Orale Präkanzerosen – Teil 3 Multifaktorielle Auslöser von epithelialer Dysplasie

Veränderungen in der normalen Struktur der Mundschleimhaut und den subepithelialen Geweben gehen häufig mit verringerter Resistenz gegenüber möglichen kanzerogenen Noxen einher. Die klassischen Präkanzerosen, wie die Leukoplakie und der orale Lichen planus werden bei ihrer dysplastischen Entartung durch zusätzliche Faktoren getriggert.

Sämtliche Formen chronischer oraler Entzündungen erhöhen das Risiko der Genese von Malignomen. Eine oft unterschätzte Gefahr ist dabei eine unbehandelte aggressive chronische Parodontitis. Pathologische Veränderungen im oralen Mikrobiom führen zur Etablierung eines spezifischen inflammatorischen Milieus und damit zu einer fehlgeleiteten Interaktion zwischen Wirtsgewebe und Mikroflora. Bestimmte Keimkombinationen mit Beteiligung von parodontalen Pathogenen wie Porphyromonas gingivalis und die Bildung von Reservoirs für kanzerogene Viren wie high risk HPV16, CMV und EBV in Zahnfleischtaschen triggern über unterschiedliche Mechanismen Veränderungen in der molekularen Struktur der oralen Zellen. Die Auswirkung dieser pathologisch modifizierten Biozönosen können so gravierend sein, dass man sogar von krebsassoziierten Biofilmen spricht. Die gewebsdestruktiven Enzyme und Lipopolysaccharide (LPS) gramnegativer Anaerobier führen zu vermehrter Freisetzung von Entzündungsmediatoren und zur Entstehung von oxidativem Stress. ROS (reactive oxygen species) werden in den Mitochondrien als Nebenprodukt der Zellatmung freigesetzt und dienen im entzündeten Gewebe der Abwehr von Bakterien und Viren. In zu hoher Konzentration kommt es allerdings zu massiven Zellschäden mit Veränderungen der DNA der Epithelien und entsprechendem Risiko einer malignen Transformation. Eine wichtige Rolle spielen die Toll-like receptors der unspezifischen Immunabwehr bei der Erkennung sogenannter PAMP´s (pathogen assoziierter molekularer Muster) an den Oberflächen oral-pathogener Keime. Deren ständige Überaktivierung setzt Signalkaskaden in Gang, welche zu überbordender Bildung von Inflammosomen und in der Folge von IL-1ß führen. Letzteres ist ein Schlüsselzytokin der Kanzerogenese. Derartige Prozesse können Dysplasie sowohl in den bereits diskutierten präkanzerösen Läsionen, als auch direkt im entzündlich vorgeschädigten Gewebe begünstigen. Neben den Formen der Leukoplakie und dem Lichen planus der Mundschleimhaut sollen noch einige weitere potenziell präkanzeröse Läsionen hier Erwähnung finden.

Aktinische Cheilitis (AC) – der „Sonnenbalkon“ Unterlippe

Diese Läsion ist eine der Hauptrisikofaktoren für Lippenkarzinome, welche an 15. Stelle der weltweiten Krebserkrankungen stehen. 6-10% der AC´s gehen in invasive Plattenepithelkarzinome über. Hervorgerufen durch intensive Exposition zu UV-Bestrahlung, kommt es bevorzugt an der Lippenrotgrenze zu Atrophie, keratotischen Plaques und Erosionen. Begünstigend wirken Hautreizungen, Befall durch Herpesviren, lokale Immunsuppression, Vitamin A-Mangel und zusätzliche Belastung durch ionisierende Strahlen. Die Noxen führen, ähnlich wie chronische Entzündungen, zur Freisetzung von aggressiven Sauerstoffverbindungen (ROS), welche dann zu dysplastischen Zellveränderungen führen. Orale submuköse Fibrose Dabei handelt es sich um eine juxtaepitheliale Fibrose und Hyalinisierung in der Mundhöhle mit fibroelastischen Veränderungen der Lamina propria und epithelialer Atrophie des Epithels mit Pigmentinkontinenz. Die submukosalen Veränderungen gehen mit Ödemen und chronischer Entzündung einher. Im fortgeschrittenen Stadium kommt es zu palpablen Verhärtungen mit Einschränkung der Mobilität der Zunge. Die Auslöser sind wie bei vielen Präkanzerosen multifaktoriell. Besonders häufig ist die submuköse Fibrose im südostasiatischen Raum, ein Zusammenhang mit dem Kauen von Betelnuss, aber auch mit dem häufigen Genuss von scharfem Chili gilt als gesichert. Zusätzlich spielen prädisponierende genetische und immunologische Faktoren eine Rolle. Auch Assoziationen zu Störungen im Lipidstoffwechsel, zu hoher Kupferbelastung mit Serumerhöhung von Coeruloplasmin, sowie Vitamin- Eisen- und Zinkmangel werden diskutiert. Die Symptome sind unterschiedlich stark ausgeprägt und reichen von Intoleranz gewürzter Speisen über burning mouth syndrom bis zu oralen Ulzerationen. Die betroffenen Patienten haben gegenüber Gesunden ein 19-fach erhöhtes Krebsrisiko.

