Infektiöse orale Erkrankungen, Teil 1: Kinder und Jugendliche

Mikrobiell verursachte orale Erkrankungen wirken sich je nach Lebensalter unterschiedlich aus. Altersspezifische Veränderungen und hormonelle Faktoren sind entscheidend.

Mundschleimhaut, Zahnhartgewebe und Parodont sind zeitlebens bakteriellen, viralen und fungalen Reizen ausgesetzt. Form, Manifestation und Häufigkeit infektiöser Erkrankungen variieren jedoch in Abhängigkeit vom jeweiligen Lebensalter. Dies hat seine Ursache einerseits in entwicklungsbedingt unterschiedlichen immunologischen und hormonellen Faktoren, aber auch in altersspezifischen Veränderungen und hinzutretenden systemischen Grunderkrankungen.

Orale Erkrankungen sind keine nur auf die Mundhöhle beschränkten, isoliert auftretenden Erscheinungen, sondern müssen im Konnex mit Zustand und Verfassung des Gesamtorganismus gesehen werden. Kinder und Jugendliche sind keine „kleinen Erwachsenen", und alte Menschen haben andere körperliche Eigenschaften und Bedürfnisse als Menschen mittleren Lebensalters. Bei der Diagnose bestimmter oraler Läsionen und der Wahl der geeigneten Therapie müssen solche Faktoren berücksichtigt werden.

Zahnfleischerkrankungen bei Immunkompetenten
Schwere Formen von Gingivitis und Parodontitis treten normalerweise bei Kindern deutlich seltener als bei Erwachsenen auf und sind in den meisten Fällen fast ausschließlich auf mangelnde oder falsche Mundhygiene zurückzuführen. Allerdings zeigen aktuelle Untersuchungen aus Deutschland, dass bei 13- bis 14-jährigen Jugendlichen nur noch 15% ein völlig gesundes Zahnfleisch haben. Bakteriell verursachte Gingivitiden sind gegenüber der früher in diesem Lebensalter dominanten Karies im Vormarsch. Zahnfleischentzündungen werden in der Frühphase oft nicht ausreichend beachtet, und somit wird häufig noch vor der Pubertät die Grundlage für eine spätere destruktive Parodontalerkrankung geschaffen. Vermehrte supra- und vor allem auch subgingivale Zahnbeläge und Zahnstein konnten bei 5% der untersuchten Kinder im Vorschulalter und bereits bei 25% der Kinder im schulpflichtigen Alter nachgewiesen werden. Die Hauptmenge des Zahnsteins wurde dabei in der Nähe der Ausführungsgänge der großen Speicheldrüsen gebildet. Durch den geringeren Gehalt an Kalziumphosphat und den höheren pH-Wert im kindlichen Speichel ist die Tendenz zur Zahnsteinbildung bei Kindern zwar geringer als bei Erwachsenen, aber die entstehende Menge an Zahnstein reicht aus, um zu Irritationen der Gingiva zu führen. Dramatischer wird die Situation, wenn ein koordiniertes Kauen durch Anomalien mit offenem Biss verhindert wird oder durch körperliche Behinderung eine normale regelmäßige Mundhygiene nicht möglich ist. Auch bei bestimmten Formen der Amelogenesis imperfecta kommt es durch die raue Zahnoberfläche zu verstärkten Ablagerungen. Ansonsten sind die entzündlichen Veränderungen vor der Pubertät meist reversibel, nur in setenen Fällen ist mit bleibenden Schäden und signifikantem Abbau des Kieferknochens zu rechnen.

Pubertät als Risikofaktor für Entstehung einer Parodontitis
Die hormonellen Umstellungen in der Pubertät haben großen Einfluss auf das ökogische Gleichgewicht der mikrobiellen und geweblichen Faktoren in der Mundhöhle.

In vielen Fällen sind nun bei Jugendlichen bereits kleine, aber röntgenologisch schon feststellbare Destruktionen nachweisbar. Orale Gewebe sind Zielorgane von Steroidhormonen, zu welchen Östrogen, Testosteron und Progesteron gehören. Diese Hormonklassen wirken auf die Lysosomen und triggern so die Freisetzung hydrolytischer Enzyme, welche wiederum zu überschießender Immunantwort führen. Mit der Erhöhung des Bluthormonspiegels bei pubertierenden Jugendlichen steigt gleichzeitig auch der Hormonspiegel in der Sulcusflüssigkeit an. Hier kommt es in der Folge zu einer lokalen Beeinträchtigung der Synthese von Kollagen und Glycosaminen, und gleichzeitig wird die Aktivität der Leukozyten beeinflusst. Eine gute Zahnpflege von der frühen Kindheit an macht sich in dieser Phase für die Mundgesundheit in jedem Fall bezahlt.

Ist hingegen durch vorangegangene schlechte Mundhygiene eine entsprechende parodontal-pathogene Keimflora im Mund des Patienten etabliert, können nun die Steroidhormone direkten Einfluss auf Vermehrung und Wachstum besonders der schwarzpigmentierten Anaerobier wie Prevotella intermedia und Porphyromonas gingivalis nehmen. Es treten vermehrt Blutungen und Entzündungen, oft verbunden mit Schwellungen des Zahnfleisches auf. In dieser kritischen Phase sollten eine engmaschige zahnärztliche Überwachung, professionelle Mundhygiene und der Einsatz lokaler Antiseptika einen Übergang in knochendestruktive, aggressive Parodontalerkrankungen verhindern.

