Digitaler Workflow in Wels - Neuigkeiten aus der MKG-Chirurgie

Viel hat sich getan – ein Interview mit Prim. Priv.- Doz. DDr. Wolfgang Paul Pöschl, Fachschwerpunkt für MKG-Chirurgie am Klinikum Wels-Grieskirchen.

Was hat sich seit unserem letzten Gespräch vor 6 Jahren im Fachschwerpunkt für MKG-Chirurgie getan? Welche Rolle spielt mittlerweile der 3-D-Druck?

PÖSCHL: Wir haben unser Leistungsspektrum auf hohem Niveau weiter etabliert und insbesondere in der orthognathen und rekonstruktiven Chirurgie auf eine patientenspezifische Planung anhand von 3D-Datensätzen umgestellt. Durch diese Weiterentwicklung des „digitalen workflows“ können wir nun die Planung komplexer orthognather und rekonstruktiver Eingriffe komplett virtuell durchführen und auch die für die Operationen notwendige „hardware“ im Sinne von Platten und Schrauben jeweils exakt auf den Fall abgestimmt herstellen lassen. Beginnend mit einem intraoralen Scan und der Anfertigung eines DVT bis hin zur eigentlichen Operation mit der Verwendung patientenspezifischer Schnittschablonen und 3D-gedruckter Platten erfolgt der gesamte Prozess digital, was natürlich zu einer deutlich verbesserten Präzision und kürzeren OP-Zeiten beiträgt. Der hauseigene 3D-Druck ist im Alltag eine große Hilfestellung, um ein naturgetreues Modell unserer Patienten und Patientinnen in Händen halten zu können. Als Chirurgen sind wir doch sehr haptisch geprägte Menschen, und da hilft es für die OP-Planung komplexer Eingriffe sehr, wenn wir Modelle von z.B. Ober- oder Unterkiefer oder auch des gesamten Gesichtsschädels angreifen, von allen Seiten betrachten und auch mit den Patienten darüber sprechen können. Und wenn es einmal sehr schnell gehen muss mit einer Operation und die Zeit für eine patientenspezifische Planung mit unseren Industriepartnern nicht ausreicht, können wir „klassische“, handelsübliche Osteosyntheseplatten an diesen Modellen anbiegen bzw. individualisieren, um sie dann nach erfolgter Sterilisation rasch im OP zur Verfügung zu haben. Unser Portfolio wird noch heuer durch einen hochmodernen 3D-SLA-Drucker ergänzt, mit dem wir u.a. kürzere Druckzeiten erzielen können.

Behandelt die MKG-Chirurgie weiterhin eine hohe Anzahl an Menschen mit Beeinträchtigungen?

PÖSCHL: Unser Programm für die dentale Sanierung bei geistig beeinträchtigten Menschen läuft seit vielen Jahren sehr gut und wird auch in Zukunft auf diesem hohen Niveau bleiben. Darüber hinaus bieten wir auch ein Sanierungsprogramm für Kinder an, die in der zahnärztlichen Ordination nicht behandelbar sind. Auch dieses Angebot wird sehr gut angenommen, mit Wartezeiten von mittlerweile bis zu vier Monaten. In Summe sind es in etwa 1.000 Operationen im Rahmen des Sanierungsprogramms, wodurch wir zum größten Anbieter in Oberösterreich geworden sind. Wir bieten dieses Service sehr gerne an. Zusätzlich zu den dentalen Sanierungen in Narkose werden auch andere Fachdisziplinen wie Augenheilkunde, Dermatologie oder Gynäkologie, die alle im Klinikum vorhanden sind, eingebunden, die dann auch im Rahmen der Narkose je nach Bedarf aktiv werden.

Wie viele Ärzte/Ärztinnen arbeiten derzeit im Fachschwerpunkt? Haben Sie Nachwuchssorgen?

PÖSCHL: Es arbeiten derzeit inklusive mir neun Ärzte/Ärztinnen an der Abteilung und vier Zahnärzte/-ärztinnen, wobei es eine hohe Zahl an Teilzeitkräften gibt. Leider ist es mittlerweile die Ausnahme geworden, dass Mediziner zu 100 Prozent im Spital arbeiten. Nachwuchssorgen habe ich eigentlich nicht, es gibt immer ausreichend Bewerber/innen, aber zu viele sind es dann auch wieder nicht. Die Nachfrage nach Ausbildungsstellen geht im Vergleich zu vor 20 Jahren z.B. deutlich zurück, da ja generell weniger Ärztinnen und Ärzte an den medizinischen Universitäten ausgebildet werden. Und die nötige Doppelapprobation in meinem Fach zieht den Ausbildungsweg sehr in die Länge. Allerdings sind die Kollegen und Kolleginnen, die diesen Weg einschlagen, dann auch von Anfang in der Regel sehr entschlossen und zielstrebig.

Wie häufig kommt es vor, dass eine Schlafapnoe chirurgisch behandelt werden muss?

PÖSCHL: Die MKG-chirurgische Behandlung einer Schlafapnoe im Sinne eines „mandibulo-maxillären advancements“, bei dem sowohl Ober- als auch Unterkiefer gemeinsam nach ventral verlagert werden, kommt im Vergleich zu einer „normalen“ orthognathen Umstellungsosteotomie eher selten vor. Der Maßnahme vorgeschaltet sind ja sämtliche konservative Maßnahmen, mit denen oft das Auslangen gefunden werden kann. Allerdings kann man mit dieser Vorverlagerungsoperation bei entsprechender Indikation zumeist ein erstaunliches Ergebnis erzielen.

Gibt es weiterhin eine Kooperation mit dem Ordensklinikum Barmherzige Schwestern Linz?

PÖSCHL: Die Kooperation besteht weiterhin und ist vor allem im Hinblick auf die Zertifizierung (Onkozert) des Kopf/Hals-Tumorzentrums im Ordensklinikum wichtig. Hier dürfen wir unsere Expertise einbringen und durch das Zusammenspiel von HNO und MKG-Chirurgie können für die Patienten optimale chirurgische Ergebnisse erzielt werden. Zusätzlich ist durch das Vorhandensein von Onkologie und Strahlentherapie in einem Haus eine Rundumbetreuung gegeben.

Gibt es noch einen Punkt, der Ihnen besonders am Herzen liegt?

PÖSCHL: Da wir als Terminambulanz organisiert sind, ist die Kommunikation mit unseren Zuweisern, die ja zu einem Gutteil aus dem zahnärztlichen Bereich kommen, für die optimale Betreuung unserer Patienten ausgesprochen wichtig. Leider kommt es immer wieder vor, dass Patienten in dem Glauben das Klinikum aufsuchen, dass sie hier eine zahnärztliche Behandlung auch im Akutfall 24/7 erhalten würden. Leider ist dem nicht so und wir müssen dann oft sehr unangenehme und auch unnötige Diskussionen führen. Wir versorgen selbstverständlich kieferchirurgische Notfälle zu jeder Zeit sehr gerne und sind auch immer für die Kollegenschaft im niedergelassenen Bereich als Partner und Anlaufstelle da, bitten aber wenn immer möglich um vorherige Terminvereinbarung bzw. telefonische Kontaktaufnahme im Akutfall, damit die Patienten von Anfang in den richtigen Bahnen laufen.

Herzlichen Dank für das Interview!

Priv.-Doz.
Dr. PETER WALLNER
Umweltmediziner und Medizinjournalist
peter.wallner4@gmail.com

 

Prim Priv.- Doz. DDr. Wolfgang Paul Pöschl