Palatinale Keratose – ein bei uns seltenes Krankheitsbild

Diese spezielle Form der Hyperkeratose der Gaumenschleimhaut ist vor allem bei Personen mit niedrigem sozioökonomischen Status in Südamerika verbreitet. Sie entsteht durch „inverses Rauchen“, bei welchem das entzündete Ende der Zigarette in den Mund genommen und so der Rauch inhaliert wird. Die Hitzeexposition führt zu Hyperkeratinisierung und nicht selten zu oberflächlichen Verbrennungen der Gaumenmukosa. Diese massiven Noxen induzieren Leukoplakie, Ulzerationen, Bildung von Papeln, Hyperplasien der kleinen Speicheldrüsen und letztendlich schwere Zellatypien mit Gefahr der Entwicklung invasiver Karzinome.

Genetische Erkrankungen mit erhöhtem Risiko für orale Malignome

Diese Krankheitsbilder sind glücklicherweise sehr selten. Sie können, da sie auch weitere Organsysteme betreffen, nur im weiteren Sinne als ausschließlich orale Präkanzerosen angesehen werden. Bei der Epidermiolysis bullosa ist die mechanische Verbindung zwischen den Schichten von Haut und Schleimhaut gestört. Es kommt zu Blasenbildungen mit anschließender Vernarbung, Mikrostomie und Einengung des Ösophagus. Die Krankheit manifestiert sich früh, die Betroffenen werden auf Grund der hohen Vulnerabilität der Haut als Schmetterlingskinder bezeichnet. Die genetische Aberration geht aus nicht ausreichend geklärter Ursache mit einem erhöhten Risiko für Plattenepithelkarzinome, Basalzellkarzinome und Melanome der Haut und Schleimhaut einher. Die Dyskeratosis congenita ist durch eine Myelosuppression mit daraus resultierenden schweren Immundefekten gekennzeichnet, wodurch eine allgemein erhöhte Gefahr für die Entwicklung maligner Tumoren besteht. Häufig treten orale Läsionen wie Hypodontie, Schmelzbildungsstörungen, massive Karies und Lichen planus auf. 10% der Betroffenen entwickeln bereits frühzeitig Malignome mit besonders aggressivem Krankheitsverlauf.

Discoider Lupus erythematodes – eine kutane Variante der Autoimmunerkrankung

Autoantikörper gegen Zellkerne und Organellen, sowie verstärkte Aktivierung von B-Lymphozyten bei gleichzeitiger Depression von T-Zellen resultieren in einer Bildung von Autoantikörpern der Klassen IgG, IgM und IgA. Auf Haut und Schleimhaut entstehen durch Ablagerung von Immunkomplexen an den Basalmembranen von Gefäßen und die daraus resultierende Komplementaktivierung gut demarkierte zentral eingezogene diskoide Läsionen und Teleangiektasien. Zusätzlich werden sogenannte „honeycomb plaques mit massiver Keratose und linearen Fissuren und Ulzerationen. Es entstehen ausgeprägte Vernarbungen, auf deren Basis in seltenen Fällen bei Hinzutreten weiterer kanzerogener Noxen ein Plattenepithelkarzinom entstehen kann. Eine regelmäßige Inspektion und Kontrolle jeder persistierenden Veränderung der oralen Schleimhaut ist, auch bei nur geringem malignen Transformationsrisiko, in jedem Fall angezeigt. Früherkennung und rechtzeitige Intervention verhindern invasive und möglicherweise metastasie Bestellkupon rende Tumoren.

DDr. CHRISTA EDER
FA für Pathologie und Mikrobiologin
eder.gasometer@chello.at