Spezielle Formen der parodontalen Erkrankungen
Über das Auftreten parodontaler Erkrankungen des durchbrechenden Milchgebisses gibt es bisher aufgrund der Seltenheit solcher Veränderungen nur wenige Untersuchungen. Zudem sind sondierbare Taschentiefen von über 3mm bei durchbrechenden Zähnen und lokalisierte Entzündungen benachbarter Zähne keine Seltenheit und ohne eigentlichen Krankheitswert. Mehr Bedeutung kommt hingegen dem Krankheitsbild der präpubertären Parodontitis zu, welche ähnlich der später auftretenden juvenilen Parodontitis in einer lokalisierten (LPP) und einer generalisierten (GPP) Form auftreten kann.

Die LPP tritt bereits in der frühen Kindheit auf und hat eine Häufigkeit von 0,4-7 Prozent. Es finden sich nur geringe Entzündungszeichen, aber ein rapider Abbau des Kieferknochens. Die generalisierte Form ist in unseren Breiten extrem selten. Sie geht immer mit massiven Entzündungen, Schwellungen und Gingivablutungen einher.

Die Ursache für die Erkrankung liegt in einer Störung der lokalen Immunabwehr mit reduzierter Chemotaxisfunktion der neutrophilen Granulozyten. Das restliche Immunsystem hingegen ist nicht betroffen. Forschungen haben ergeben, dass es sich um eine Mutation im Cathepsin-C-Gen, ähnlich wie beim Papillon Levefre Syndrom handelt. Da die LPP aber nicht mit Palmoplantarkeratose einhergeht, könnte es sich möglicherweise um ein Teilsyndrom des Syndroms handeln.

Die Formen der juvenilen Parododontitis zählen ebenfalls zu den „early onset" Parodontopathien. Sie treten meist zwischen dem 12. und 15. Lebensjahr auf, die lokalisierte juvenile Parodontitis (LJP) vor, die generalisierte juvenile Parodontitis (GJP) erst gegen Ende der Pubertät. Es wird diskutiert, ob es sich bei den beiden Erkrankungsformen nicht um Stadien derselben Krankheit handelt. Die LJP betrifft Mädchen häufiger als Jungen und tritt an den Schneidezähnen und den ersten Molaren auf. Sie verläuft initial klinisch symptomlos, führt aber zu raschem, massiven Knochenabbau. Oft kommt es innerhalb eines Jahres zu einem bis 75prozentigem Attachmentverlust. Auch hier werden als primäre Ursachen eine Störung der Chemotaxis und der Phagozytosetätigkeit der Abwehrzellen sowie eine Variabilität im Lactoferrin-Gen diskutiert. Leitkeim der LJP ist Actinobacillus actinomycetem comitans (Aac.), ein gramnegatives, fakultativ anaerobes kokkoides Stäbchen mit hohem Pathogenitätspotenzial. Durch die Produktion von Leukotoxinen werden die Zellmembranen der Abwehrzelllen zerstört und Immunsuppressoren freigesetzt, welche die Antikörperproduktion und die Lymphokinsynthese hemmen. Über endotoxische Lipopolysaccharide kommt es zur Komplementaktivierung und damit zu Knochenabbau.

Juvenile Parodonititis erfordert rasche Intervention
Bei der GJP findet man, ähnlich wie auch bei der Erwachsenenparodontitis, größere Plaqueakkumulationen sowie Entzündungen mit entsprechender klinischer Symptomatik. Die dominanten Keime sind hier Prevotella- und Porphyromonasarten, das heißt Anaerobier, welche die Interleukin 1 Produktion der Monozyten stimulieren, wodurch es wiederum zur Osteoklastenaktivierung kommt.

Sämtliche juvenile Parodontitisformen erfordern rasche, effektive zahnärztliche Intervention, da sie zu raschem Zahnverlust bzw. zum Übergang in aggressive Erwachsenenparodontitis führen. Eine unterstützende Therapie mit systemischen Antibiotika ist unbedingt erforderlich, wobei in Fällen mit Beteiligung von Aac. Doxycyclin oder eine Kombination von Amoxicillin/Clavulansäre mit Metronidazol, bei Unverträglichkeit auch Fluorchinolone zur Eradikation des Keimes eingesetzt werden. Eine regelmäßige Überwachung mit Kontrolle des Keimspektrums bis ins Erwachsenalter ist unbedingt einzuhalten.

Ch. Eder
L. Schuder

Mikrobiell verursachte orale Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen
Schmutzgingivitis
Hormonell bedingte pubertäre Gingivitis
Lokalisierte präpubertäre Parodontitis
Generalisierte präpubertäre Paradontitis
Lokalisierte juvenile Parodontitis
Generalisierte juvenile Parodontitis

Parodontalerkrankungen bei Kindern mit systemischen Grunderkrankungen
Gingivostomatitis herpetica
Orale Candidiasis