Ich darf Sie um eine kurze Vorstellung bitten?
Acham: Ich absolvierte vorwiegend in Graz das Medizinstudium und dann in der Steiermark den Turnus zum Arzt für Allgemeinmedizin. Insgesamt leistete ich knapp drei Jahre der Ausbildung für das Fach Innere Medizin ab und war danach, teilweise zeitgleich zur Zahnmedizin-Ausbildung, als Allgemeinmediziner tätig. Die Freude an der Chirurgie führte mich unter Prof. Eskici an die Grazer Zahnklinik, wo ich seit über 20 Jahren als Oberarzt an der Klin. Abteilung für Orale Chirurgie und Kieferorthopädie tätig bin. In der Zeit meiner Leitung der ARGE OCMR konnte ich eine große Begeisterung innerhalb der eingeschworenen Gruppe von Enthusiasten für die Randbereiche der Zahnmedizin erfahren. Seit drei Jahren leite ich die Österreichische Gesellschaft für Implantologie (ÖGI), die finanziell in einer ganz anderen Liga spielt. Am kommenden ÖGI-Kongress (https://www.oegi.org/fortbildung/jahrestagung2024/) im November 2024 in Wien werde ich routinemäßig die Leitung an einen gewählten Nachfolger weitergeben.
Was sind Ihre fachlichen Schwerpunkte?
Acham: Schon lange vor dem Einstieg in die Zahnmedizin beschäftige ich mich mit Randthemen der Medizin, wie Gerinnungsstörungen und der Nutzen-Risiko-Abwägung von Antibiotika oder auch der Optimierung von Therapie-Schemata wie z.B. in der Schmerztherapie. Darum liegt auch mein Schwerpunkt in der Oralen Medizin und in der besonders „herausfordernden“ Oralchirurgie und Implantologie beim medizinisch kompromittierten Patienten. Auch die kritische Hinterfragung überlieferter Dogmen und die Schaffung verständlicher Behandlungsschemata in der sehr komplex gewordenen (Zahn-)Medizin waren mir schon immer ein Anliegen. In der Oralen Medizin liegen die großen Herausforderungen zunehmend im Bereich von Neben- und Wechselwirkungen von laufend neu auf den Markt drängenden Medikamenten und komplexen Therapien von primär hämatologisch und onkologisch erkrankten PatientInnen, aber auch von Autoimmunerkrankten. Hierbei spielen – auch im Kontext der oralen Implantologie – Biologika und sonstige Fibroblasten-hemmende und Schleimhaut-toxische Therapien eine zunehmend wichtige Rolle. Einflüsse der umfassenden Mundgesundheit (infektiöse Erkrankungen, Implantologie) auf Entwicklung und Ausprägung allgemeinmedizinischer Erkrankungen gehören ebenso in diesen Fachkomplex.
Wie sieht Ihr Rückblick auf die Zeit als ÖGI-Präsident aus?
Acham: Meine Ära als Leiter der Gesellschaft war insbesondere zu Beginn geprägt durch die „Corona-Zeit“, entsprechenden Stillstand und meine, nein, unsere Bemühungen, das „Werkel wieder flott“ zu kriegen. Mit unserer Tagung 2021fielen wir an den Rand eines neuerlichen Lockdown, sie wurde dann erfolgreich als Hybridveranstaltung durchgeführt. Als nächstes stießen wir auf einen nicht geringen Reformstau in unseren Vereinsstatuten. Hier haben wir bereits viel erledigt. Ein großer Brocken war auch die Aufstellung einer komplett neuen Website, was ohne die treibende Kraft von Christoph Staudigl und Werner Zechner nicht möglich gewesen wäre. Und parallel dazu konnten wir auch das Implantologie-Curriculum endlich soweit auf Vordermann bringen, dass es erste österreichische Absolventen zu feiern geben wird! Vorbereitungen betrafen die geplante Gemeinschaftstagung der deutschsprachigen Gesellschaften im Jahr 2026. Alles in allem war es eine sehr ereignisreiche Zeit.
Was sind die Hauptthemen bei der ÖGI-Jahrestagung?
Acham: Dem Generalthema „Aus Fehlern lernen“ entsprechend wollen wir am Hauptkongress am Samstag alle Aspekte der Implantologie in diesem Kontext beleuchten. Der Themenbogen spannt sich von Fehlern und dem adäquaten Komplikationsmanagement in Planung und Aufklärung über die Chirurgie, die Prothetik bis hin zur komplexen und interdisziplinären Nachsorge durch das ganze Team! Parallel zu den beiden Blöcken um Mittag bieten wir für die Zahnärztliche Assistenz besondere Seminare zur Hygiene in der Chirurgie und zur speziellen Implantatvorsorge (https://www.oegi.org/fortbildung/jahrestagung2024/). Das besondere dieser Tagung ist auf alle Fälle, dass wir uns an das gesamte Ordinationsteam wenden! Neben einem eigenen Workshop-Programm für Assistentinnen am Freitag bieten wir im Vortragsplenum samstags besondere Aspekte in Vorbereitung und Nachsorge, die das gesamte Team interessieren. Am Freitag laden wir in langer Tradition zu den Firmenworkshops der Platinsponsoren. Zudem bieten wir in einem Reigen von freien Workshops u.a. einen „Chirurgischen Nähkurs“ der Next Generation und einen „Crash-Kurs Anatomie“ an.
Was war – in Anlehnung an die Tagung – der Fehler, von dem sie am meisten gelernt haben?
Acham: Das Schöne im Leben ist ja, dass man nicht immer selbst alle Fehler ausreizen bzw. gemacht haben muss, um daraus zu lernen! Aber zu Ihrer Frage: Was mir schon immer gedämmert hat und seit einigen Jahren ja etabliertes Wissen und geübte Praxis ist, ist der Umstand, dass wir keineswegs in jedem Fall durch die Extraktion von Zähnen „Platz für Implantate“ schaffen müssen. Ich darf den Internisten E. Erdmann (DMW 2003) zitieren: „Ich meine, wer Menschen ihrer gebrauchsfähigen Zähne beraubt, muss sehr gute Gründe dafür haben.“ Herausforderungen beim Parodontitis-Patienten sollen keinesfalls kleingeredet werden, und eine umfassende Planung ist immer die wichtigste Voraussetzung für den Erfolg. Aber, wo früher Zähne radikal weichen mussten, gilt heutzutage ein gesundes Nebeneinander von Implantaten und Zähnen häufig als der bessere Weg.
Gibt es noch Punkte, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Acham: Ein Hinweis richtet sich vor allem an die jungen Kolleginnen und Kollegen: Das österreichische Implantologie-Curriculum ist innerhalb von ca. 2 Jahren vollständig absolvierbar. Es bietet ein kollegiales Training in Begleitung erfahrener Implantologen. Und ich möchte vor allem unsere nachstrebende Jugend einladen, sich stark in der ÖGI zu etablieren. So steht z.B. auch hier die Neuwahl des Leiters der Next Generation unmittelbar an.
Herzlichen Dank für das Interview!
Priv.-Doz.Dr. PETER WALLNER Umweltmediziner und Medizinjournalist peter.wallner4@gmail.com
|