Ihr gutes Recht: Aufklärungspflicht über Goldallergie

Ende 2012 „schockierte“ eine Entscheidung des Obersten Gerichthofes die Zahnärzteschaft. Anlassfall war, dass ein Patient, dem Goldkronen eingesetzt worden waren, an einer Goldallergie litt, was als Folge die Entnahme der Kronen und das ersatzweise Einsetzen von Keramikkronen erforderlich machte.

Der Patient, der vor dem Ersteingriff das Vorhandensein von Allergien verneint hatte (!), behauptete im Gerichtsverfahren, dass er über die Möglichkeit einer Goldallergie hätte aufgeklärt werden müssen.  Denn in diesem Fall hätte er vor der Behandlung einen Allergietest durchführen lassen, die Goldkronen wären nicht eingesetzt worden und er hätte sich Geld und Schmerzen erspart.
Im Verfahren ist das Gutachten eines zahnmedizinischen Sachverständigen eingeholt worden, der folgende wesentliche Feststellungen getroffen hat: Es sei in der Zahnmedizin „durchaus bekannt“, dass auch hochgoldhaltige Legierungen Allergien auslösen können, dies sei aber „äußerst selten“ der Fall. Ob die Allergie allerdings schon vor dem Einsetzen der Kronen bestanden hatte oder sich diese erst nach dem Einsetzen der Kronen entwickelte, konnte im Gerichtsprozess nicht geklärt werden. Aus diesem Grund konnte das Gericht auch nicht feststellen, zu welchem Ergebnis ein Allergietest überhaupt gekommen wäre (und – so die Anmerkung der Verfasserin – ob das Einsetzen der Goldkronen überhaupt unterblieben wäre).

Im Gerichtsverfahren waren nunmehr zwei wesentliche Punkte zu klären:
• Hat der Zahnarzt überhaupt über dieses Risiko einer möglichen Goldallergie auch bei hochgoldhaltigen Legierungen aufzuklären?
• Hätte der Patient nicht ohnehin – auch wenn ihm diese Möglichkeit vor der Behandlung eröffnet worden wäre – die Goldkronen dennoch anbringen lassen?

Das Gericht beurteilt in seinen rechtlichen Überlegungen, ob über ein Risiko einer Behandlung aufzuklären ist, zunächst, ob das sich verwirklichte Risiko von solcher Erheblichkeit ist, dass es geeignet ist, die Entscheidung des Patienten zu beeinflussen.
Das Gericht hat gegenständlich festgestellt, dass über die Möglicheit einer  Goldallergie – auch wenn sie nur äußerst selten klinisch relevant werden würde – aufzuklären ist, weil „die Verträglichkeit des in Aussicht genommenen Materials essenzielle Voraussetzung für einen beschwerdefreien Behandlungserfolg und daher auch für die Entscheidung des Patienten war“ – weswegen nach Ansicht des OGH die Kenntnis über Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit einer Goldallergie für den Patienten entscheidungsrelevant sei. Klar ist, dass das Gericht im Verfahren auch nicht überzeugt werden konnte, dass der Patient auch dann in die Zahnbehandlung eingewilligt hätte, wäre er zuvor über die Möglichkeit einer Goldallergie und eines Allergietests informiert worden wäre.
Gelingt es dem Arzt nämlich nicht, das Gericht davon zu überzeugen, dass der Patient auch im Falle der erfolgten Aufklärung die Behandlung vornehmen hätte lassen, geht dies zu seinen Lasten und er hat Schadenersatz für die demnach „eigenmächtige“ Behandlung zu leisten. Aus diesem Grund hätte im Verfahren beispielsweise überprüft werden können, ob der Patient schon bei vorherigen Eingriffen über das Auftreten (anderer) Allergien aufgeklärt worden ist, dies für ihn aber kein Anlass zur Durchführung eines Allergietestes gewesen ist. Sollte dies der Fall gewesen sein, wäre damit das Gericht vermutlich zu überzeugen gewesen, dass die nicht erfolgte – aber gebotene – Aufklärung über das Risiko des Auftretens einer Goldallergie nicht relevant geworden ist: Wäre die Aufklärung nämlich erfolgt, hätte dies nichts geändert – die Goldkronen wären auch in diesem Fall aufgesetzt worden. Der Arzt hätte in diesem Fall keinen Schadenersatz zu leisten.
Ob dieses Beweisthema die gebotene Relevanz im Gerichtsverfahren erfahren hat oder aber das Gericht schlichtweg – trotz umfangreicher Argumente (sofern sie überhaupt vorhanden waren) – nicht davon zu überzeugen war, dass der Patient aufgrund der äußerst geringen Wahrscheinlichkeit einer klinischen Relevanz der Allergie von einer Testung vorher Abstand genommen hätte, kann anhand der höchstgerichtlichen Entscheidung nicht beurteilt werden.
Im Ergebnis bedeutet die höchstgerichtliche Entscheidung jedenfalls, dass Zahnärzte zukünftig vor dem Einsetzen von Goldkronen auf die Möglichkeit des Auftretens von Allergien hinzuweisen haben. Sollten Patienten dennoch den Eingriff wünschen, sollte dies unbedingt dokumentiert werden.

Dr. Martina Haag
Rechtsanwältin in St. Pölten
Expertin für Arzthaftungsprozesse
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