Montagmorgen. Unser erster Patient sitzt mit besorgtem Blick auf dem Behandlungsstuhl. Vor sechs Monaten wurde sein schmerzender Backenzahn nach allen Regeln der Kunst wurzelkanalbehandelt. Doch nun klagt er erneut über Schmerzen beim Aufbiss und ein dumpfes Pochen im Kiefer.
Ein bekanntes Problem: Trotz korrekt durchgeführter Therapie treten gelegentlich Beschwerden auf. Persistierende Mikroorganismen in schwer zugänglichen Kanalbereichen sind häufig die Ursache. Können Laser hier Abhilfe schaffen?
Die Besonderheiten einer Laser-Lichtquelle
Laserlicht zeichnet sich durch Kohärenz, Monochromasie und geringe Divergenz aus – Eigenschaften, die eine gezielte und kontrollierte Energieübertragung auf Gewebe und Spüllösungen ermöglichen. Je nach Wellenlänge, Impulsdauer und Leistungsparametern kann Laserstrahlung bakterizid wirken, Weichgewebe selektiv abtragen oder thermisch desinfizieren. In der Zahnmedizin haben sich insbesondere zwei Lasertypen etabliert:
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Erbiumlaser (Er:YAG 2936 nm, Er,Cr:YSGG 2780 nm): Diese zeigen eine hohe Absorption in Wasser und Zahnhartsubstanz und eignen sich besonders zur schonenden Gewebeablation sowie zur Spüllösungsaktivierung mittels Kavitationsmechanismen.
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Diodenlaser (z. B. 810–980 nm): Sie entfalten ihre Wirkung primär über photothermische Effekte und werden u. a. zur intrakanalären Desinfektion eingesetzt.
Effektive Reinigung bis in feinste Strukturen
Mikroskopische Gewebereste und Biofilme in Isthmen und Dentintubuli sind häufige Quellen persistierender Infektionen. Laserinduzierte Kavitationsblasen erzeugen durch ihre Implosion starke hydrodynamische Effekte, die Debris selbst aus schwer zugänglichen Bereichen entfernen können. Wesentlicher Vorteil gegenüber konventionellen Aktivierungsmethoden: Die Reinigungswirkung der Lasertechnologie ist nicht vom direkten Kontakt oder einer mechanischen Führung bis zum Kanalende abhängig. Kavitationswellen ermöglichen die Reinigung auch in stark gekrümmten Wurzelkanälen – ohne dass das Licht selbst „um die Kurve“ muss. Eigene Untersuchungen an der Sigmund Freud PrivatUniversität belegen die überlegene Reinigungsleistung von Laser- und Ultraschallaktivierung im apikalen Drittel stark gekrümmter Kanäle. Die Ergebnisse zeigen signifikant höhere Reinigungsgrade durch laserbasierte Verfahren in diesen komplexen anatomischen Regionen. Da verbliebenes infiziertes Gewebe maßgeblich zum Misserfolg beiträgt, unterstreichen diese Daten die Relevanz moderner Aktivierungstechnologien. Die nebenstehenden Mikros-kopaufnahmen verdeutlichen exemplarisch den Unterschied in der Kanalreinigung nach Ultraschall- und Laseranwendung (Abb. 1–2). Ein klinischer Fall unterstützt dies: Eine junge Patientin mit ausgeprägter Doppel-S-Krümmung wurde erfolgreich mit laseraktivierter Spülung behandelt. Die Röntgenaufnahmen zeigen, dass eine vollständige Reinigung allein mit konventionellen Feilensystemen nicht möglich gewesen wäre – ein deutliches Plädoyer für den Einsatz der Lasertechnologie bei schwieriger Anatomie (Abb. 3).
Klinisches Fallbeispiel
Ein Patient mit interradikulärem Knochenabbau an Zahn 36 wurde zur parodontalen Behandlung überwiesen. Die Diagnostik ergab jedoch eine primär endodontische Ursache in Form einer Pulpenteilnekrose. Nach Rücksprache mit der überweisenden Praxis wurde die endodontische Behandlung eingeleitet. Durch laserunterstützte Spülung konnte die bakterielle Besiedelung im Isthmus – insbesondere in einem koronal gelegenen Portal of Exit – vollständig eliminiert werden. Anschließende Versiegelung mit MTA führte zu Schmerzfreiheit und knöcherner Regeneration innerhalb von nur 4 Monaten – ohne zusätzliche parodontaltherapeutische Maßnahmen (Abb. 4–6).
Mehr Patientenkomfort, weniger Beschwerden
Der Laser bietet mehr als nur Desinfektion: gezielte Energieabgabe reduziert Blutungen, minimiert postoperative Schmerzen und fördert schnellere Heilung. Besonders bei Wurzelspitzenresektionen (WSR) kann der Laser minimalinvasiv Gewebe entfernen und für präzise Blutstillung sorgen.
Biostimulation, ROS und mitochondriale Aktivität
Photobiomodulation (PBM) durch Diodenlaser im roten und nahinfraroten Spektrum kann die ATP-Produktion in Mitochondrien durch Aktivierung der Cytochrom-c-Oxidase steigern und kurzzeitig reaktive Sauerstoffspezies (ROS) freisetzen. Dies aktiviert zelluläre Schutzmechanismen, reduziert oxidativen Stress und wirkt entzündungshemmend. Während PBM in gesunden Zellen den Transkriptionsfaktor NF-kB aktiviert, was für die Regulation von Immunantworten und Zellüberleben essenziell ist, hemmt es in entzündeten Zellen proinflammatorische Mediatoren – ein Vorteil für die Wundheilung und postoperative Regeneration.
Endodontische Laserausbildung – Wissen gezielt vertiefen
Die Anwendung von Lasertechnologie erfordert mehr als technisches Können – ein tiefgehendes Verständnis physikalischer Grundlagen, bio-logischer Wirkmechanismen und klinischer Einsatzmöglichkeiten ist unerlässlich. Für interessierte Zahnärzt:innen bietet die Sigmund Freud PrivatUniversität (SFU) Wien den berufsbegleitenden Masterstudiengang Lasers in Dentistry an. Ergänzend dazu werden demnächst laserunterstützte Endodontie-Workshops an der SFU angeboten, um die praktische Anwendung in der Wurzelkanalbehandlung gezielt zu vertiefen.
Ein Lichtblick für die Endodontie
Richtig angewandt kann der Laser in der Endodontie wertvolle Dienste leisten: Effektivere Desinfektion, gezielte Gewebeablation und schnellere Heilung. Ob in der eigenen Praxis oder in Kooperation mit Spezialisten – wer den Laser gezielt und situationsgerecht einsetzt, steigert den Behandlungserfolg und den Patientenkomfort nachhaltig. Dies gilt umso mehr, wenn die Laseranwendung durch 3D-Diagnostik und OP-Mikroskopie unterstützt wird.
Literatur:
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Hazrati et al., 2022, Lasers in Medical Science
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Fiegler-Rudol et al., 2023, International Endodontic Journal
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Hamblin et al., 2017, AIMS Biophysics
Dr. med. dent. Philipp Brenner
(M.Pr. Lasers in Dentistry – ongoing), +436702053360
E-Mail: philipp.brenner@med.sfu.ac.at
Zahnklinik der Sigmund Freud, PrivatUniversität, Wien