Parodontitis ist primär eine biofilmbedingte entzündliche Erkrankung, welche durch verschiedenste Risikofaktoren – angeborene und erworbene – beeinflusst wird. Der entzündungsfördernde Einfluss von manchen Lebensmitteln auf unseren Körper konnte schon in einigen Studien bewiesen werden und wirft die Frage auf, ob die richtige Ernährung uns vor einer Parodontitis bewahren bzw. uns in der modernen Parodontitistherapie unterstützen könnte.
Die derzeit gültigen S3-Leitlinien zur Behandlung von Parodontitis Stadium I-IV beinhalten noch keine expliziten Ernährungsempfehlungen aufgrund mangelnder Studienlage. Einzelne Untersuchungen haben aber bereits den Einfluss von Ernährung auf die Entzündung gezeigt, wie beispielsweise Wölber in einer Studie 2019 über Gingivitis. In jener Untersuchung wurde eine Testgruppe mit westlicher Ernährung (45 % prozessierte Kohlenhydrate) einer Kontrollgruppe mit antientzündlicher Ernährung gegenübergestellt. Es wurde gezeigt, dass sich die beiden Gruppen nicht hinsichtlich der Plaquewerte unterschieden, die Kontrollgruppe jedoch signifikant weniger Blutung aufwies. Dies könnte für die Entzündung so interpretiert werden, dass nicht die Plaque der entscheidende Faktor ist, sondern der Wirt, bzw. wie der Wirt auf einen Biofilm reagiert, der einer entsprechenden Ernährung ausgesetzt ist. Eine ausgewogene Ernährung reich an Früchten, Gemüse, Hülsenfrüchten, Nüssen, Olivenöl und Fisch wirkt entzündungshemmend. Ein spezielles Augenmerk wird auf die Zufuhr unterschiedlicher Fettsäuren gerichtet. Gesättigte Fettsäuren und Transfettsäuren wirken entzündungsfördernd, Omega-3-Fettsäuren aber auch Ballaststoffe und Vitamine weisen eine entzündungshemmende Wirkung auf unseren Körper auf. Rotes Fleisch erhöht die Entzündung durch die in ihm enthaltene Arachidonsäure, einer ungesättigten Omega-6-Fettsäure. Aufgrund dieser Tatsachen müsste eine vegane Ernährung ja eigentlich förderlich sein und Personen, die Fleisch vermeiden, besser abschneiden, was die Entzündung in der Mundhöhle betrifft. Dieser Frage ging Frau Dr. Vanessa Faber in einer Untersuchung nach, welche parodontale Parameter bei 32 Veganer*innen versus 28 Omnivoren ermittelte und diese miteinander verglich. Dabei zeigte sich, dass 66 % der Veganerinnen und Veganer Vitamin D supplementierten versus 11 % in der omnivoren Gruppe. Der DMFT Index lag in der veganen Gruppe interessanterweise signifikant höher als in der Vergleichsgruppe. Dabei ist unklar, ob dies von „Jugendsünden“ herrührte oder aber vom vermehrten Konsum prozessierter Lebensmittel, denn dieser lag bei den Veganern wesentlich höher. Vegan muss also nicht gleich gesund bedeuten, wenn man auf industriell verarbeitete Lebensmittel zurückgreift und vermehrt veganes „Fast-Food“ zu sich nimmt. Die Studie hat zusammenfassend ergeben, dass sowohl eine rein pflanzliche, als auch eine omnivore Ernährungsform mit einem gesunden Parodontium assoziiert waren (bei keinem der Teilnehmer wurde Parodontitis festgestellt). Auffallend war lediglich eine signifikant erhöhte Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln bei Veganern und ein höherer DMFT.
Ernährungsumstellung – nicht so trivial
Eine gezielte Ernährungsumstellung übersteigt jedoch den zahnmedizinischen Horizont und braucht optimalerweise die professionelle Unterstützung von Ernährungsberatern (z.B. www.iss-dich-frei.at) und unter Zuhilfenahme von Ratgebern. So gibt z.B. die AGES Ernährungsempfehlungen für Kinder im Alter von 4-10 Jahren in Buchform „Richtig essen von Anfang an!“. Dabei spielt ebenso eine Rolle, wie Mahlzeiten eingenommen werden. Man sollte beispielsweise immer aufrecht essen und nach dem Essen aufrecht bleiben oder auch vorzugsweise links schlafen, was die Magenentleerung erleichtert. Ingwertee vor den Mahlzeiten weist z.B. eine verdauungsfördernde Wirkung auf. Ebenso kommt es auf die Mahlzeitenfrequenz an, auf Nüchternphasen, die Zufuhr bestimmter Mineralwässer und die Größe der Portionen. Eine Ernährung nach einem Baukastensystem ist empfehlenswert, d.h. immer Getreide, Eiweiß und Gemüse kombinieren.
