machen Zeitung". Im Impressum finden wir schön eingebettet zwischen Leuchtenfirmen und Autohäusern als Mitherausgeberin die Kollegin D. In der Ausgabe 02/09 erklärt uns D., und das gleich großformatig auf eineinhalb Seiten, was Sache ist. „Ein Leben lang aufgrund gesunder Zähne strahlend lächeln", stellt sie in Aussicht. Für wen dieser Traum schon heute Realität ist? Eh klar, für D.'s Patienten. Nachdem sie uns im „neuen Zeitalter der Zahnmedizin willkommen geheißen" hat, klärt sie uns unmissverständlich darüber auf, dass sie Inhaberin eines „Zentrums" ist, keiner biederen Ordination. Dass die ÖZÄK die Bezeichnung „Zentrum" für einzelne Ordinationen als unzulässig erachtet und deswegen auch schon Prozesse führt, ficht die Dame nicht sonderlich an, denn in ihrem Werberausch tönt sie punkto Zahnimplantate: „So fest wie die eigenen Zähne - Zahnimplantate". Wollen wir nur hoffen, dass Patienten mit gelockerten Zähnen von ihr nie Implantate erhalten. Punkto Mundhygiene will D. geradezu als Missionarin angesehen werden. D. im O-Ton: „Besonders freue ich mich, dass es mir gelungen ist, die Bedeutung der Prophylaxe, deren Wichtigkeit und Vorteile für die Patienten bekannt zu machen. Ich sehe mich da schon als Vorreiterin..." . Netto: An D.'s Wesen soll das zuvor mundversaute Städtchen M. genesen.

Und zum guten Ende kann ein bisschen Anbiederung (ich wollte ein anderes Wort verwenden, aber schließlich ist D. eine Dame!) nicht schaden. Sie säuselt: „Die M.-Bevölkerung und somit meine Patienten sind besonders angenehme Menschen ...... gebildet ...... aufgeschlossen ...... interessiert ...... sehr gesundheitsbewusst".

Was ich mir dazu denke, verhehle ich hier. Ich werde Sie, geehrte Kollegin D., jedenfalls nicht bei der Kammer vernadern, herrschen Sie ruhig weiter über Ihr Zentrum, wir KollegInnen aus der näheren und weiteren Umgebung werden es überleben!

Ausländische Spezialisten
In der Farbbeilage einer großen Tageszeitung (Ausgabe 21. 02. 2009) finden wir in der Rubrik „Gesund & fit" einen ausländischen „Spezialisten". Der werkt gar nicht so weit weg von Wien, und er ist nicht nur Spezialist allein, er ist auch „Professor". Allerdings Professor h.c.. Das soll durch zwei in Klammern angeführte seltsame Worte erläutert werden, was aber zumindest in meinem Fall und in dem zweier Kollegen als durchaus misslungen bezeichnet werden kann. Wir rätseln daher, was es mit dem h.c. auf sich hat: ist der Mann Sangesprofessor wie Udo Jürgens? Oder Sportkommentatorprofessor wie der legendäre Kurt Jeschko? Ein Schauspieler? Ein Dichter? Wir wissen es nicht. Was wir hingegen wissen, ist, was der Professor h.c. und Spezialist unter „fairen Preisen" versteht, denn das zählt er in seinem Inserat penibel auf: Implantat € 690,-/Krone € 290,-/Mundhygiene € 49,-. Der Platz war begrenzt, deshalb konnte er uns auch nicht mehr mitteilen, ob es sich hier um All-inclusive-Preise handelt oder ob nicht doch saftige Nebengebühren eingehoben werden. Auch die genauere Leistungsspezifikation vermissen wir schmerzlich.

Auf der gleichen Seite produziert sich Kollege F. als Reimer: „Wenn Sie Dr. F. haben, werden Sie nie verzagen", tönt er sich in die Herzen der Leser. Außerdem bietet er „Kronen in allen Qualitäts- und Preisklassen" an. Und damit die Patienten von Dr. F. wirklich nicht verzagen, erhalten sie fünf Jahre Garantie. Wirklich? Na ja, so genau weiß man das nicht, denn es steht „bis zu". Und für eine nähere Spezifikation hat auch hier leider der Platz nicht ausgereicht. Was das Sortiment betrifft, gestehe ich zerknirscht, dass mir Kollege F. weit überlegen ist. Ich biete nämlich Kronen durchaus nicht in allen Qualitätsklassen an, sondern nur in denen, die ich vor mir selbst verantworten kann. Den Patienten, der deswegen verzagt und daher zu F. oder in den Osten geht, werde ich wohl nicht halten können.