Wie sieht eine „Parodontitis“-Diät aus?
Diese lässt sich nach Wölber in mehrere Säulen aufteilen: • Niederglykämisch • Ballaststoffreich • Mikronährstoffreich • Präbiotisch • Omega-3-reich • Evolutionär
Niederglykämisch: Es braucht keinen zugesetzten Zucker, da dieser in der Leber rasch in Fett umgewandelt wird. Laut WHO sollte der Energiebeitrag von freiem Zucker auf 5 % gesenkt werden. Das entspricht 5 TL Zucker/Tag.
Ballaststoffreich/Präbiotisch: Durch Ballaststoffe werden die postprandiale Hyperglykämie gesenkt, eine höhere Sättigung nach Nahrungsaufnahme erzielt sowie das LDL und der Blutdruck gesenkt. Weizenkleie, Leinsamen oder Flohsamenschalen sind beispielsweise sehr reich an Ballaststoffen.
Mikronährstoffreich: die Zufuhr von Vitaminen wie Vitamin A (gegen freie Radikale), Vitamin B (für den Zellstoffwechsel), Vitamin C (Antioxidans) oder Vitamin D (antiinflammatorisch und antimikrobiell) wirkt sich positiv auf das Parodontium aus. Calcium, Phosphor, Magnesium, Eisen und Zink schützen vor oxidativem Stress und hemmen z.T. Parodontopathogene wie Porphyromonas gingivalis.
Omega-3-Fettsäuren: aus Kaltwasserfischen sind an der Auflösung von Entzündungen über die Produktion von Resolvinen beteiligt.
Sowohl in der Pathogenese als auch in der Heilungsphase scheint Ernährung einen wesentlichen Stellenwert einzunehmen. Das Paradigma „antibakteriell“ und „antiplaque“ sollte jedenfalls um „antiinflammatorisch“ und „heilungsfördernd“ im Sinne einer ausgewogenen Ernährung für die Mundgesundheit erweitert werden.
Literaturtipp: Die Ernährungs-Zahnbürste: Die effektive Langzeitformel gegen Karies, Parodontitis und Übergewicht Johan Wölber, Christian Tennert | ISBN: 9783962571733
Literatur: • Chapple ILC, Bouchard P, Cagetti MG, Campus G, Carra M-C, Cocco F, u. a. Interaction of lifestyle, behaviour or systemic diseases with dental caries and periodontal diseases: consensus report of group 2 of the joint EFP/ORCA workshop on the boundaries between caries and periodontal diseases. J Clin Periodontol. März 2017;44 Suppl 18:S39–51. • Martinon P, Fraticelli L, Giboreau A, Dussart C, Bourgeois D, Carrouel F. Nutrition as a Key Modifiable Factor for Periodontitis and Main Chronic Diseases. J Clin Med. 7. Januar 2021;10(2):E197. • Giugliano D, Ceriello A, Esposito K. The effects of diet on inflammation: emphasis on the metabolic syndrome. J Am Coll Cardiol. 15. August 2006;48(4):677–85. • Staufenbiel I, Weinspach K, Förster G, Geurtsen W, Günay H. Periodontal conditions in vegetarians: a clinical study. Eur J Clin Nutr. August 2013;67(8):836–40. • Parodontologie 01/19 – Ernährung und Parodontologie • Woelber JP, Bremer K, Vach K, König D, Hellwig E, Ratka-Krüger P, Al-Ahmad A, Tennert C.: An oral health optimized diet can reduce gingival and periodontal inflammation in humans − a randomized controlled pilot study. BMC Oral Health. 2016 Jul 26;17(1):28 • Faber V: Die Prävalenz parodontaler Erkrankungen bei veganer Ernährungsform − eine Querschnittsstudie, 2024
Univ.-Prof. Dr. Hady Haririan, PhD, MSc
Kontakt: Univ.-Prof. Dr. Hady Haririan, PhD, MSc, Leiter Parodontologie, Zahnklinik, Sigmund Freud PrivatUniversität (SFU) hady.haririan@med.sfu.ac.at
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Miriam Matejka und Vanessa Faber haben sich im Zuge ihrer Masterarbeiten an der Zahnklinik der SFU Wien mit Ernährung und Parodontitis beschäftigt und die Mundgesundheit von Vegetariern, veganern sowie Omnivoren untersucht.
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