Viele offene Fragen
Das waren nur wenige Beispiele, sie alle kennen beliebig viele andere. Die ganze Situation, so wie sie heute - leider! - besteht, wirft einige grundsätzliche Fragen auf:

a) Soll ZahnärztInnen in unseren Tagen Werbung überhaupt gestattet sein?
Meine Meinung dazu ist grundsätzlich „ja", obwohl ich selbst niemals werbe. Der Zahnarzt ist heute ein Unternehmer, und er muss das Recht haben, auf sich und seine Leistungen aufmerksam zu machen, so er das für nötig hält.

b) Soll die zahnärztliche Werbung präzisen Regeln unterworfen werden?
Also, wir sehen ja heute, wohin es führt, wenn das nicht geschieht: Unser aller guter Ruf droht, den Bach hinunterzugehen, anders kann man das nicht mehr bezeichnen. Der von mir hochverehrte Kollege Senoner hat schon vor Jahren in einem Artikel geschrieben, dass Zahnärzte, die sich wie Modefriseure benehmen, unweigerlich auch als solche behandelt werden würden. Ohne die Haarkünstler in irgendeiner Weise abqualifizieren zu wollen: Das einschlägige Anforderungsprofil eines Mediziners sollte schon strenger gesehen werden als das eines Trendfriseurs.
Was sollte daher in Hinkunft punkto Werbung unterbleiben? Einige Vorschläge:

  • Das Nennen von scheinbar günstigen Fixpreisen für nicht näher definierte Leistungen („Krone") in Inseraten ist vollkommen indiskutabel.
  • Die Eigendefinition als „Spezialist" sollte nur dann geführt werden dürfen, wenn diese behauptete Tatsache durch zweifelsfrei erworbene Qualifikationen eindeutig belegbar ist.
  • Ein „Prof. h.c."-Titel hat in einem Fachinserat überhaupt nichts verloren.
  • Auch unklar formulierte „Garantieerklärungen" sind grob unseriös. Wenn überhaupt, sollte nur von Gewährleistung gesprochen werden.

c) Soll das letztlich gefundene Regelwerk auch den Printmedienherstellern bekannt gemacht werden und sollen diese ultimativ veranlasst werden können, nur regelkonforme Werbung zu drucken?

In dieser Frage liegt meiner Ansicht nach überhaupt des Pudels Kern. Seit über einem Jahrzehnt verdienen sich die Herrschaften von den Printmedien eine goldene Nase nach der anderen mit zu einem erheblichen Teil unseriöser aus- und nun auch schon inländischer zahnärztlicher Werbung. Doch nach den derzeitigen Gesetzen unseres prächtigen Staates scheinen sie das bis in alle Ewigkeit auch vollkommen ungestört weiter tun zu können. Ein Gesetz, das die Anständigen vor den Unanständigen nicht schützt, taugt nichts, und wenn dieser Zustand, wie in unserem Fall, schon länger als ein Jahrzehnt besteht, taugt auch der Gesetzgeber nichts. Wüssten die Printmedienhersteller, dass sie saftige Strafen riskieren, wäre es mit der ein-schlägigen unseriösen Werbeflut sehr schnell zu Ende.

Präzises Regelwerk
Unseriös werbende „KollegInnen" versuchen, sich auf Kosten der korrekten Kollegenschaft einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Wenn wir diesen Zustand nicht bis in alle Ewigkeit hinnehmen wollen, werden wir um ein punkto Werbung für uns alle verbindliches präzises Regelwerk und die strenge Kontrolle seiner Einhaltung nicht herumkommen. Wenn unsere Standesvertreter bzw. die Politiker dazu nicht willens bzw. in der Lage sind, wird das Ansehen unseres - ganzen! - Standes schweren Schaden nehmen.

Dr. Peter Standenat